Liebe Leserinnen und Leser meines Tagebuches,
wir bewegen uns immer mehr abseits der Zivilisation und damit der Stromversorgung und des Internets. Und selbst wenn wir im Hotel wieder mal "WiFi" angekündigt bekommen, ist dann das Internet so instabil, dass ich oft stundenlang brauche, um das Tagebuch zu aktualisieren. Nichtsdestotrotz werde ich euch auf dem laufenden halten. Aber es kann jetzt vermehrt vorkommen, dass es 3-5 Tage dauert, bis ich mich wieder melde. Die Buschcamps werden jetzt im Herzen der Tour zunehmen. Habe inzwischen fantastische Bilder geschossen und werde euch die so bald als möglich in irgend einer Form zukommen lassen. Freue mich nach wie vor sehr, dass ihr meinen Spuren folgt und mir immer wieder motivierende Einträge im Gästebuch zukommen lässt.
19.12.2014 Don`t cry for me, Argentina
Der definitiv letzte Tag in Südamerika ist angebrochen. Fast 5 Monate sind seit der Ankunft Ende Juli vergangen. Welche Eindrücke werde ich mitnehmen nach Europa?
Auf jeden Fall ist es ein Kontinent der großen Gegensätze. Vor einer Woche noch fuhren wir in der endlos scheinenden Pampa von Patagonien, gestern Abend quälte ich mich durch die Menschenmengen einer Einkaufsstraße in Buenos Aires. Hier begegnen dir bis in die Haarspitzen gestylte Männer in Armani-Anzügen genauso wie hemdlose, athletische Kartonsammler, die hinter meterhohen Kartonsäulen kaum auszumachen sind.
In den nördlichen Ländern wurden wir immer wieder Opfer von Hundeattacken, hier in Buenos Aires gibt es „Hundesitter“. Die führen bis zu 15 Hunden an der Leine gleichzeitig gegen Bezahlung aus. Dreißigstöckige Glashochhäuser sind nicht weit von armseligen Bruchbuden entfernt. Buenos Aires hat 3 Millionen Einwohner, in der Peripherie und in den Slums weitere 8 Millionen. Ähnlich sind die Verhältnisse auch in Lima oder LaPaz.
Übrigens – so erzählte uns die Reiseleiterin – ist der Papast öfters noch hier in seiner Heimatkathedrale. Von dort aus besucht er mit der U-Bahn die Slums. Oder zeigt sich auf der Plaza de Mayo. Das ist der Hauptplatz vor dem Regierungsgebäude, von dessen Balkon aus Frau Kirchner immer wieder Reden an das Volk hält.
Gestern – wie jeden Donnerstag – fanden auf dem Platz die Demonstrationen der „Madres de Plaza de Mayo“ statt. Das sind die Mütter und Großmütter der verschwundenen oder getöteten Gegner des Militärregimes oder der Gefallenen im Falklandkrieg. Die schon sehr betagten, in weißen Kopftüchern auftretenden Frauen stimmen während ihrem Marsch um das Monument Sprechchöre und Gesänge an. Ob das nach so langer Zeit noch Sinn macht oder nur als Show für die Touristen gilt – die Meinungen darüber gehen auseinander.
Ebenso wie die Geschichten um das Mythos von Evita Peron. Auf jeden Fall wird sie hier von vielen Menschen immer noch sehr verehrt. War sie eine Heldin, die vielen armen Leuten half oder eine machthungrige, aus der Prostitution kommende Frau?
Viele Geschichten hier in Südamerika sind undurchsichtig. Auf jeden Fall wurde den Menschen immer viel versprochen. Aber die meisten profitierten nicht davon. Wohingegen die Regierenden und ihre Familien sich immer bereicherten.
Trotzdem gibt es in den meisten Ländern heute eine kleine Art von Mittelschicht. Sie sind durch harte Arbeit aus dem Ärmsten heraus. Hoffen wir, dass es so weitergeht.
Der Kontinent ist mir ans Herz gewachsen. Meine Träume wurden erfüllt. Ich nehme viele schöne Eindrücke und Erinnerungen mit.
ADIOS, ECUADOR, PERU, BOLIVIA, CHILE and
DON`T CRY FOR ME ARGENTINA
15. 16. 17. Dezember 2014 Die Tage danach
Am Tag nach unserer Zielankunft, also am Montag, den 15. Dezember bin ich mit etwas schwerem Kopf aufgewacht. Am Vorabend hatte uns bike-dreams zu einem Schluss-Dinner eingeladen. Und dazu gab es natürlich auch reichliche Quilmes und Vino Tinto. Und von dem Clubpräsidenten der "Los Pinguinos" noch ein schönes Erinnerungsgeschenk. Es war noch einmal ein toller Abend. Da nimmt man auch ein bisschen Kopfweh am anderen Morgen in Kauf. Für nachmittags buchten Günther und ich eine Schiffsreise über den Beagle-Kanal zu den Seelöwen und den Pinguinen. Wir mussten einander ja noch begrüßen. Wir taten das gerne und die Magallan-Pinguine, die uns von der Antarktis aus entgegen schwammen, freuten sich auch. Das sahen wir an ihrem watscheligen Gang mit viel Hüftschwung. Und sie zeigten uns auch ihre Schwimmkünste.
Abends trafen wir in einem Restaurant zufällig noch Joost und Michelle. Joost hatte gerade an diesem Tag Geburtstag. Und für Michelle war es nach dem heftigen Unfall mit dem Auto auch eine Art „Wiedergeburt“. Joost und ich waren uns einig, dass trotz der vielen Eindrücke über viereinhalb Monate doch der eine Tag, an dem wir uns so grandios verfuhren und auch der Tag danach, am tiefsten in Erinnerung bleiben würden. Es war eine sehr herzliche Verabschiedung. Michelle wird noch einige Tage in Ushuaia ihre Verletzung auskurieren um dann noch für 14 Tage in die Antarktis zu reisen. Die Verabschiedungen setzten sich anderntags fort. Hardy, mein Landsmann und Zimmerkollege, reiste schon früh am Morgen ab. Er wird noch 14 Tage in Buenos Aires und in Montevideo verbringen. Günther und ich hatten noch Zeit, das Maritim-Musuem und das alte Gefängnis zu besuchen. Wir waren von beidem tief beeindruckt. Nachmittags ging dann der Flieger nach Buenos Aires. Wir orderten einen Kleinlastwagen, um unsere großen Bikekartons stressfrei transportieren zu können. Nach etwas über dreistündigem, ruhigen Flug mit Aerolineas Argentinas
landeten wir im warmen Buenos Aires. Obwohl wir ja in Ushuaia gar kein so schlechtes Wetter hatten, waren die Temperaturunterschiede markant. Der Transfer zum Hotel war etwas holprig, weil die Reiseagentur natürlich ein viel zu kleines Taxi bestellt hatten.
Nach dem schnellen Check-in in einem tollen Hotel – ziemlich im Zentrum gelegen – gönnten wir uns noch ein saftiges Steak.
Heute morgen unternahmen wir einen ausgedehnten Stadtbummel durch die weihnachtlich geschmückten Straßen und Läden. Ich hatte ein komisches Gefühl dabei - Weihnachten und über 30°, kurze Hosen und Shirt - das ist fremd.
Für heute Nachmittag hatte uns die Reiseleiterin Laura eine Stadtrundfahrt organisiert. In kompakten 3 Stunden ging es zum Regierungssitz, dem Plaza de Mayo, dem ehemaligen Bischofsitz von Bruder Jorge, dem jetzigen Papst, nach La Boca, zum Stadion der Boca Juniors und nach Recoleta, dem Mausoleum von Evita Peron. Morgen werde ich noch in der Kirche von Iglesia de San Ignacio eine Kerze für Manuel anzünden.
Vor dem Abflug am Freitag nach Hause gibt es dann nochmals einen letzten Bericht und ein Schlusswort. Schon jetzt möchte ich mich bei den vielen Lesern bedanken, die mich auf meiner Reise begleitet haben und mich immer neu motiviert haben. Schade, dass ich den Berichten keine Bilder zufügen konnte. Aber schon jetzt kann ich euch versprechen, bald nach Weihnachten einen Bilder- und Videovortrag speziell für euch zu machen. Dann bekommt ihr viele tolle Bilder zu den Texten nachgeliefert. Den Termin dazu werde ich hier auf meiner Homepage und bei Facebook bekanntgeben.
Hasta luego
Alfred
Dezember 2014 An einem Sommertag in Ushuaia
Etappe 108 Tolhuin – Ushuaia, 104 km, 1048 hm, 100% Asphalt, No-Timing
sonnig, warm, kaum Wind
Als ich nachts die Toilette aufsuche, schaue ich nochmals in den Südhimmel, um vielleicht doch noch das Kreuz des Südens zu entdecken. Doch es ist bewölkt. Außerdem ist es schwierig, die Nacht anzutreffen, denn Abend- und Morgendämmerung fallen fast zusammen. Es wird fast gleichzeitig dunkel und hell. Aber morgens beim letzten Frühstück im Camp scheint dann die Sonne, es ist warm und der Wind schläft noch. Wird er uns am letzten Tag in Ruhe lassen? Es ist schon eine merkwürdig nachdenkliche Stille, als es auf die letzte Wegstrecke geht. Es sollte nochmals ein Bilderbuchtag werden. Als ob sich das Wetter bei uns am letzten Tag dafür entschuldigen wollte, dass es viereinhalb Monate lang zu uns so garstig war. Zuerst geht es dem Lago Fagnano entlang, meist in einem Wald. Doch immer wieder wird der Blick frei auf den See und die dahinterliegenden, teils schneebedeckten Berge. Dann geht es letztmals über einen Pass namens Garibaldi mit 400 hm. Danach fahren wir in ein wunderschönes Tal, meist gesäumt von Nadelbäumen, ab. Danach geht es in leichtem Auf und Ab dem Lunchtruck entgegen. Irgendwann kreuzen Sessellifte die Fahrbahn – wir sind im Wintersportgebiet von Ushuaia. Hier hat übrigens das österreichische Skiteam ihr Sommertraining absolviert. Am Lunchtruck warten wir heute, bis alle Teilnehmer da sind. Denn wir wollen gemeinsam die letzten 20 km – heute mit einem Riesenaufgebot an argentinischen Polizisten mit Autos und auf Motorrädern – unter die Räder nehmen. Ich werde von einem sehr emotionalen Gefühl ergriffen. Es sind jetzt wirklich die letzten Kilometer einer langen Reise. Wie oft habe ich mir vorgestellt, wie es wohl ist, wenn du nach 11 000 jeden Kilometer gefahrenen Reise ans Ziel gelangst. Unter meiner Sonnenbrille wird es seltsam feucht. Danach folgt ein emotionaler Moment nach dem anderen: Am Stadteingang am Schild von Ushuaia machen wir nochmals Halt, um mit Fotos zu dokumentieren, dass wir am Ende der Welt und der Reise angelangt sind. Die Sonne freut sich mit uns. Seit langem kann ich mal wieder mit kurzer Hose und Shirt fahren. Heute ist scheinbar einer der drei Sommertage, die es laut Andi (hat er mir auf Facebook geschrieben) in Ushuaia gibt.
Nach dem Ortschild geht es die letzten 6 km zum Hafen und zum Boulevard von Ushuaia. Dort hat bike-dreams zusammen mit dem ortsansässigen Bike-Club „Los Pinguinos“ eine Zielankunft mit Siegerehrung organisiert. Direkt am Hafen überqueren wir unter dem Jubel der anwesenden Einheimischen und Touristen den „Finish“ Banner. Das ist dann der nächste emotionale Moment. Nachdem jeder jeden zu seiner tollen Leistung gratuliert hat, folgt die offizielle Siegerehrung. Erst als ich auf dem Treppchen stehe, begreife ich, was ich geleistet habe und alle Anspannung fällt von mir ab. Ein toller Pokal und eine Flasche Sekt in die Höhe gereckt, schaue ich für einen kurzen Moment nach oben in die strahlende Sonne, genieße den Augenblick und bin dankbar für alles, was mir diesen Augenblick ermöglicht hat. Zu allem körperlichem und mentalem Einsatz gehört nämlich auch eine große Portion Glück (oder Vorsehung?) um über diese lange Zeit gesund, verletzungs- und sturzfrei zu bleiben. Tausende, oder Hunderttausende? Autos haben uns passiert. Manchmal im Abstand von nur wenigen Zentimetern, es war oft sehr knapp.
Was dabei passieren kann, haben wir ja gestern bei Michelle Gane gesehen, die von einem Auto vom Rad geholt wurde. Wenn man das Radwrack sieht, ist es ein Wunder, dass sie heute, gestützt von mehreren Leuten, trotzdem aufrecht – ohne Rad – über die Ziellinie ging. Übrigens hat sie die Wertung bei den Frauen vor den beiden norwegischen Schwestern Christin und Hilde gewonnen.
Ich selbst kann mich nur verneigen vor der Leistung meines Konkurrenten James. Nach einem tiefen Loch in der Mitte des Rennens ist er zum Schluss mit unbändigem Willen zurück gekommen. Insgesamt war es ein faszinierender Zweikampf. Das war auch gut so, sonst wäre das ganze Rennen ziemlich langweilig gewesen. Mein besonderer Dank gilt aber auch Joost, der mich sehr unterstützt hat auf der Jagd nach James und mit dem ich mehrere Etappensiege gemeinsam feiern konnte. In seinem Sog und seinem über 2m langen Windschatten fängst du fast das Fliegen an ….
Nach der Siegesfeier und einem Buffet am Boulevard ging es zum Hotel Ushuaia hinauf, das einige Meter höher liegt und von dem aus man einen tollen Blick über die Bucht von Ushuaia hat. Ein letztes gemeinsames Dinner in einem einheimischen Lokal war der krönende Abschluss eines unvergesslichen Tages. Hier bekam jeder Teilnehmer noch ein Erinnerungsgeschenk vom Vorsitzenden des örtlichen Radclubs.
Zwischendrin begann ich - nach hartem Ringen um die passende Bike-Box – mit dem Verpacken des Rades. Morgen werden wir noch die Pinguine besuchen, die uns ja von der Antarktis aus entgegen geschwommen sind. Und - nach einem Tipp von Ferdi – da alte Gefängnis von Ushuaia, um dort im Innenhof einen Kaffee zu trinken.
Ich werde mich auf jeden Fall noch einmal melden, bevor ich nach Buenos Aires – dem letzten Ziel der Reise – fliege.
Dezember 2014 Eine dramatische vorletzte Etappe
Etappe 107 Rio Grande - Tolhuin, 117 km, 622 hm, 97% Asphalt, Half-Timing
sonnig, warm, windig
Zum letzten Mal sitze ich in meinem vom Wind umflatterten Wohnzimmer und schreibe mein Tagebuch. Aber ich bin ehrlich: es kommt keine Wehmut auf. Ich bin froh darüber. Ich sehne mich allmählich, wieder in die Komfortzone zurück zu kommen.
Es deutete sich eigentlich ein Bilderbuch-Tag an, als wir heute morgen in Tolhuin starteten. Sonne pur und warme Temperaturen, sodass ich seit langem mal wieder in kurzen Hosen losfuhr. Die ersten 10 km waren etrstmal gegen den Wind. Wir mussten ordentlich in die Pedale treten, um vorwärts zu kommen. Dann kam er rechts seitwärts und alle suchten den Windschatten des Vordermannes. Solange, bis der Platz ausging. Das war dann bei mir der Fall. Über die Mittellinie der Straße, also links zu fahren bei ordentlichem Gegenverkehr, das war mir zu gefährlich. Also ließ ich die ersten Vier fahren und machte eine neue Gruppe auf. Es kam aber nur Rennert. Zu zweit versuchten wir Anschluss zu finden, was aber nicht gelang. Dann drehte die Straße gegen Südost und wir hatten den Wind seitlich von hinten. Ich spürte, dass meine Erkältung mich nicht an die Leistungsgrenze würde fahren lassen können und schaltete vom „Race-Modus“ auf „Flott“. So kam ich etwa 10 Minuten später zur Zeitnahme am Lunchtruck. Dafür konnte ich die tolle Umgebung nochmals genießen – mit dem atlantischen Ozean links und des wieder beginnenden Baumbewuchses rechts der Straße. Eigentlich dachten alle, dass es nach dem Lunch so weiterginge. Doch die Straße drehte wieder gegen Südwesten, was wieder ordentlichen Seiten- und Gegenwind bedeutete. Dazu kamen längere Steigungen, oft gegen den Wind. So waren die meisten froh, nach etwa 5 Stunden Tolhuin erreicht zu haben. Hier gibt es die bekannte Panaderia „La Union“, wo die meisten Leute auf dem Weg nach Ushuaia nochmals Station machen. Auch wir genehmigten uns noch ein Croissant, bevor es nochmals 7 km weiterging zum Campingplatz La Hain Das letzte Stück fuhr ich mit Joost und erfuhr, dass Michelle Gane von einem Auto angefahren wurde. Es stellte sich heraus, dass ein Autofahrer von hinten sie anfuhr und zur Seite wegspickte. Günther, der als nächster hinzukam, leistete erste Hilfe und organisierte aus dem Gegenverkehr einen Pickup, der sie mitnahm ins Krankenhaus. Es stellte sich – gottseidank – heraus, dass sie außer vielen Prellungen und Schürfungen keine weiteren Verletzungen davongetragen hat. Das Rad hatte allerdings Totalschaden. Das Hinterrad war total zerfetzt, der Rahmen gebrochen. Auch am Auto war die Frontscheibe, der Kotflügel und der Außenspiegel zersplittert. Das war trotz allem nochmals Glück im Unglück.
Durch den Vorfall aufgeschreckt, hat uns die Polizei morgen auf der Fahrt nach Ushuaia Begleitschutz angeboten. Heute war ja Samstag und ziemlich reger Verkehr, der morgen wahrscheinlich auch nicht weniger sein wird.
Der Campingplatz ist noch einmal ziemlich „basic“, was allerdings kaum noch einen stört. Es ist ja der letzte.
Dezember 2012 Der letzte Ruhetag in Rio Grande
Die Ungeduld, endlich das Ziel zu erreichen, wird heute nochmals abgebremst. Es gilt, noch einmal tief Luft zu holen. Und vielleicht schon ein Fazit zu ziehen. Manche legen ihre lyrische Ader offen. Tolle Beiträge sind auf der Facebook-Seite von bike-dreams in Abänderung der Liedtexte von Bob Dylan (Blowin in the Wind) oder Simon and Garfunkel (Sounds of Silence) zu lesen. Ich würde es so schreiben:
Wieviel Berge mussten wir erklimmen,
wieviele Straßen bis zum Horizont fahren,
wieviel Flüsse überqueren
wieviele Grenzen überwinden
Wieviele kalte Regennächte im Zelt verbringen
wie oft das Rad gegen den mächtigen Wind drücken,
wieviele Kilometer in der glühenden Sonne kurbeln
wieviele Stunden auf staubigen Schotterpisten verbringen .
und
wie oft wurden wir von freundlichen Menschen empfangen,
wie oft standen Kinder Spalier und wollten einen Gringo berühren,
wie oft verschlug es uns den Atem vor der unglaublichen landschaftlichen Kulisse
wie oft waren wir fasziniert von der Farbenvielfalt auf indianischen Märkten,
wie oft wurden wir überrascht von der Gegensätzlichkeit der Landschaft,
der Kultur der Menschen, den Temperaturunterschieden, des hektischen Treibens
in den Städten und der unglaublichen Stille in den Pampas, den ausgetrockneten Flussbetten im Norden und den glasklaren Flüssen und Seen in Patagonien,
wie waren wir fasziniert von den Gletschern, die den Urwald küssten,
wie oft sehnten wir uns nach schattenspendenden Bäumen
und waren froh über windbremsende Affenbrotbäume
oder zogen uns den Duft der Kiefernwälder tief in die Lungen.
wie oft begegneten wir bizarren Felsformationen in allen möglichen Formen
und wie oft vielen bunten Sträuchern in der frühlingshaften Sonne Patagoniens.
Wie oft kreuzten Schafe, Lamas,Alpakas, Pecunas, Guanacos unsere Wege,
wie oft flogen Vögel mit uns um die Wette,
wie oft bewunderten uns Pferde und Esel von der Pampa aus,
wie oft sahen wir auf der Straße überfahrene Tiere,
wieviele tierische Skelette ragten entlang der Straße in den Himmel?
Wie oft fuhren wir mit Straßenhunden um die Wette,
wieviele Attacken von Hundemeuten mussten wir abwehren
wieviele Hunde besuchten uns in den Camps und schlossen Freundschaft mit uns,
wie oft haben wir zwischen Schweinen, Hühnern und Schafen gecampt?
Das alles ist Südamerika. Ich habe es erfahren.
Und jeden Meter genossen. Keine Stunde möchte ich missen.
Schmerzen vergehen. Stolz bleibt. Ich bin stolz, diesen Kontinent auf 2 Rädern
mit eigenem Antrieb von Nord nach Süd durchquert zu haben.
Die Pinquine haben 1600 km von der Antarktis aus zurückgelegt
wir haben 10800 km von Quito aus zurückgelegt
um uns in zwei Tagen in Ushuaia zu treffen.
11. Dezember 2014 Die Doppeletappe
Etappe 105/106 – Bushcamp Tierra del Fuego, 155 km, 501 hm, 50% Asphalt, Half-Timing
kalt, windig, leichter Regen, später bewölkt
Niemand war wirklich böse, als Rob verkündete, dass die beiden Etappen zusammengelegt würden und wir im Gegenzug zwei Übernachtungen in einem Hotel in Rio Grande und einen zusätzlichen Ruhetag bekommen würden. Allerdings galt es daher heute 154 km, ein Half-Timing und einen Grenzübertritt hinter sich zu bringen. Doch der winkende Ruhetag motivierte nochmals alle.
Es hatte nachts wieder geregnet, das Zelt war morgens wieder nass. Es kostete nochmals Überwindung, aus dem warmen Schlafsack zu kriechen und sich dem zugig, nass-kalten Wetter zu stellen. Ich zog mich warm an, obwohl ich wusste, dass mir spätestens nach 5 Kilometern wieder viel zu warm sein würde. Aber ich musste nachts ziemlich Husten und wollte mir nicht noch eine richtige Erkältung einfangen. James war richtig motiviert. Der winkende Gesamtsieg hat ihn wahrscheinlich nochmals angespornt. Er legte sich gleich richtig ins Zeug, zusammen mit Lucho und Rennert. Nach 6 km musste ich abreißen lassen, es war mir zu schnell. Warum, merkte ich dann wenig später, als ich immer weniger Luft im Hinterrad hatte. Erst half mal das Nachpumpen, so alle 7-8 Kilometer. Die vorne zu erreichen war jetzt eh nicht mehr möglich. So versuchte ich wenigstens Schadensbegrenzung und die gelang dann auch mit nur 10 Minuten Rückstand bei der Zeitnahme. Rennert hatte die beiden anderen noch abgehängt und gewann die Etappe. Und das mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 34 km/h ! Und das Offroad. Das geht natürlich nur mit einem extremen Rückenwind. Nur 300 m nach dem Lunchtruck war die chilenische Grenze. Nach der problemlosen Ausreise ging es erst mal für weitere 17 km offroad weiter. Doch mit dem Wind im Rücken war das kein Problem. Auch die Einreise nach Argentinien war schnell erledigt. Mir fiel ein, dass ich eine Co2-Patrone dabei hatte und probierte damit Luft nachzufüllen. Dabei brach das schon beschädigte Ventil ganz ab. Das hieß jetzt, einen Schlauch einzuziehen. Ich vermutete einen Dorn im Reifen, fand aber keinen.Dafür war die vor ca. 10 Wochen eingefüllte Liquid-Milch zu einem Klumpen geformt. Habe wieder etws dazu gelernt! Mit mulmigem Gefühl zog ich den Schlauch ein. Jetzt durfte nichts mehr passieren, denn einen zweiten hatte ich nicht dabei. Doch ich hatte Glück. Die Luft hielt. Es waren immer noch 70 km auf der argentinischen Seite zu fahren. Doch mit Rückenwind und Seitenwind war das kein Problem. Zum ersten Mal zeigte der Wegweiser Ushuaia an. Anfangs waren es noch 274 km, jetzt von Rio Grande aus sind es noch etwas über 200. Gerade richtig für die beiden letzten Etappen am Samstag und Sonntag. Dazwischen genießen wir nochmals einen Ruhetag, abgeschirmt vom Wind und ohne flatternde Zeltwände.
10. Dezember 2014 Bienvenido a Tierra del Fuego
Etappe 104 Punta – Arenas – Bushcamp Tierra del Fuego, 91 km, 735 hm, 12% Asphalt, No Timing, morgens kühl, bewölkt, nachmittags sonnig, wärmer, Rückenwind
Heute steht de Fährüberfahrt über die Magallanstraße an, daher starten wir schon um 7.45 Uhr. Es geht durch Punta Arenas zum Fährhafen Tres Puentes. Dort müssen wir eine Stunde warten, bis wir auf die Fähre dürfen. In einer zweieinhalbstündigen Überfahrt geht es nach Tierra del Fuego was ja bei uns unter Feuerland bekannt ist. Der Name stammt von früher, als der Entdecker Ferdinand Magallan, unter spanischer Krone segelnd - viele Feuer, vermutlich der Ureinwohner Yaghan sah - als er das Archipel entdeckte. Ursprünglich als „Land of Smoke“ wurde es später umbenannt in „Land of Fire“.
Vom Fährhafen zur größeren Ansiedlung Porvenir sind es 5 km. Dort wartet der Lunchtruck, denn es ist inzwischen schon 12 Uhr. Alle verpflegen sich nur kurz, wohl wissend, noch mehr als 85 km ungeteerte Straße vor sich zu haben. Es ist eine seltsame Stille, die alle Teilnehmer erfasst. Fast andächtig fahren alle los. Ist es das Wissen, jetzt wirklich den letzten Teil der Reise unter den Reifen zu haben oder ist es Stille, das Licht und die Weite? Ich selbst bin auch davon befangen. Ich möchte allein fahren, jeden Meter nochmal aufsaugen und die weite Stille genießen. Selbst das Surren des Freilaufs, das Knirschen der Reifen im Kies oder das Blöken der vielen Schafe entlang des Weges grenzen an Unruhestörung. Fast die gesamte Strecke geht es entlang des Meeres, der Magallanstraße. Manche wollen Delphine gesehen haben. Tief ziehe ich die salzgeschwängerte Luft in die Lungen. Der Wind ist uns auf Feuerland scheinbar wohlgesonnen. Meist kommt er von hinten, nur wenige Mal leicht störend von der Seite. Wir schlagen das Buschcamp in einer Senke am Wegrand auf, wo der Wind einigermaßen darüber hinwegzieht. Trotzdem überraschen uns immer wieder einfallende Böen. Beim Suppe löffeln musst du schnell zuschnappen, sonst hat sie der Nachbar im Gesicht. Immer wieder fliegen Topfdeckel wie Frisbeescheiben durch die Luft. Auch bei der Wahl des Zeltplatzes und beim Aufbauen des Zeltes heisst es, eine gute Wahl zu treffen und fix zu sein.
Aber es ist ja unser letztes Bushcamp und das vorletzte Camping. Darum bleibe ich heute sehr gelassen.
Morgen wird es nochmals anstrengend werden, weil wir ja zwei Etappen zusammenfassen und nochmals einen letzten Grenzübertritt von Chile nach Argentinien haben.
Dezember 2014 Der vorletzte Ruhetag in Punto Arenas
Eigentlich sollte es der letzte Ruhetag vor der letzten Einheit nach Ushuaia sein. Doch die Organisatoren von bike-dreams haben uns noch einen weiteren „Restday“genehmigt. Wegen Problemen mit einem Campingplatz in San Sebastian werden 2 Etappen zusammengefasst. Im Gegenzug gibt es dazu einen weiteren Ruhetag in Rio Grande am Atlantik. Wir sind darüber auch nicht böse. Obwohl es dann nochmals eine Etappe mit fast 160 km geben wird. Aber mit dem Zielstreifen am Horizont sollte das machbar sein.
Habe heute zusammen mit Günther Guderley einen erholsamen Ruhetag in Punto Arenas genossen. Angefangen von einem guten Frühstück in unserem Hostal und einem Capucchino in einem nostalgischen chilenischen Cafe über eine gute Pizza zum Abendessen haben wir nicht nur was für den ständig knurrenden Magen eines Langzeitradlers getan, sondern uns auch noch kulturell weitergebildet. So besuchten wir den von der Immigrantin Sarah Braun gestifteten Friedhof. Auf den Grabsteinen und auf toll hergerichteten „Grabhäusern“ bis zu total verfallenen "Unkrautvierecken“ waren viele kroatische Namen zu lesen. Vor allem aus Kroatien kamen hier die Immigranten Mitte des 19. Jahrunderts und bevölkerten die Region. Was die wohl dazu bewogen hat, ans Ende der Welt zu ziehen? Denen muss es zu Hause wohl sehr schlecht gegangen sein. Während die Gegend hier und südlich davon früher vor allem ein Strafgefangenenlager war, ist es heute durch den Schifffahrtsverkehr auf der Magallanstraße ein bedeutender Handelsplatz geworden. Der Plaza des Armas ist einer der schönsten in Chile. In der Mitte steht ein beeindruckendes Monument von Ferdinand Magallan, dem portugisischem Eroberer unter dem spanischem König. Hier wurden wir zufällig vom anwesenden chilenischen Fernsehen angesprochen und nachdem wir unsere Geschichte nach dem woher und wohin beantwortet hatten, ausgiebig interviewt.Leider werden wir uns im chilenischen Fernsehen selbst nicht sehen. Schade! Aber es hat Spaß gemacht.
Morgen werden wir leider unser schönes Hostal verlassen müssen. Aber es winkt ja nach 4 letzten Etappen das Ziel in Ushuaia. Davon wird uns auch der stärkste Wind nicht abhalten!
Dezember 2014 Im Eilzugtempo der Magallanstraße entgegen
Etappe 103 Villa Tehuelches – Punto Arenas, 101 km, 588 hm, 100% Asphalt, Half-Timing
morgens windig, kalt, später Auflockerung und nachlassender Wind
Würde es heute wieder eine Windlotterie werden? Gestern Nachmittag und Abend blies er derartig, dass einem schier das Zelt weggeflogen wäre. Wir feierten am Abend noch Santa Claus, der ja wegen der langen Etappe am Vortag verschoben wurde. Der Platz an der Rodeo-Arena war ziemlich windig, sodass die meisten sofort nach der Bescherung durch einen vorher ausgelosten Teilnehmer im kuscheligen Schlafsack verschwanden. Aber nachts machte der Wind dann auch eine Pause, sodass ich einigermaßen schlafen konnte.
Vormittags war Timing bis zum Lunchtruck angesagt. Wie ich schon vermutet habe, wollten die „Asphalt-Cowboys“ das unter sich ausmachen.Da der Sieg in der Gesamtwertung für mich nicht mehr realisierbar ist, begnüge ich mich damit, den Vorsprung von James nicht mehr weiter anwachsen zu lassen. So hefte ich mich an sein Hinterrad. Terry, Diederik und Lucho, die Gelegenheitsarbeiter ziehen mit heftigem Rückenwind davon und machen die Wertung unter sich aus. Ich erreiche gemeinsam mit James und Rennert den Lunchtruck bei km 52. Damit habe ich mein Tagesziel erreicht. Es geht jetzt mit etwas weniger Windunterstützung und weniger Speed der Magallanstraße entgegen. Sie ist ja eine Schifffahrtsverbindung vom Pazifik zum Atlantik. Hier verkehren viele Schiffe, die nicht ganz unten über Ushuaia fahren wollen. Die letzten 15 km geht es mehr oder weniger dem Meer entlang. Der hier befürchtete Gegenwind bleibt aus. Wir sind darüber nicht traurig. So erreichen wir schon vor 12 Uhr unser Etappenziel Punto Arenas. Hier sollen wir in 3er und 4er Zimmer in einem Hospedaje untergebracht werden. Mache mich gleich auf die Suche nach einem ordentlichen Hostal, denn den Ruhetag möchte ich nicht in einem Taubenschlag ähnlichen Zimmer verbringen. Zusammen mit Günther finden wir ein ansprechendes Hostal ziemlich im Zentrum mit schönen Einzelzimmern. Hier können wir uns sicher noch einmal vor dem Endspurt entspannen.
7. Dezember 2014 Eine Windböe zerstört alle Träume
Etappe 102 Puerto Natales – Villa Tehuelches, 148 km, 1024 hm, 100% Asphalt, Full-Timing
Es bleiben ja nicht mehr viele Etappen, um James zu überholen. Nach seinem Fiasko von gestern gilt es, zu testen, ob er angeschlagen ist oder nicht. Die Strecke spricht zwar nicht dafür, aber es bleibt keine andere Wahl. Der Wind sollte heute günstig für uns stehen, denn es geht meist südostwärts. Ich greife gleich an der ersten Steigung an. James zieht mit, Terry und Rennert folgen. Der Wind kommt meist von hinten und wir nehmen mächtig Fahrt auf. Es ist fast wie „Radsegeln“. Wenn du eine Böe erwischt, kannst du sie absegeln. Egal ob flach, bergab oder bergauf. Es schiebt dich einfach nach vorne. Auf dem Computer siehst du laufend Geschwindigkeiten zwischen 40 und 50 km/h, ohne zu treten. Nur Fliegen ist schöner. Aber manchmal haben wir das Gefühl, abzuheben.
Zwischendurch kreuzen wir einen Sandsturm. Auf mehrere hundert Meter ist fast keine Sicht. Der Sand brennt in den Augen trotz Brille. Dann sind wir durch. Es wird wieder heller. Das geht so bis etwa km 100. Dann macht die Straße eine Biegung nach rechts. Ich sehe wie James vor mir sein Rad querlegt. Ich weiß, jetzt kommt eine seitliche Böe von rechts. Doch die fegt mich einfach über die Gegenfahrbahn ins Kiesbett. Ich muss absteigen, versuche wieder zurück zu kommen. Doch keine Chance. Der Wind drückt mich gegen einen Zaun. Ich bin froh,denn ich hätte das Fahrrad nicht mehr halten können. Nur mit äußerster Mühe komme ich wieder weg. Ich muss mich gewaltig gegen den Wind stemmen, um nicht fortgeblasen zu werden. An aufsteigen ist nicht zu denken. Halte das Rad mit beiden Händen fest. Beide Räder hängen schräg in der Luft. Ich bringe sie nicht mehr auf die Erde. Laufe so etwa 200 Meter, dann lässt der Wind etwas nach. Versuche aufzusteigen, ist aber sinnlos. Die anderen drei sind weg. Sie haben sich auf dem Rad halten können und segeln davon. Nach etwa 500 Meter, in einer Senke, gelingt es mir, wieder aufzusteigen. Jetzt lasse ich mich nicht mehr abschütteln. Entwickle eine neue Technik. Verlagere dabei mein Gewicht nach vorne, das hält das Rad stabiler. Es ist jedesmal ein mulmiges Gefühl, wenn auf der relativ befahrenen Straße ein Auto entgegenkommt. Die Gefahr, von einer Böe wieder auf die Gegenfahrbahn getrieben zu werden, ist groß. Doch es gelingt jetzt, mein QB auf der richtigen Fahrbahn zu halten. So schaffe ich es trotzdem, nach etwa 5:30 Stunden das Bushcamp in Villa Tehuelches zu erreichen, etwa 15 Minuten nach James und den anderen. Die letzte Chance, ihn noch zu überholen, ist damit vertan. Doch ich bin nicht wirklich unglücklich. Ich bin sicher ins Ziel gekommen, das ist mir heute wichtiger. Und James ist ein großer Kämpfer, das hat er heute bewiesen nach dem Fiasko von gestern. Da bleibt mir nur, den Helm vor ihm zu ziehen.
Das Bushcamp ist in einer ehemaligen Rodeo-Anlage, die abgebrannt ist und am Wiederaufbau ist. Alles ist sehr basic. Aber was solls. Morgen ist wieder Ruhetag und den werden wir im Hotel genießen.
Dezember 2014 Als die Räder fliegen lernten
Etappe 101 NP Torres del Paine – Puerto Natales, 134 km, 1846 hm, 18 % Asphalt, No-timing
morgens Regen, dann sonnig, später bewölkt, Starkwind
Die Nacht auf dem Campingplatz lässt nicht viel Schlaf zu. Eine grosse Gruppe Kinder und Jugendliche sorgen für ziemliche Unruhe. Eine andere Gruppe bricht morgens um 4.30 Uhr auf und macht ebenso Lärm. Es regnet fast die ganze Nacht, morgens ist es im Zelt wieder feucht. Doch pünktlich zum Etappenstart scheint dann doch die Sonne. Christin hat Geburtstag. Alle wünschen ihr einen schönen Tag. Es sollte ein Geburtstag werden, den sie so schnell nicht vergessen wird.
Es geht erst die 8 km zum Eingang des Nationalparks zurück. Danach geht es über 200 Höhenmeter steil nach oben. Es ist eigentlich eine Traumkulisse: Die Torres und der Glacier Grey im Hintergrund, dazwischen mehrere azurblaue Seen. Nach etwa 19 km setzt plötzlich heftiger Wind ein. Er kommt meistens gerade oder seitlich von vorne. Er nimmt so stark zu, dass an Fahren nicht mehr zu denken ist. James wird auf dem Rad vom Wind einfach umgeblasen. Es ist sogar schwer, das Fahrrad zu schieben. Wenn der Wind seitlich kommt, hängt es mit beiden Rädern in der Luft und du musst alle Kraft einsetzen, es fest zu halten, damit es nicht wegfliegt. Immer wieder versuchen wir kurze Stücke zu fahren. Einmal schaffe ich gerade noch den Absprung und muss danach das Rad etwa 5 Meter hinter mir wieder holen. So ähnlich geht es eigentlich allen. James wird insgesamt 3 mal vom Rad geblasen und kommt nicht aus den Klickpedalen. Knie und Ellbogen sind aufgeschürft. Wir fahren, oder besser gesagt wir laufen auf Schotterpiste. In zweieinhalb Stunden schaffen wir gerade 12 Kilometer. Und wir haben ja insgesamt 134 vor den Rädern. Doch etwa nach 35 km macht die Straße eine Richtungsänderung Richtung Süden, dann Südost. Wir können jetzt öfters fahren. Kurz vor dem Lunch bei km 47 auf einer offenen, sehr tiefen Kiespiste kommt es dann nochmals dick: Der Wind bläst jetzt so stark von der Seite, dass wir das Rad wieder querlegen müssen. Das ist aber mit dem schottrigen Untergrund schwer umzusetzen, da immer wieder das Rad wegrutscht. Jetzt bin ich froh, vor 3 Tagen einen neuen Vorderreifen aufgezogen zu haben. So habe ich gegenüber den anderen einen relativ guten Halt. Viele sind froh, den Lunchtruck erreicht zu haben und fahren nicht mehr weiter. Andere müssen schon vor dem Lunchstop abgeholt werden. Sie geben - entnervt vom Wind – auf. Doch nach dem Lunchstop ist eigentlich das schlimmste überstanden. Ich fahre relativ zügig weiter, denn es sind ja immer noch 85 Kilometer zu fahren. Irgendwann fahre ich zu Rob auf, um dann gemeinsam mit ihm nach noch einem Colastop an einem Kiosk an der Straße weiter zu fahren. Etwa 16 Kilometer vor dem Ziel biegen wir auf eine asphaltierte Straße. Der Wind kommt jetzt seitlich von hinten und ist relativ gut zu beherrschen. Der Zielort Puerto Natales liegt an einem Seitenarm des pazifischen Ozenas. Ich atme tief die salzhaltige Luft ein. Nach 9:30 Stunden sind wir als zweite im Ziel. Vor uns waren noch die beiden Belgier Jan und Rennert. Das sind zwei unerschrockene, immer in kurzen Hosen fahrende Jungs, die scheinbar winderprobt sind. Außer uns vier erreichen noch Joost, Michelle, Jürg, und später noch James, Diederik und JR das Ziel. Alle anderen sind früher oder später in den Truck eingestiegen. Für mich war es schade, dass keine Zeitnahme war. Das Dinner muss heute später angesetzt werden. Die vorgesehene Nikolausbescherung ist auf morgen verschoben.
Dezember 2014 Ruhetag in Torres del Paine
Wie schon angedeutet wurde aus dem Ruhetag in Torres del Paine ein ausgedehnter Wandertag. Aber was sollte man hier auch sonst tun? Den ganzen Tag hinaufschauen zu den beeindruckenden Türmen? Natürlich nicht. Es gibt eine ausgeschriebene Tour zu einem Aussichtspunkt an den Füssen der Türme. Rob hat es schon gesagt: Normalerweise ist es eine 9 Stunden Tour, für bike-dremas-Leute normalerweise eine 7 Stunden Angelegenheit. Ich wanderte zusammen mit Günther, der sehr gut zu Fuß ist, hoch und zusammen mit Jürg und Berry danach runter. Wir unterboten knapp die 7 Stunden. Aber diese Wanderung war für uns alle äußerst anstrengend. Auch die anderen Teilnehmer die oben waren, bestätigten dies. Es waren nach über 10 000 km Radfahren plötzlich andere Muskeln gefordert . Und genau diese werden wir die nächsten Tage noch spüren. Doch die körperliche Anstrengung hat sich auf jeden Fall gelohnt. Es war eine abwechslungsreiche Wanderung mit dem Highlight zum Schluss: Direkt vor den steil aufragenden Türmen zu stehen, mit einem Gletscher und einem kleinen See davor. Ein Condor kreiste um die Felsen. Wir hatten gerade noch Glück und konnten die Türme noch sehen. Schon 10 Minuten später waren sie wieder von Wolken eingehüllt. Es war zugig und kalt und es schneite sogar kurz. Eigentlich waren wir nur auf einer Höhe von 880 m.Nach einer kurzen Rast zogen wir es vor, wieder den Rückweg anzutreten. Zeitweise regnete es, dann schien wieder die Sonne. Leider mussten wir auf dem gleichen Weg wieder zurückgehen, auf dem wir gekommen waren. Mit ziemlich weichen Knien und schweren Beinen kamen wir unten an. Aber nach einer warmen Dusche und einem kleinen Mittagsschlaf ging es schon wieder besser. Was die Beine morgen machen, werden wir ja sehen. Es stehen immerhin mehr als 130 km an. Aber ohne Timing. Darüber bin ich froh.
Dezember 2014 Die Jubiläumsetappe
Etappe 100 Cerro de Castillo – Torres del Paine, 64 km, 839 hm, 48% Asphalt, No Timing
sonnig, warm, kaum Wind, nachmittags einige Regenschauer
Zur hundersten Etappe gegrüßt uns morgens schon die Sonne und schickt ihre erwärmenden Strahlen auf unser Camp. Es herrscht eine sehr entspannte Atmosphäre, auch weil heute kein Rennstreß angesagt ist. Auch der Wind hat heute Erbarmen und macht es uns leicht, gen Westen zu fahren. Erst geht es auf einer Asphaltstraße dem Nationalpark entgegen, danach müssen wir den einzigen Wermutstropfen hinnehmen: Eine staubige Waschbrettpiste mit relativ regem Verkehr. Es ist die einzige Zufahrtsstrasse zu den vielbesuchten markanten Bergen Torres del Paine. Warum die Chilenen diese Straße nicht asphaltieren, bleibt wohl ihr Geheimnis. Es sind nämlich in Chile viele gut ausgebauten Straßen kaum befahren und diese hier hat ein relativ hohes Verkehrsaufkommen, auch durch viele Busse und Minibusse, und ist in diesem erbärmlichen Zustand.
Es ist wieder einmal eine Etappe wie im Bilderbuch und heute kann uns Hartmut - viele Grüße auf die neblige Alb - wirklich beneiden. Tolle Landschaft, viele kleine und größere Seen, die Torres immer als Hintergrund, davor erleben wir richtige Gauchos, wie sie eine große Herde zusammentreiben. Das Gestampfe und Brüllen von hunderten von Rindern, dazwischen die rotbehüteten Gauchos auf ihren Pferden - fast wie im Wildwestfilm. Und links und rechts der Straße sind auch viele Guanakofamilien. Die kleinen sind vielleicht einige Wochen alt und sehen puzzig aus. Wenn man sich nähert, schmiegen sie sich ganz an ihre Mutter. Die älteren machen schon mal ein Wettrennen über die Pampa.
Es gibt eigentlich keine Ortschaft. Nur ein ganz großes Hotel und einige kleinere Unterkünfte und ein paar kleine Shops. Wir erkundigen uns schon mal, was eine Hotelübernachtung kosten würde. Denn inzwischen hat es angefangen zu regnen.Aber wir kommen schnell wieder davon ab, denn ein Hotelzimmer kostet über 300 US-Dollar für eine Nacht. Wer kann das eigentlich bezahlen? Wir sehen einige Japaner und Chinesen. Vielleicht haben die soviel Geld. Die vielen Backpacker und Hiker, die es hier gibt, übernachten im billigeren Rifugio oder auf dem Campingplatz, so wie wir.
Morgen, an unserem Ruhetag werden wir eine Wanderung zu einem Aussichtspunkt unternehmen. Dort soll man eine tolle Sicht haben auf die Torres, die von ihrer Form stark an die drei Zinnen in den Dolomiten ähneln. Die Wetterprognose ist gar nicht schlecht für das Unternehmen, das immerhin 6 Stunden in Anspruch nehmen wird. Da werden aber zwischendurch mal andere Muskeln trainiert -was auch nicht schadet.
3. Dezember 2014 Das schnelle Come-back
Etappe 99 Bushcamp Tapi Aike – Cerro de Castillo 88 km, 549 hm, 50% Asphalt, Half-Timing
morgens kalt, bewölkt, leichter Regen, später bewölkt und sonnig, erst wenig, später viel Wind
Ein Naturfilmer hätte hier und heute seine wahre Freude gehabt. Als ich morgens die Freilufttoilette besuche, herrscht am kleinen Fluss reges animales Treiben. Kleine und größere Vögel nehmen ihr Morgenbad, streiten und balzen sich. Ein kleiner Wüstenfuchs sorgt für etwas Unruhe. Aber es ist schon toll, wenn so ein Biest einem Vogel zu nahe kommt, fliegt der einfach weg.. Ich wünschte, ich könnte es heute auch auf der Piste. Es ist morgens bitter kalt, aber wenigstens können wir im Freien frühstücken, ohne dass es in die Kaffeetasse regnet.. Allerdings sind Handschuhe angesagt. Die Pässe werden ausgeteilt, weil es ja heute zurück nach Chile geht. Gleich nach dem „Vamos“ von Rob versuche ich weg zu fliegen. Es geht offroad los und ich gebe meinem QB die Sporen. Nach 10 Minuten schaue ich mich um. Tatsächlich sind mir Joost und Rennert bei dem wilden Start gefolgt. Etwa nach 30 Minuten beginnen wieder leichte Rückenschmerzen. Habe mir zwar eine Voltaren in den Rucksack gepackt, versuche aber ohne auszukommen. Und tatsächlich lassen die Schmerzen bald wieder nach. Joost und Rennert haben inzwischen sich ein wenig absetzen können, ich verliere sie aber nicht aus den Augen. Ihr Vorsprung wird nicht mehr größer. Als sie sich dann am Ende der Offroad-Piste nicht entscheiden können, ob es rechts oder links weitergeht, fahre ich an ihnen vorbei und rufe „rechts“ Es geht jetzt auf Asphalt wellig gegen leichten Wind weiter. Ich genieße den baumlangen belgisch-niederländsichen Begleitschutz gerne - beide Begleiter sind über 2 m groß. Wir lösen uns vorne gegenseitig ab und nach einer weiteren guten Stunde sind wir auch schon am Lunchtruck beim Timing.Wir gewinnen die Etappe zu dritt. James folgt etwa 20 Minuten später. Ich habe also seinen gestrigen Vorsprung wieder mehr als wettgemacht. Mehr war heute auf der relativ kurzen Strecke nicht drin. Einen hohen Adrenalinausstoss habe ich noch kurz vor Schluss bei einer Abfahrt, als mich ein Bus beim Überholen schneidet und keine 5 cm mehr Platz zwischen Bus und meinem Lenker sind.
Nach einem kalten Lunchstop geht es zuerst asphaltiert, dann auf einer Piste mit zunehmendem Gegenwind der chilenischen Grenze entgegen. Die Zollabfertiung ist problemlos und kurz darauf sind wir in der kleinen Ortschaft Cerro de Castillo. Hier fahren viele Busse durch, die auf dem Weg nach Torres del Paine auch mal einen Stop machen. Wir machen Halt auf einem Privatgrundstück, auf dem wir die Zelte aufschlagen dürfen. Die sanitären Anlagen sind wieder einmal sehr „basic“.
Dafür das Abendessen im Freien beim sonnigen Abendlicht in der patagonischen Sonne umso schöner. Allerdings darfst du das Weinglas nicht weniger als halbvoll stehen lassen, sonst schmeißt es eine der vielen Windböen um. Ich habe mir angewöhnt, eine Hand am Glas zu lassen.
2. Dezember 2014 Ein Tiefpunkt
Etappe 98 El Calafate – Bushcamp Tapi Aike, 127 km, 1120 hm, 80%Asphalt, Full-Timing
sonnig, mäßig warm, erst Rücken-, dann Seitenwind
Nach dem Ruhetag in Calafate startet wir in die letzte Sektion des Anden-Trails. Die beiden Australier Ben und Tim sind ausgestiegen, neu hinzu gekommen ist niemand mehr. Es geht ja eigentlich auch nur noch um knapp 2 Wochen. Ich fühle mich eigentlich gut erholt nach dem Tag in Calafate. Fahre mit James, den beiden Belgiern Jan und Rennert sowie Jürg aus der Stadt. Es geht erst mal die 32 km zurück, auf der wir vorgestern so hart gegen den Wind kämpfen mussten. Heute haben wir ihn von hinten. Darum können wir uns auf den Lenker legen und in weniger als einer Stunde wieder zurück auf die R 40 fahren. Hier geht es sogar noch schneller voran. Die Strecke ist meist leicht abfallend und so sind wir nach 1,5 Stunden bei km 50, wo ein knackiger Aufstieg über 600 hm folgt. Hier erwischt es mich gewaltig. Ich habe plötzlich Rückenschmerzen und komme kaum den Berg hoch. Ich muss James und die beiden Belgier ziehen lassen. Jürg kommt von hinten und fragt mich, was los ist. Er gibt mir eine Voltaren. Solche Sachen hat er dabei in seinem Täschchen am Oberrohr. Er versucht mich mental aufzurichten und aufzumuntern. Nach etwa 20 Minuten beginnt die Tablette zu wirken und die Rückenschmerzen werden besser. Schon bei km 65 steht der Lunchtruck. Eigentlich haben wir ihn erst viel später erwartet. Nehmen nur kurz einen kleinen Happen zwischen die Zähne und weiter geht’s. James und Rennert sind am Lunchtruck vorbeigefahren, Jan macht Pause. Jürg gibt mir die nächsten 30 km Flankenschutz, denn der Wind kommt jetzt meistens von der rechten Seite. In flottem Tempo erreichen wir die Abzweigung, wo es offroad weitergeht. Lasse Luft aus den Reifen und stelle die Dämpfung auf soft. Verabschiede und bedanke mich bei Jürg für seine Hilfe. Er weiß, dass er mirt jetzt auf der Piste nicht mehr helfen kann. Ich gebe mächtig Gas. Die Piste nicht gar nicht so schlecht. Es gibt immer wieder Fahrspuren ohne Waschbrett. Das ist aber eher schlecht für mich, denn auch James kommt damit mit seinen schmalen Reifen besser zurecht. Oft sehe ich 3-4 Kilometer auf der geraden Piste voraus, kann die beiden aber immer noch nicht wahrnehmen. Der Wind ist nur ab und zu mal von der Seite zu spüren. So kann ich die beiden nicht mehr einholen, denn die Etappe ist heute um 30 km verkürzt worden, da wir auf dem vorgesehenen Bushcamp Tapi Aike keine Genehmigung erhalten haben.
Das ist heute nochmals ein richtiges Bushcamp. Kein Haus oder eine Ansiedlung in der Nähe und auch kein Wasser – Pampa pur. Nach der Suppe lege ich mich gleich ins Zelt und mache einen kleinen Mittagsschlaf. Morgen sind ja erst mal die 32 km offroad nachzuholen, die wir heute nicht mehr gefahren sind. Ich hoffe, dass es mir dann besser geht und ich den Rückstand von 13 Minuten wieder aufholen kann.
Dezember 2014 Ruhetag in El Calafate
Habe heute eine Nachricht bekommen von Hartmut Bögel, der mit uns gereist ist und uns in Mendoza Richtung Buenos Aires und Heimat verlassen hat. Er ist ein bisschen neidisch auf das, was wir hier erleben. Viel Nebel und schmuddeliges Wetter am Rande der Schwäbischen Alb nahe Blaubeuren. Um 5 Uhr schon dunkel. Es mag keine so richtige Weihnachtsmarktstimmung aufkommen bei ihm. Ich kann mit ihm fühlen. Nach fünf Monaten Südamerika ist es sicher schwer, jetzt zu dieser Jahreszeit wieder zurückzufinden in den beruflichen und familiären Alltag. Wir saßen heute Mittag im T-shirt im Straßencafe´in El Calafate. Dunkel wurde es erst nach 22 Uhr. Die Sonne wirft ein fast schon unrealistisches Licht auf die Berge und Täler – Patagonien, wie man es aus Bildern kennt.
Heute Nachmittag besuchten wir den Perito Moreno-Gletscher. Die gewaltigen Eismassen ragen bis zu hundert Meter aus dem Wasser des Lago Argentino. Der Gletscher, der als einer der wenigen noch wächst, ist mit 250 qm Fläche und einer Breite von 5 km einer der größten von 48 Gletschern in Patagonien und gilt als der Welt drittgrößtes Frischwasser-Reservoir. Je nach Witterung und Temperatur brechen immer wieder größere und kleinere Eismassen ab und stürzen mit großem Getöse ins Wasser. Auf verschiedenen Balkonen auf der Gegenseite des Gletschers kann man Zeuge dieser Naturgewalten werden. Viele Hiker besteigen den Gletscher täglich mit Führern und machen dort Wanderungen mit Steigeisen. Uns fehlt hierzu die Zeit. Aber alleine die Besichtigung ist die Anfahrt von Calafate zum 72 km entfernten Gletscher wert. (mit dem Bus oder Taxi)
Eine weitere Sehenswürdigkeit erwartet uns diese Woche noch mit dem Nationalpark Torres del Paine. Es gilt, alles noch intensiv zu erleben. Und das trotz einer gewissen körperlichen Müdigkeit und mentalem Stress, der doch immer mehr spürbar ist. Freuen wir uns auf die restlichen Tage, die uns ans Ende der Reise und der Welt führen werden.
Auch ich habe mir das vorgenommen, obwohl sich der Rennstress die nächsten Tage bis zum Ende noch steigern wird. Es sind nur noch 4 Fulltime und 2 Halftime-Wertungen. Ich werde das locker und entspannt angehen.
November 2014 Ein Streichresultat ?
Etappe 97 La Leona – El Calafate, 107 km, 816 hm, 100% Asphalt, Half-Timing
sonnig, warm, erst Rücken-, dann Gegenwind
Die Plätze in den Trucks müssen wieder einmal ausgelost werden, zu viele wollen heute wieder „Truckfahren“ statt Radfahren. Gefürchtet ist der zweite Teil der Strecke. Er ist zwar nur 32 km lang, führt aber voll in Richtung Westen, also gegen den Wind. Max hat in der Wettervorhersage von einen Westwind zwischen Stärke 4-6 berichtet. Das hat die meisten verschreckt.
Im ersten Teil bis km 68 ist nochmals Timing angesagt. Nach dem Patt von gestern gehe ich es vorsichtig an, merke aber schon am ersten Berg, dass James heute nicht in Bestform ist. Es folgt mir wie gehabt Joost und diesmal Diederik, der nach vielen Spazierfahrten im Truck wieder mal Lust zum Radfahren hat. Er versucht uns an der einzigen langen Steigung zu entkommen, wird aber von uns wieder eingefangen. Nach etwa 40 km bei einer Abfahrt falle ich aus dem Windschatten von Joost und kann nicht mehr folgen. Allein versuche ich jetzt das Tempo hochzuhalten. Der Wind kommt meistens seitlich von hinten. Nach 2:15 Stunden komme ich mit einem Rückstand von 4 Minuten zum Lunchtruck. Dort fährt gerade ein Pickup vor. Aus diesem steigt Barry aus und wird sofort von Annelot, unserer Ärztin behandelt. Er ist bei km 58 ohne Einwirkung von außen nach einem Kreislaufzusammenbruch vom Rad gefallen. Bei ihm waren Terry und James. Diese haben ihn dann in den Pickup eingeladen, der ihn bis zum Lunchtruck mitgenommen hat. James und Terry kommen etwa 15 Minuten nach mir. Weil eine Behinderung durch diesen Sturz entstand ,soll die Etappe nicht gewertet werden. Damit ist mir nach der Annullierung vor wenigen Wochen durch einen zu frühen Start zum zweiten Mal wertvolle Zeit gestrichen worden. Ich werde daher Einspruch gegen die Annullierung einlegen.
Im zweiten Teil ging es im geschlossenen Feld gegen den Wind in Richtung El Calafate. Etwa 20 Teilnehmer schlossen sich zu einem Peloton zusammen, um gemeinsam gegen den Wind zu kämpfen. So war nach guten 2 Stunden auch diese Hürde überwunden und alle konnten sich jetzt auf den Ruhetag in El Calafate freuen. Wobei diesen Tag die meisten nutzen werden, um den Perito Moreno Gletscher zu besuchen. Der ist etwa 75 km von Calafate entfernt und mit dem Bus zu erreichen.
Calafate ist ein gewaltiges Touristenzentrum. Viele Backpacker reisen hier durch und viele Treekking-Spezialisten unternehmen Touren zum Gletscher oder Kletterer zum berühmten Mount Fizz Roy.
Habe mich mit Günther und Jürg in einem netten Hotel einquartiert und genieße die warme Dusche und das weiche Bett ohne das stetige Brausen des Windes.
November 2014 Kurz und knackig gegen den Wind
Etappe 96 Tres Lagos – Camping La Leoan, 58 km, 270 hm, 100% Asphalt, Full-Timing
sonnig aber kalt, Westwind
Es ist strahlend blauer Himmel, als ich heute morgen aus dem Zelt schaue. Auch der Wind hat eine Pause eingelegt. Wie lange wohl? Es geht heute gen Westen. Normalerweise voll gegen den Wind. Aus diesem Grund ist die Etappe auch sehr kurz. In früheren Jahren haben sie dafür wohl schon lange dafür gebraucht. Als wir losfahren ist der Wind auch wieder pünktlich zurück. Habe erst mal eine Schrecksekunde zu überwinden. Meine Helmschnalle hat sich geöffnet und ich versuche sie, ohne anzuhalten freihändig fahrend zu schließen. Dabei erwischt mich eine Böe und ich kann nur mit viel Glück und Geschick einen Sturz verhindern. Aber anhalten wäre nicht möglich gewesen, da ich in einer 6er Gruppe sofort den Anschluss verloren hätte. Allein gegen den Wind wäre heute keine gute Ausgangsposition gewesen. In der Gruppe befindet sich auch James. Wir wechseln uns vorne gegen den Wind ab. Der Unterschied ist gewaltig. Vorne musst du dich voll ins Zeug legen, an hinteren Positionen zieht es dich mit. Nach etwa 30 km kommt Joost von hinten und zieht gewaltig an. Trotz harter Gegenwehr müssen James und ich abreißen lassen. Ich bleibe an James dran. Vorne kann Barry nicht mehr mithalten. Er lässt sich zu uns zurückfallen und fährt bei uns mit. James und ich wechseln uns in der Führung ab. Es gibt eine stumme Übereinstimmung: Er will nicht weiter Boden gegen mich verlieren, ich will den Abstand zu ihm heute nur halten. So kommen wir gemeinsam nach nur zweieinhalb Stunden schon um 10.30 Uhr ins Ziel. Auch die vordere Dreiergruppe bleibt zusammen, sodass sich Joost, Terry und Ben den Etappensieg teilen. Für mich war heute nicht mehr möglich. Nach 7 Tagen Rennen war heute nicht mehr drin.
Das Camping Hotel La Leoan liegt an einem Flus mitten in der Pampa. Es ist scheinbar für viele Touristen Pausenstation, die nach El Calafate fahren oder von dort kommen. Wir sind auf dem Campingplatz, das Hotel ist zu teuer. Auch das angekündigte WiFi funktioniert nur in Ansätzen. Kann nicht mal meine e-mails abrufen. Naja, morgen kommen wir ja nach Calafate, da wird es sicher wieder möglich sein.
Ich sichere mir einen Zeltplatz hinter einem Gebüsch in einer Senke, wo ich einigermaßen windgeschützt bin. Einige beneiden mich um diesen Platz.
28. November 2014 Ein kurzer Arbeitstag
Etappe 95 Estancia La Siberia – Tres Lagos, 93 km, 550 hm, 50% Asphalt, Full-Timing
sonnig, leichter bis mäßiger Rücken- Seiten- und Gegenwind, später bewölkt.
Zwischen Start- und Zielort arbeiten sie hier mächtig an der Ruta 40, um sie auszubauen und zu asphaltieren. Der gestern zu uns gestoßene Weltrumradler Thomas Meisxner kam uns ja von Ushuaia aus entgegen und hat uns informiert, wie weit die Arbeiten fortgeschritten sind. Heute haben wir im zweiten Teil der Etappe eine frisch asphaltierte Straße zu erwarten. Und so trifft es auch ein.
Erst geht es aber mal auf der schon gewohnten Waschbrettpiste los. Diese steigt leicht an und ich setze mich gleich wieder an die Spitze. Joost hatte schon signalisiert, dass er heute wieder mitracen will. Er folgt mir und schließt auf. Dann kommt noch Rennert, ein 2m langer, sympathischer Belgier dazu. Der ist in Bariloche eingestiegen und hat noch mächtig Reserven. Plötzlich fährt Joost rechts ran. Er sagt etwas, was ich aber nicht verstehe. Ich nehme an, er muss „pissen“. Das war schon einige Male der Fall. Wir fahren langsam weiter, er kommt aber nicht mehr. Wir kommen gemeinsam zum Lunchtruck bei km 48. Rennert macht etwas länger Rast, bei mir geht es ja inzwischen um jede Minute. Schiebe mir nur ein Brot zwischen die Lippen und trinke einen Becher. Danach geht es auf frischem Asphalt weiter. Immer wieder kommen aber seitliche Böen und zwischendrin auch richtiger, harter Gegenwind. Dann dreht die Straße mehr gegen Südost und ich lege mich wieder auf den Lenker, um Speed zu machen. Der Zielort kommt schneller als ich erwartet habe. Fahre erst mal dran vorbei bis mir der Garmin konstant„Kursab-weichung“signalisiert, Er hat mir nämlich dies vorher vorher schon immer wieder angezeigt, da ich nicht auf dem Originaltrack, sondern auf der danebenliegenden neuen Straße gefahren bin. Dies hat ja auch vor einigen Wochen mit dazu geführt, dass wir uns so grandios verfahren konnten. Da ich jetzt von der anderen Seite in die kleine Ansiedlung Tres Lagos komme, finde ich auch den Campingplatz nicht gleich. Alles in allem verliere ich dadurch ca. 10 Minuten von meinem Vorsprung, Nach knapp über 4 Stunden Fahrt bin im Camp. Es war wieder ein kurzer Arbeitstag. James braucht heute 20 Minuten länger.Er hat im zweiten Teil wieder Teamfahren mit Ben Bradley gemacht.
Die letzten Etappen habe ich fast nur noch vom Rennen berichtet. Doch das steht jetzt auch im Mittelpunkt. Viele Teilnehmer verfolgen es sehr interessiert.Der Vorsprung von James schmilzt täglich. Aber es sind auch nicht mehr so viele Etappen.
Andererseits gibt es sonst auch nicht viel zu berichten. Seit Tagen fahren wir in der patagonischen Pampa von Estancia zu Estancia. Ansiedlungen wie heute hier in Tres Lagos gibt es nur alle paar hundert Kilometer. Der nächste größere Ort wird übermorgen El Calafate sein. Dort werden wir auch einen Ruhetag einlegen.Und hoffentlich wieder einen Zugang zur Welt in Form von einem Internetanschluss haben.
Der Campingplatz hier ist in Ordnung. Auch ein paar kleine Shops gibt es, um Mineralwasser oder Tempotaschentücher zu kaufen,.Oder eine Flasche Quilmes-Bier, das habe ich heute nach dem 4. Etappensieg in dieser Woche verdient. Na dann, Prost !
27. November 2014 Solofahrt zum 13. Etappensieg
Etappe 94 Estancia La Angostura – Estancia La Siberia, 67 km, 553 hm. 0% Asphalt, Full- Timing vormittags bewölkt, leichter Wind, später sonnig bei zunehmendem Wind
Wir starten heute wieder eine Stunde später, da eine relativ kurze Etappe ansteht. Zuerst geht es die 5 km, die die Estancia abseits liegt, wieder zurück auf die Hauptpiste. Nach kurzem, gemütlichen Beginn gebe ich gleich meinem querido Burro die Sporen. Es geht auf schmalen, schlechten Weg bergauf. Die Taktik ist, hier einen Vorsprung herauszufahren. Es gelingt. Als ich auf der Hauptpiste zurückschaue, habe ich schon einen beachtlichen Vorsprung. Halte Zug auf der Kette und lasse meinem qB die Zügel los. Es geht teilweise mit Rücken- teilweise mit Seitenwind flott voran. An der letzten, ca. 8 km leichten, geraden Steigung vor dem Lunchtruck bläst der Wind ordentlich von der Seite, sodass ich mein Burro wieder schräg legen muss. Das Problem ist, dass auf dem losen Untergrund und der Schräglage immer wieder das Rad wegrutscht. Dazwischen folgen einige schnelle Abfahrten , die besondere Konzentration erfordern. Ein Sturz wäre hier fatal.Nach einer längeren Steigung taucht dann hinter der Kuppe ein großer See auf. Als ich sehe, dass die Straße links um den See führt, weiß ich, dass es mit Rückenwind weitergehen wird. Und so ist es dann auch. Die Straße wird besser, der Untergrund fester und ich kann mein Tempo nochmals steigern. Es folgen einige kurze Anstiege und Abfahrten. Dann taucht auch schon die Abzweigung zur Estancia la Siberia auf. 500 m später bin ich nach gerade 3 Stunden Fahrt als Erster im Ziel. Das war wieder ein kurzer Arbeitstag! James folgt mit 29 Minuten Rückstand. Da habe ich auf der relativ kurzen und nur leicht vom Wind beeinflussten Strecke einen ordentlichen Vorsprung herausgefahren.
Die Estancia ist im Vergleich zur gestrigen sehr basic. Aber immerhin gibt es eine Dusche und Toiletten. James spendiert mir ein Bier und gibt zu, dass er nicht schneller fahren konnte. Er beklagt sich über etwas müde Beine.
Das Rennen hat sich zu einem reinen Zweikampf zwischen uns entwickelt. Nach James folgen lange keine Teilnehmer mehr. Die meisten sind ziemlich platt und wollen einfach nur noch ankommen. Auch Joost hat heute eine Pause eingelegt.
Unterwegs haben einige Teilnehmer einen deutschen Radler getroffen und eingeladen, heute mit uns Abend zu essen und hier zu übernachten. Er ist seit eineinhalb Jahren unterwegs. Dabei ist er in Alaska gestartet, quer durch Amerika an die Ostküste bis Florida gefahren, danach ging er nach Kuba, durch Mittelamerika, Venezuela, an der Ostküste Südamerikas über Brasilien runter nach Ushuaia. Von dort fährt er jetzt hoch nach Santiago de Chile. Ob er nach dieser langen Zeit wieder im normalen Leben klarkommen wird?
November 2014 Und wieder ein kurzer Arbeitstag
Etappe 95 Estancia La Siberia – Tres Lagos, 93 km, 550 hm, 50% Asphalt, Full-Timing
sonnig, leichter bis mäßiger Rücken- Seiten- und Gegenwind, später bewölkt.
Zwischen Start- und Zielort arbeiten sie hier mächtig an der Ruta 40, um sie auszubauen und zu asphaltieren. Der gestern zu uns gestoßene Weltrumradler Thomas Meisxner kam uns ja von Ushuaia aus entgegen und hat uns informiert, wie weit die Arbeiten fortgeschritten sind. Heute haben wir im zweiten Teil der Etrappe eine frisch asphaltierte Straße zu erwarten. Und so trifft es auch ein.
Erst geht es aber mal auf der schon gewohnten Waschbrettpiste los. Diese steigt leicht an und ich setze mich gleich wieder an die Spitze. Joost hatte schon signalisiert, dass er heute wieder mitracen will. Er folgt mir und schließt auf. Dann kommt noch Rennert, ein 2m langer, sympathischer Belgier dazu. Der istr in Bariloche eingestiegen und hat noch mächtig Reserven. Plötzlich fährt Joost rechts ran. Er sagt etwas, was ich aber nicht verstehe. Ich nehme an, er muss „pissen“. Das war schon einige Male der Fall. Wir fahren langsam weiter, er kommt aber nicht mehr. Wir kommen gemeinsam zum Lunchtruck bei km 48. Rennert macht etwas länger Rast, bei mir geht es ja inzwischen um jede Minute. Schiebe mir nur ein Brot zwischen die Lippen und trinke einen Becher. Danach geht es auf frischem Asphalt weiter. Immer wieder kommen aber seitliche Böen und zwischendrin auch richtiger, harter Gegenwind. Dann dreht die Straße mehr gegen Südost und ich lege mich wieder auf den Lenker, um Speed zu machen. Der Zielort kommt schneller als ich erwartet habe. Fahre erst mal dran vorbei bis mir der Garmin konstant„Kursab-weichung“signalisiert, Er hat mir nämlich dies vorher vorher schon immer wieder angezeigt, da ich nicht auf dem Originaltrack, sondern auf der danebenliegenden neuen Straße gefahren bin. Dies hat ja auch vor einigen Wochen mit dazu geführt, dass wir uns so grandios verfahren konnten. Da ich jetzt von der anderen Seite in die kleine Ansiedlung Tres Lagos komme, finde ich auch den Campingplatz nicht gleich. Alles in allem verliere ich dadurch ca. 10 Minuten von meinem Vorsprung, Nach knapp über 4 Stunden Fahrt bin im Camp. Es war wieder ein kurzer Arbeitstag. James braucht hweute 20 Minuten länger.Er hat im zweiten Teil wieder Teamfahren mit Ben Bradley gemacht.
Die letzten Etappen habe ich fast nur noch vom Rennen berichtet. Doch das steht jetzt auch im Mittelpunkt. Viele Teilnehmer verfolgen es sehr interessiert.Der Vorsprung von James schmilzt täglich. Aber es sind auch nicht mehr so viele Etappen.
Andererseits gibt es sonst auch nicht viel zu berichten. Seit Tagen fahren wir in der patagonischen Pampa von Estancia zu Estancia. Ansiedlungen wie heute hier in Tres Lagos gibt es nur alle paar hundert Kilometer. Der nächste größere Ort wird übermorgen El Calafate sein. Dort werden wir auch einen Ruhetag einlegen.Und hoffentlich wieder einen Zugang zur Welt in Form von einem Internetanschluss haben.
Der Campingplatz hier ist in Ordnung. Auch ein paar kleine Shops gibt es, um Mineralwasser oder Tempotaschentücher zu kaufen,.Oder eine Flasche Quilmes-Bier, das habe ich heute nach dem 4. Etappensieg in dieser Woche verdient. Na dann, Prost !
26. November 2014 Tiefes Durchatmen
Etappe 93 Las Horguetas – Estancia La Angostura, 84 km, 100 hm, 58% Asphalt, TT for pairs morgens kalt, nachlassender Wind, dann sonnig,
Viele haben sich die letzten Tage gefragt, warum sie sich das hier antun. Tagelanger Regen in Chile, Wind und Kälte jetzt in Argentinien. Dazuhin katastrophale Camps ohne Wasser, Elektrizität und Sanitäranlagen. Aber die Gegensätze in Südamerika sind groß und stellen sich oft unerwartet ein. Wir sind schon vor 5 Stunden auf der Estancia La Angostura eingetroffen. Mitten in der Pampa ist hier eine Estancia, d. h. eine Ranch oder Hazienda. Versteckt hinter einem Berg ist die Anlage auch wenige Kilometer vorher nicht einsehbar. Die nächsten Ortschaften sind alle über 6 0 km entfernt.Während ich hier in einem komfortablen Aufenthaltsraum den Bericht schreibe, fliegen draußen Enten und Wildgänse vorbei. Im Wasser tummeln sich Flamingos und auf einer großen Weide grasen Pferde. Oft haben solche Estancias einen Campingplatz angegliedert, um eine zusätzliche Einnahmequelle zu schaffen. Und so ist es auch hier. Ein kleiner Campingplatz mit ziemlich neuen und sauberen Duschen und Toiletten haben wir vorgefunden. Alle haben nach den letzten 3 Tagen von so was geträumt. Und es ist hier auch fast windstill und die Sonne ist zurückgekommen. Nachdem die Etappe relativ kurz und schnell war, hieß es heute Nachmittag, alles zu waschen und zu trocknen. Habe auch schon ein kurzes Nickerchen hinter mir und mein Schlafdefizit wieder etwas ausgeglichen.
Das Radfahren war heute zweigeteilt. Im ersten Teil fand ein Paarzeitfahren über 50 km statt. Die Straße war dabei in einem super Zustand, schnurgerade und leicht abfallend. Dazu kam noch leichter Rückenwind. Das schnellste Paar, Joost und Terry, schafften die Strecke unter 1 Stunde, James und Ben wurden Zweiter mit 4 Minuten Rückstand und Hardy und ich folgten mit nur 1 Minute Rückstand auf James/Ben. Dabei legte sich Hardy mächtig ins Zeug und auch die Wechsel klappten ganz gut. Mein Problem war dabei,dass ich für Geschwindigkeiten von 50 km/h bei meinem Bike mit zwei Kettenblättern eine zu kleine Übersetzung habe. Aber auf einer Paradedisziplin auf James nur 1 Minute zu verlieren, spricht für eine gute Performance unsererseits.
Im zweiten Teil ging es dann offroad auf Waschbrett noch 32 km weiter. Im ersten Teil half dabei noch etwas der Wind, in der zweiten Hälfte behinderte er etwas von der Seite.
Schon um 11.30 Uhr war die Etappe beendet, sodass wir hier auf dieser schönen Anlage sogar einen halben Ruhetag genießen konnten. Das war für die meisten Teilnehmer ein Lichtblick und gibt hoffentlich wieder Energie für die nächsten folgenden 4 Tage vor dem nächsten Ruhetag.
25. November 2014 109 km allein gegen den patagonischen Wind
Etappe 92 Bajo Caracoles – Bushcamp Las Horquetas, 109 km, 551 hm, 100% Asphalt, Full-Timing, kalt, bewölkt, erst Rücken- dann Gegen- und Seitenwind
Nach einer windigen Nacht im Zelt, in der ich öfters glaube, dass mir jetzt das Zelt um die Ohren fliegt, sehe ich nur sehr ernste Gesichter. Bei diesem Wind diese Etappe anzugehen, ist für die meisten Teilnehmer nicht vorstellbar. Darum sind beide Trucks überfüllt, als es losgeht. Die Strecke geht die ersten 45 km südostwärts, also mit dem Westwind. Danach dreht die RN 40 auf Südwest, also gegen den Wind.
Fahre unerschrocken zügig los. Die Strecke steigt gleich an und es bläst erstmal Seitenwind. Als ich zurückschaue, sehe ich mit einigem Abschnitt James und sein neuer australischer Gehilfe Benjamin Bradley. Joost scheint heute nicht in Race-Laune zu sein,. Ich denke eigentlich, dass die beiden mich auf dem folgenden längeren Abschnitt abwärts mit Rückenwind überholen. Aber ich halte selbst das Tempo sehr hoch durch die Zeitfahrposition. Erst kurz vor dem Lunchtruck dreht die Strecke und sofort wird der gnadenlose Wind spürbar. Mache einen kurzen Lunchstop, obwohl ich noch keine 2 Stunden unterwegs bin. Als ich wieder wegfahre, kommen gerade James und Ben. Sie machen heute auch Lunch, nachdem sie gestern vorbeigefahren sind und schlechte Erfahrungen damit gemacht haben.
Im zweiten Teil gilt es einfach, gegen den Wind zu kämpfen. Dabei muss ich mein Rad oft schräg legen, um nicht fortgeblasen zu werden. Versuche trotzdem immer wieder, das Tempo sofort wieder zu erhöhen, wenn mich eine Böe fast zum Halten gebracht hat. Habe heute erstmals beim Timing die lange Hose und eine Windjacke an. Darunter komme ich heute richtig zum Schwitzen, obwohl der Wind sich eisig anfühlt. Der Wind nimmt zwischen km 85 und km 100 nochmals an Heftigkeit zu. Ich halte dagegen und mobilisiere meine letzten Reserven, weil ich weiß, dass bei km 101 die Strecke wieder Richtung Südosten dreht und ich dann nochmals für 8 km Rückenwind habe. Und so ist es dann auch. Die letzten km vor dem Etappenziel brauche ich gar nicht mehr zu treten. Es treibt mich richtig ins Ziel. Ich bin sehr stolz und zufrieden, den 12. Etappensieg im absoluten Alleingang geschafft zu haben. Damit habe ich nicht nur eine der schwierigsten Etappen gewonnen und 43 Minuten auf James gutgemacht, sondern auch das Vorurteil widerrufen, nur mit Hilfe von Joost gewinnen zu können.
Das Etappenziel ist ein einfaches Hostal in der Pampa. Sonst ist nichts. Überhaupt war heute auf der ganzen Strecke wieder keine Ansiedlung. Einige schlagen ihr Zelt auf der windabgekehrten Seite des Hauses auf, andere bekommen ein Zimmer mit einem Bett, jedoch ohne Dusch- und Toilettenmöglichkeiten. Das Hostal scheint nicht an ein Wassernetz angeschlossen zu sein, Es gibt auch kein fließendes Wasser. Habe mich trotzdem in einem Raum einquartiert, um windgeschützt schlafen zu können. Das Zimmer ist jedoch so eiskalt, dass ich heute Nacht meinen Schlafsack benutzen muss. Ich hoffe jedoch, nach dieser extremen Anstrengung heute gut relaxen zu können.
November 2014 Doppeltes Konterspiel gegen den Wind
Etappe 91 Perito Moreno – Bajo Caracoles, 130 km, 1210 hm, 100% Asphalt, Full-Timing
morgens kühl, sonnig, zuerst Rücken- dann starker Seit- und Gegenwind
Es ist jetzt kurz vor18 Uhr. Ich sitze im Zelt, das im Wind flattert, obwohl ich einen einigermaßen geschützten Platz gefunden habe. Wir sind in einer kleinen Ansiedlung mit 10 Häusern. Habe aber noch keinen Menschen gesehen. Nur Müll und Schrott. Haben die Menschen den Ort verlassen? Haben sie resigniert vor dem ständig wehenden Wind? Auch auf unserer heutigen Etappe haben schätzungsweise über 50% der Teilnehmer abgebrochen und sind in den Truck eingestiegen. Einige sind noch unterwegs im Kampf gegen den Wind.
Auch ich habe heute gegen viele innere Schweinhunde kämpfen müssen. Doch der starke Wille und die mentale Vorbereitung haben mir geholfen.
Konnte mich heute morgen gleich vom Feld und von James absetzen. Nur Joost folgte wieder einmal. Wir legten uns flach auf den Lenker und mit Rückenwind flogen wir durch die Pampa. Irgendwann konnte ich dem höllischen Tempo von Joost nicht mehr folgen. Nach etwa 40 Kilometer, an der ersten richtigen Steigung zog auf einmal Ben an mir vorbei, in seinem Schlepptau folgte James. Der klopfte mir auf die Schulter, nuschelte etwas in seinem amerikanischen Slang und grinste. Da läuteten bei mir alle Alarmglocken. Ich zündete den schon nicht mehr vorhanden geglaubten Turbo und ließ beide am Berg stehen. Danach ging es abwärts, aber gegen den Wind. Es ist schon ein blödes Gefühl, wenn du wie verrückt in die Pedale trittst und trotzdem nicht schneller als 10 km bergab bist. Aber ich setzte jede Muskelfaser ein, damit die beiden nicht mehr aufschließen konnten. Als ich nach einer halben Stunde mal zurückschaute, waren sie nicht mehr zu sehen. Dafür sah ich bald Joost wieder vor mir. Er verpflegte sich gerade, weil der dachte, den Lunchtruck verpasst zu haben. Der sollte bei etwa 65 km sthen. Tatsächlich errreichten wir ihn bei km 80. Die Felge von Joosts Hinterrad war durchgebremst und drohte zu zerreißen. Während er mit Walter das Hinterrad auswechselte – er nahm eines von den Reserverädern – verpflegte ich mich. Dann zogen plötzlich Ben und James am Lunchtruck vorbei, ohne anzuhalten. Das ärgerte Joost gewaltig. Wir beeilten uns, hatten aber trotzdem etrwa 6 Minuten Rückstand. Doch schon bald hatten wir die beiden wieder auf dem Radarschirm und kurz darauf zogen wir trotz heftigem Gegenwind schnell an ihnen vorbei, sodass sie gar nicht auf den Gedanken kommen konnten, sich bei uns anzuhängen. Es folgten Abschnitte, wo es kilometerlang gerade, leicht aufwärts gegen den Wind ging. Manchmal kamen Böen, die uns fast zum Stehen gebracht haben. Doch Joost, der Windmann aus den Niederlanden und ich, der Kämpfer aus dem Allgäu, gaben nicht nach. Die Kilometer wollten nicht mehr vorbeigehen. Etwa 25 km vor dem Ziel signalisierte mein Garmin „Kursabweichung“. Wir waren uns unschlüssig, mussten in der Karte nachschauen, denn wir wollten nicht zum zweiten Mal ein Fiasko erleben. Doch wir fuhren auf der gleichen Straße weiter und kurz darauf signalisierte mein Garmin auch wieder „Strecke gefunden“.Die letzten 15 km ließ der Wind ein wenig nach. Nach 6.10 Stunden erreichten wir dann ziemlich geplättet, aber froh, es geschafft zu haben, das Etappenziel Bajo Caracoles mitten in der Pampa.
James und Ben folgten einige Zeit später. Wie viel Vorsprung wir tatsächlich herausgefahren haben, kann ich im Moment noch nicht sagen. Doch James gratulierte mir artig und war ziemlich beeindruckt von meinem Konter. Ich nahm die Gratulation und seine Anerkennung für meine Leistung gerne an.
November 2014 Argentinien hat uns wieder
Etappe 90 Puerto Ibanez – Perito Moreno, 111 km, 1201 hm, 6% Asphalt, no Timing
morgens kühl, bewölkt, später sonnig, meist Rückenwind
Es hat gegen Morgen leicht geregnet. Als wir früh um 8 Uhr wegfahren, spannt sich hinter uns ein Regenbogen auf. Die Fahrt ist nach 1,4 km schon wieder gestoppt. Gleich hinter Puero Ibanez ist die chilenische Grenze und wir müssen zuerst unsere Trucks abfertigen lassen. Wir machen es uns amHafen von Puero Ibanez so lange gemütlich. Gleich nach dem problemlosen Grenzübettritt über die chilenische Grenze geht es ordentlich bergauf. Zum ersten Mal auf der Tour brauche ich die zwei kleinsten Gänge. Eine Abschnitte sind gepflastert, was die Sache etwas leichter macht.Nach etwa 22 km geht es steil abwärts zur argentinischen Grenzstation. Dies sollte das einzige Gebäude bleiben, das zwischen Start- und Zielort heute zu sehen ist. Und das sind immerhin über 100 km. Es folgt ein weiterer Aufstieg auf ziemlich übler, mit losen Steinen übersäter Piste. Bei km 47, am höchsten Punkt, an dem heute unser Lunchtruck steht, haben wir schon 1200 hm überwunden. Während wir m ersten Teil der Etappe eine tolle Sicht über die vielen Seen und Fjorde genießen, geht es im zweiten Teil nur noch durch die Pampa. Es geht jetzt immer leicht bergab mit dem Wind im Rücken. Trotzdem sind die weiteren 60 km vor allem für die Handgelenke und den Oberkörper eine Tortur. Außerdem gilt es,konzentriert zu bleiben, um den vielen Schlaglöchern und Kiesfallen auszuweichen.Heute war wegen den Grenzübertritten kein Timing. Schade, denn ich komme mit weitem Abstand als Erster im Camp an,obwohl ich mit meinem querido Burro nur ein normales Trainingstempo gefahren bin. Trotzdem liegen 7 Stunden zwischen Start und Ankunft.
Perito Moreno ist eine kleine Stadt und hat mit dem gleichnamigen Gletscher, der 300 km entfernt ist, eigentlich nichts zu tun. Aber auch dieser Gletscher steht bei uns noch auf dem Programm.
November 2014 James fightet sich zurück
Etappe 89 Coyhaique – Puerto Ibanez, 119 km, 1890 hm, 100% Asphalt, Full-Timing
kühl, bewölkt, leichter Regen, meist Rückenwind, gegen Ende heftige Böen von Vorne
Eigentlich habe ich mich nach dem Ruhetag gut erholt gefühlt. Doch irgendwie spüre ich schon von Beginn an leichte Magen-Darmprobleme. James fährt vorne, biegt aber in die falsche Richtung ab. Ich kann ihn gerade noch darauf aufmerksam machen. Wenige Kilometer später überholt er mich wieder. Spüre Probleme im Bauch und muss mich kurz darauf in die Büsche machen. Bei voller Montur dauert das etwas länger. Danach habe ich ihn nicht mehr auf dem Radarschirm. Es ist eine schnelle Strecke. Voll asphaltiert und keine steile Rampen – beste Voraussetzungen für James. Beim Lunch nach 64 km hat er etwas 8 Minuten Vorsprung. Danach geht es nochmals 300 hm nach oben, aber sehr moderat. Der nachfolgende Downhill ist sehr schnell mit vielen Kurven. Lege mich nicht auf den Triathlonlenker, weil immer wieder seitliche, heftige Böen reinblasen. Das ist mir zu gefährlich. Gegen Ende der Abfahrt biegt die Strecke plötzlich links ab. Ich fahre erst geradeaus weiter, bis mein Garmin konsequent „Kursabweichung“ anzeigt. Danach weiß ich, dass ich zurück muss. Das kostet mich etwa 7 Minuten. Danach geht es ein paar mal kurz aufwärts, aber überwiegend abwärts. Am Ziel auf dem Campingplatz in Puerto Ibanez komme ich als Zweiter an, habe aber 25 Minuten Rückstand auf James. Der hat seit gut 4 Wochen wieder ein Mal eine Etappe gewonnen. Das hat er sich heute auch mit einer äußerst couragierten Fahrt verdient. Ich werde die nächsten Tage, wenn es überwiegend offroad weitergeht, zurück schlagen..
Das Wetter und die Landschaft warten heute so, wie man es sich für Patagonien vorstellt. Die schneebedeckten Berge teilweise in Wolken gehüllt, mal sonnig, mal stark bewölkt mit etwas Regen und immer windig. Erfreulicherweise meist von hinten.
Der Campingplatz ist basic, aber das Dorf Puerto Ibanez mit dem Fahrrad gut zu erreichen, um Mineralwasser und eine Dose Bier einzukaufen.
Habe bereits nach dem Zelt aufstellen einen kleinen Mittagsschlaf gehalten und werde mich sehr früh in den Schlafsack kuscheln.
21. November 2014 Ruhetag in Coyhaigue
Wir sind jetzt den 6. Tag in Chile. Gleich nach der Grenze übernachteten wir in Futaleufu,einem kleinen Dorf. Jetzt sind wir in Coyhaigue, das ist eine mittelgroße Stadt mit 45 000 Einwohnern. Dazwischen waren ein paar einzelne Häuser - sonst nichts. Wirklich nichts? Doch, wir waren einem Seitenarm des Pazifiks, also am Salzwasser. Wir fuhren durch Puyuhuapi, einer kleinen Siedlung, die erst 1935 von Deutschen gegründet wurde. Diese versuchten den Kriegswirren der letzten Jahre zu entkommen oder flohen aus anderem Grund. Viele deutsche Namen sind Zeugen davon. Die Häuser erinnern an böhmische Dörfer.
Wir übernachteten wenige Kilometer von einem mächtigen Gletscher entfernt. Dieser liegt nur wenige Höhenmeter über dem Regenwald. Wir fuhren an vielen Seen vorbei, die ein Paradies für die vielen Vögel sind und ebenso bei den vielen chilenischen Fischern beliebt sind. Nach den vielen Ginsterbüschen nördlich fuhren wir gestern durch hektargroße violette und rosarote Lupinienfelder.
Und es wird kilometerweit an der neuen Trasse der R7 gearbeitet. Dabei werden ganze Felsen weggesprengt. Sie gleicht einer Riesenbaustelle.
Es gibt viele Unterschiede zwischen Chile und den anderen südamerikanischen Ländern. Doch eines haben sie gemeinsam: Es kommt das subjektive Gefühl auf, dass fast alle Menschen entweder Straßenbauarbeiter, Polizisten oder beim Militär sind. Ein Panzer am Eingang der Stadt zeugt von überlebten Militarismus.
Heute morgen erlebten wir eine Demonstration von Hetero-Sexisten. Eine halbe Stunde später eine Gegendemonstration von Müttern mit ihren Kindern.
Morgen beginnt die nächste große Einheit mit 9 Tagen ohne Ruhetag. Dabei sind wir wieder in der argentinischen Pampa, wo uns vermutlich wieder der Wind um die Ohren bläst. Wir werden überwiegend wieder im Busch campieren. Einige Strecken sind wieder dirt roads, wo ich versuche werde, den Vorsprung von James zu verringern. Der scheint sich etwas erholt zu haben. Wie weit, wird sich herausstellen.
Sehr wahrscheinlich habe ich die nächsten 7-9 Tage keine Möglichkeit, Berichte ins Internet zu stellen. Ich bitte euch um Geduld.
Hasta luego eurer Alfred
November 2014 Dem ersehnten Ruhetag entgegen
Etappe 88 Lago las Torres – Coyhaique, 123 km, 1750 hm, 55% Asphalt, Half-Timing,
kühl, bewölkt, später sonnig, zuerst Rücken- dann Gegenwind
Endlich mal wieder eine Nacht ohne Regen. Es ist zwar bewölkt und kühl, als ich aus dem Zelt krieche, aber immerhin trocken. Heute Vormittag ist Timing angesagt auf der nicht viele Höhenunterschiede aufweisenden Asphaltstrecke. Lege mich gleich mit Joost und Terry mächtig ins Zeug, muss aber nach 20 km abreißen lassen, da ich Atemprobleme bekomme. Fahre dann mein eigenes Tempo weiter und schaffe die 64 km in 2:10 Std., was trotzdem einem Schnitt von fast 30 km gleichkommt. Joost und Terry gewinnen die Etappe, ich kann James trotzdem weitere 10 Minuten abknöpfen. Das ist ein guter Trost. Nach dem Lunchtruck werden zwei Strecken bis zum Ziel in Coyhauque angeboten. Eine um 6 km längere Asphaltstrecke oder eine „unpaved“-Strecke, die etwas kürzer ist. Ich wähle die ungeteerte Straße. Diese lässt sich zuerst gut an, wird dann aber immer rauher mit vielen Höhenunterschieden. Es ist eine schöne, landwirtschaftlich intensiv genutzte Gegend mit vielen Rindern. Ich komme sogar an einem Großbetrieb vorbei, der tausende Hektar Grasland und viele Stallungen umfasst. Wahrscheinlich hat hier ein reicher Europäer Land gekauft, um einen Fleischbetrieb in industriellem Großformat zu betreiben.
An einer Abfahrt stoppt mich ein einheimischer Mountainbiker, der sich bei einem Sturz total die Felge geschrottet hat. Wir versuchen diese wieder hin zu bekommen, haben aber nicht das nötige Werkzeug dazu. Es bleibt dem jungen Chilenen nichts anderes übrig, als nach Hause zu schieben. Er erzählt mir, dass es hier wunderschöne MTB-Trails gibt. Anscheinend wird der Mountainbike-Sport immer populärer. Die letzten 10 km kommt zur schlechten Straße, die mit losen Steinen übersät ist, auch noch Gegenwind dazu.
Vor dem Zielort Coyhaique, auf einer windigen Anhöhe, sehe ich zum ersten Mal Windräder. Natürlich von einem deutschen Hersteller. Ist dies der Anfang? Windhöffige Gebiete gäbe es hier zuhauf.
Nach einer Suppe auf dem Campingplatz fahre ich sofort mit Jürg in die Stadt, um ein Quartier zu suchen. Wir wollen nach den vielen feuchten Campingnächten mal ein trocken und warmes Quartier. Nach nicht ganz einfacher Suche finden wir ein wunderschön, neu hergerichtetes Hostal.
Günther bekommt gleich nebenan eine kleine Unterkunft und gemeinsam verzehren wir in einem gepflegten chilenischen Restaurant ein gutes Steak mit ebenso gutem chilenischem Wein. Man gönnt sich ja sonst nichts …...
November 2014 Schlammschlacht auf der Carretera Austral
Etappe 87 Glacier Collante – Lago las Torres Camping, 78 km, 1350 hm, 50% Asphalt, no Timing, Regen, kalt, nachmittags bewölkt, kein Wind
Es regnet zwar nicht die ganze Nacht, jedoch immer wieder. Im Zelt übertönt aber der nahe vorbeifließende Fluss, gespeist aus dem mächtigen Gletscher über uns, das Regengeräusch. Es beginnt wieder zu regnen, als wir um 10 Uhr starten. Die Abfahrt ist ungewöhnlich spät, weil uns Rob die Gelegenheit bieten wollte, in einer kurzen Wanderung vor dem Frühstück dem Gletscher etwas näher zu kommen. Ich nehme die Gelegenheit nicht wahr, weil es wieder beginnt zu regnen und ich das Gefühl habe, heute noch nass genug zu werden. Und so wird es auch sein. Es setzt sich heute fort, was wir auch gestern Nachmittag schon hatten: Lebhafter Baustellenverkehr und Straßenbauarbeiten an der R 7 Carretera Austral. Teilweise werden die Felsen weggesprengt, teilweise mit Riesenmaschinen weg gemeiselt. Wir müssen eine halbe Stunde warten, bis der Verkehr wieder freigegeben ist. Dann beginnt ein längerer Aufstieg auf einer schmalen Straße durch den Regenwald. Der Farn wächst hier 3 bis 4 m hoch und auch die anderen Pflanzen wachsen wild und dicht – wie im Urwald. Auf der Passhöhe und bei der Abfahrt auf der anderen Seite des Berges beginnt es wieder richtig zu regnen. Nass und frierend erreichen wir die Talsohle und fahren dort wieder entlang des Rio Grande im schon gewohnten auf und ab auf der asphaltierten Strecke der Carretera Austral. Nach 78 km kommen wir relativ früh an den wunderschön am See gelegenen Campingplatz . Der hat aber sonst weder einigermaßen brauchbare Sanitärräume noch Anderes zu bieten. Wenigstens ist am Nachmittag das Wetter einigermaßen trocken, sodass wir unsere Räder am See waschen können und die viele nasse Wäsche zum Trocknen aufhängen können. Abends beim Dinner feiern wir noch zwei Geburtstage von Hilde und Tim.
November 2014 Härtetest 2.0
Etappe 86 Villa Vanguardia – Camping Glacier Collante, 109 km, 1264 hm, 10% Asphalt, no Timing, vormittags Dauerregen, nachmittags bewölkt, etwas Sonne, kaum Wind
Die Hoffnung, dass es nachts irgendwann aufhört zu regnen, erfüllte sich nicht. Der Regen prasselte unaufhörlich gegen das Zelt. Das Wasser stand mir zwar nicht bis zum Hals, aber bis zur unteren Hälfte der Iso-Matte. Es war die Überlegung, ob ich aus dem Zelt schwimme oder gehe. Es stand nämlich rings um das Zelt das Wasser. Später erfuhr ich, dass Günther, der sein Zelt neben meinem aufgebaut hatte, morgens um vier sein Zelt evakuieren musste, da es auch unter Wasser stand. Viele Sachen sind richtig nass geworden. Das Zelt konnte ich vor dem Einpacken auswinden, tat es aber nicht, weil es mir sinnlos erschien, Nach dem Frühstück, das wir in der notdürftig zusammengenagelten Hütte einnahmen, suchte ich alle Regenkleidung zusammen, die noch einigermaßen trocken war. Beide Trucks waren heute voll besetzt mit Radtouristen. Der Rest schwang sich mehr oder weniger auf das nasse Fahrrad und fuhr in strömendem Regen los. Das Full-Timing wurde abgesagt wegen den schwierigen Wetterbedingungen. Rob holte sich das Einverständnis von den betroffenen Racern, Mir war es gerade recht wie auch den anderen. Wir hatten genug gegen das schlechte Wetter zu kämpfen. Das positive heute war, dass es keinen Staub gab. Dafür aber umso mehr Dreck. Die Careterra Austral, auch bezeichnet als R 7, ist eine einzige Baustelle. Sie wurde begonnen in den Jahren der Pinochet-Regierung und war ein chilenisches Prestige-Objekt. Pinochet wollte alle wichtigen Orte in Chile mit dieser Straße verbinden. Sie sollte das chilenische Gegenstück zur argentinischen R 40 werden. Gerade in dieser Gegend sind sie dabei, die Straße auszubauen und zu asphaltieren. Zum Dauerregen kam also noch der Baustellen-Verkehr mit viel Dreck, Sand und Kies. Nachmittags hörte dann der Regen auf und vereinzelt kam die Sonne zum Vorschein. Dafür wurden wir an den Baustellen immer wieder angehalten, da Hänge abgerutscht waren oder Sprengungen durchgeführt wurden, Am Nachmittag kreuzten wir erstmals einen Seitenarm des Pazifiks.Wir waren also auf Meereshöhe. Bei der Durchfahrt durch Puyuhuapi fiel uns auf, dass viele deutsche Namen angegeben waren, z,B, Cafe Rossbacher oder Cafe Alemania oder Übelstraße. Hierher mussten vor allem in den letzten Kriegsjahren oder nach dem 2. Weltkrieg viele Deutsche ausgewandert sein. Das letzte Stück führte dann wieder an einem Binnensee entlang, bevor es auf einer schmalen Straße durch einen dschungelartigen Wald zum Campingplatz ging, der direkt vor der mächtigen Zunge des Gletschers Collante liegt.
Gottseidank kam nochmals die Sonne zum Vorschein, sodass ich die nassen Sachen und das Zelt samt Zubehör etwas trocknen konnte. Doch kaum war alles trocken, begann es schon wieder zu regnen. Ich hoffe aber, das ich heute Nacht vor einer weiteren Überschwemmung verschont werde. Morgen werden wir um 10 Uhr abfahren, damit wir noch die Gelegenheit haben,zum Gletscher zu wandern. Bei hoffentlich besserem Wetter.
18. November 2014 Durch den chilenischen Regenwald zum 10. Etappensieg
Etappe 85 Futaleufu – Bushcamp Villa Vanguardia 107 km,,1202 hm, 15% Asphalt, Full-Timing, vormittags sonnig,warm, nachmittags bewölkt, später Regen
Regenwald kommt von Regen und Wald. Den Wald hatten wir gestern schon, heute kam der Regen dazu. Wir sind jetzt in Chile auf der Westseite der Cordilleren und damit auf der Wetterseite. Hier regnen sich die Wolken ab. Der Regen prasselt jetzt konstant seit 3 Stunden gegen das Zeltdach, Dabei sind wir heute morgen bei strahlendem Sonnenschein nach einem guten Hotelfrühstück in Futaleufu gestartet,. Au dem Plan standen 107 km offroad. Stieg dabei am ersten Anstieg gleich wieder mächtig in die Pedale. Die Beine fühlten sich trotz den gestrigen Strapazen gut an. Als ich mich umschaute, war nur noch Joost hinter mir – das gewohnte Bild. Wir legten gleich richtig Tempo vor, dann war auch von James nichts mehr zu sehen. Es ging wieder stetig bergauf und bergab. Auch das kannten wir von den letzten Tagen schon. Es ging an vielen Seen vorbei, über Brücken mit tosenden Gebirgsbächen und an Wasserfällen. Bei mir kam ein Feeling auf wie bei einer Alpenüberquerung. Die Piste war einigermaßen gut befahrbar.Wir gönnten uns eine Viertelstunde, um uns am Lunchtruck zu verpflegen. Eine Minute zu lang, denn James sah uns noch wegfahren. Das gab ihm neuen Mut, wie wir später erfuhren. Trotzdem machten wir auf der 2. Hälfte nochmals ordentlich Speed und kamen so eine halbe Stunde vor James im Bushcamp in VillaVanguartdia an. Für mich war es der zehnte Etappensieg und der siebte in den letzten acht Etappen. Vier davon habe ich zusammen mit Joost gewonnen. Wir sind inzwischen ein vfast unschlagbares Team.
Der Truck mit Robert war nur 10 Minuten vor uns da. Es musste erst noch eine Möglichkeit gefunden werden, um unter Dach das Dinner und Frühstück einnehmen zu können. In Gemeinschaftsarbeit nagelten wir einen Unterstand mit Brettern zu, um einen einigermaßen trockenen Platz zuhaben. Denn es kündigte sich Regen an. Und der kam dann auch, kurz nachdem wir das Zelt aufgestellt hatten.
In der Hoffnung, morgen nicht meine komplette Regenkleidung aus dem Gepäck holen zu müssen, kuschele ich mich in den Schlafsack.
17. November Eine schöne, lange Fahrt nach Chile
Etappe 84 NP Los Alerces – Futaleufu, 143 km, 1387 hm, 30% Asphalt, no Timing
sonnig, warm, kaum Wind
Während die letzten Wochen die Hunde nachts immer Lärm durch ihre stetige Bellerei gemacht haben, sind es jetzt in Patagonien die Vögel. Es ist schon fast eine Plage. Sie sehen schön aus, sind etwas größer als Krähen, aber sie können nervtönend kreischen, und das mitten in der Nacht. Der Schlaf war trotzdem einigermaßen gut. Ein wolkenloser Tag kündigt sich an. Gute Boraussetzung also für diese lange Etappe. Wir müssen ja erstmal 18 km vom Vortag fahren, da wir gestern das Camp früher aufschlagen mussten. Es ist wieder eine Augenweide. Durch blühende Sträuche an zurblauen Seen vorbei, in denen sich die schneebedeckten Cordilleren spiegeln zu fahren, ist wirklich Hochgenuss. Störend sind nur die relativ vielen Autos, meist mit Bootsanhängern, die uns entgegen brausen und viel Staub aufwirbeln. Es geht in stetigem auf und ab über 65 km offroad. Nur 2 km nach dem Lunch an einer wunderbaren Stelle an einem See beginnt einer geteerte Straße bis zu der Ortschaft Trevelin, Danach geht es nochmals über 35 km offroad den Bergen und dem Rio Grande entgegen. Wir überquerten den Fluss bereits einmal, als wir Patagonia betraten. Heute bildet er die Grenze zu Chile. Nach der Brücke kommt auch gleich die Grenzstation. Ich betrete wieder als erster Fahrer das fünfte und letzte Land auf unserem An den-Trail. Die Abfertigung erfolgt problemlos.Die Rucksäcke werden aber rigoros durchsucht auf Früchte und Gemüse. Sie wollen mit allen Mitteln verhindern, dass die Fruchtfliege importiert wird. Wer noch eine Banane im Rucksack hat muss sie abgeben oder essen. Nach der Grenze beginnt eine gut geteerte Straße. Es ist alles frühlingshaft grün und farbig durch die mannigfach blühenden Blumen. Wir haben sofort den Eindruck, dass hier alles nochmals gepflegter und zivilisierter ist.
Nach über 8 Stunden Fahrt erreiche ich den Zielort Futaleufu. Die anderen Fahrer folgen ziemlich abgekämpft bis kurz vor dem Dinner um 19.30, das wir heute im Hotel einnehmen. Ich bin zusammen mit Hardy, Diederik und Joost etwas außerhalb in einem kleinen Hospedaje untergebracht. Die Zimmer sind zwar klein, aber alles ist sauber und ordentlich. Ich freue mich, wieder in einem richtigen Bett schlafen zu können.
November 2014 Rennfieber und Augenschmaus
Etappe 83 El Bolson – NP Los Alerces, 91 km, 947 hm, 90% Asphalt, Half-Timing
sonnig, warm, wenig Wind
Die heutige Etappe musste verkürzt werden, da der Campingplatz im Nationalpark Los Alerces noch nicht geöffnet ist. Wir bekommen einen anderen Campground etwa 18 km früher. Die Full-Time-Wertung wird daher auch umgewandelt in eine Half-Time Wertung, also nur bis zum Lunchtruck, der bei km 67 steht. Habe gestern Abend schon mit Joost geredet, der will heute wieder Gas geben. Und so ist es auch. Als ich kurz nach dem Start an ihm vorbeifahre, schließt er sofort auf und gibt mächtig Gas. Bald ist hinter uns keiner mehr zu sehen. Zuerst geht es aufwärts, dann in stetigem auf und ab weiter und zum Schluss folgt ein längerer Anstieg, bevor des dann flach, aber bei zunehmendem Gegenwind weitergeht. Schon nach 2.15 Std. erreichen wir zusammen als Erste den Lunchtruck. Das entspricht einem Durchschnitt von knapp 30 km/h. James, der als nächster eintrifft, haben wir auf dieser Distanz 30 Minuten abgenommen. Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass solche schnellen Strecken eigentlich früher seine Stärke waren.
Der Lunchtruck steht am Haus, wo früher Butch Cassidy gewohnt hat. Der hat ja zusammen mit Sundance Kid in Amerika spektakuläre Bank und Zugüberfälle durchgeführt und ist hier untergetaucht. Später hat er dann auch in Südamerika noch Raubüberfälle verübt. Es ist leicht vorstellbar, dass man in dieser weitläufigen, wenig bewohnten Gegend untertauchen kann. Auf jeden Fall ist es ein ganz bescheidenes, unscheinbares Haus, in dem er mehrere Jahre gelebt haben soll.
Nach dem Lunch können wir ohne Rennstress die Landschaft bewundern. Es ist fast die gleiche wie in den vergangenen Tagen. Nur dass jetzt an der Straße keine Ginsterbüsche mehr zu sehen sind, sondern violette und rosa Lupinienfelder. Dazwischen wachsen kleinere gelbe Blumen. Und wir kommen den schneebedeckten Cordilleren immer näher.
Erst die letzten 10 km geht es offroad weiter. Morgen werden wir davon über 100 km unter die Reifen nehmen müssen. Außerdem wird die Strecke morgen um die Distanz länger, die wir heute verkürzt hatten. Da die Etappe ohnehin schon über 120 km gewesen wäre, wird es morgen einen sehr langen Tag geben. Dazuhin steht uns noch der Grenzübertritt nach Chile bevor. Mit hoffentlich nur kurzen Wartezeiten. Dafür übernachten wir nochmals in einem Hotel.
November 2014 Ein perfekter Tag
Etappe 82 S.C. De Bariloche - El Bolson, 123 km, 1289 hm, 100% Asphalt, Full-Timing
sonnig, warm, kaum Wind
Nach einem sehr guten Frühstück im Hotel Las Malvinas in Bariloche darf heute Jan Willem den Startschuss geben. Er hat den Trail programmgemäß in Bariloche beendet und fliegt erst am Samstag nach Hause. Jan Willem flog im gleichen Flugzeug wie ich vor mehr als dreieinhalb Monaten von Amsterdam nach Quito.Er hat sich sehr für die Gruppe engagiert, war bei jeder Arbeit immer der Erste, der half und darüber hinaus war er auch noch der Mister „Fotograf“. Er fand immer ein Motiv. Am liebsten fotografierte er Blumen. Und die meisten kannte er auch noch mit dem lateinischen Namen. Er wird uns fehlen.
Gleich in Bariloche ging es mächtig den Berg hinauf. James wurde bald von Terry, dem Australier eingeholt und kurz darauf zog auch ich an ihm vorbei.Wenig später schloss ich zu Terry auf und gemeinsam kämpften wir die ersten 10 km gegen den Wind, der dann bald nachließ und plötzlich drehte, sodass wir ihn von hinten hatten. In mächtigem Tempo ging es kurze Anstiege hinauf und wieder hinunter. Und das alles in einer faszinierenden Landschaft. Immer wieder ging es an glasklaren Seen vorbei und durch dicht an der Straße gesäumten Ginsterbüschen vorbei. Gelb, türkisblau und weiß waren wieder die bestimmenden Farben. Schon nach 53 km stand der Lunchtruck. Ich legte nur kurz meinen Rucksack ins Fahrzeug, schnappte mir einen Apfelschnitz und ein Kuchenstück und weiter ging die Fahrt. Es folgten jetzt längere Downhills die wir mit Rückenwindunterstützung hinunter brausten. Zwei knackige Anstiege folgten und dann ging es 30 km weitgehend abwärts. Erst die letzten 10 km spürten wir wieder den Wind von Vorne. In der Ortschaft von El Bolson, dem Zielort, gab Terry nochmals richtig Gas. Ich war überrascht, denn normalerweise fährt man nach 126 km gemeinsamer Arbeit auch gemeinsam ins Ziel. Doch er wollte die Etappe als Einziger gewinnen. So kam er mit einer Minute vor mir an der Zielflagge an. Soll ihm guttun. Das Positive war, dass er mir half, einen größeren Tagesvorsprung auf James herauszufahren. Der kam 30 Minuten nach uns ins Ziel. Für diese schnelle Strecke auf Asphalt ein ordentlicher Vorsprung. Wir benötigten gerade mal 4 St. und 15 Minuten für die 126 km. Und hatten noch viel Freude an der Landschaft dabei. Und das bei Temperaturen um die 20°. Außer den Augen kam aber auch die Nase heute wieder zum Hochgenuss. Der blühende Ginster und die Kieferwälder dufteten heute besonders intensiv.
Eine weitere positive Überraschung war der tolle Campingplatz in El Bolson. Am Rande eines kleinen Wäldchens auf sattem grünen Gras bei ausgedehnter ebener Fläche und strahlendem Sonnenschein ein Zelt aufzuschlagen, das gefällt sogar mir als Non-Zeltenthusiast.
So kann man von einem wirklich perfekten Tag sprechen, auch wenn ich um eine Minute am 6. Etappensieg in Folge vorbeigeschrammt bin. Doch ich habe ja andere Hauptziele.
November 2014 Ruhetag in Bariloche
Eigentlich sollten wir den Ruhetag auf dem Campingplatz in Bariloche verbringen. Es ist gut, dass Bike-dreams das in eine Hotelunterkunft umgewandelt hat. Nach den vielen Camps in den letzten und auch in den kommenden Wochen tut es gut, mal wieder ein festes Dach über dem Kopf und ein weiches Bett unter dem Körper zu haben. Vielleicht beruhigt das auch die Nerven einiger Teilnehmer. Anscheinend hat der Lagerkoller erneut zugeschlagen. Es kam zu nächtlichen Ausschreitungen. Nicht einfach für Rob. Er hat eigentlich genug um die Ohren. Und jetzt muss er auch noch als Streitschlichter auftreten.
Eigentlich hatte ich gedacht, dass die Teilnehmer alle Energie brauchen, um diese körperlichen und mentalen Herausforderungen durchzustehen. Aber anscheinend gibt es noch Leute, die noch Energieüberschüsse haben.
Aber es gibt nicht nur Schlechtes über die Gruppe zu berichten. Habe die letzten Tage und Wochen auch viel Hilfe und Harmonie erfahren. Auch der Fotoaustausch klappt hervorragend.
Nach diesem Ruhetag wird es nochmals große Herausforderungen geben. Zwei Einheiten mit 7 und 9 Etappen stehen an mit nur einem Ruhetag dazwischen. Es geht viel über Offroad-Pisten, durch den chilenischen Regenwald und wieder zurück in die argentinische Pampa mit den gefürchteten Patagonia-Winden. Ich habe schon begonnen, mich darauf einzustimmen.
Habe gestern und heute mal richtig ausgiebig mit Brigitte skypen können. Sie hat jetzt wieder die technischen Voraussetzungen dafür. Herbert sei Dank!
November 2014 Die Fahrt nach dem St. Moritz Südamerikas
Etappe 81 Villa la Angostura – San Carlos de Bariloche, 86 km, 746 hm, 100% Ashalt, no Timing
morgens kalt, dann sonnig und warm Rückenwind, die letzten 20 km Gegenwind
Diese Etappe hätte auch irgendwo in der Schweiz in einem Nationalpark sein können. Da taucht die Frage auf: Warum muss ich denn da nach Südamerika, das habe ich doch fast vor der Haustür? Das ist teilweise richtig. Aber vom Start in V.a.Angostura bis zum Ziel in Bariloche sind es fast 100 km. Dazwischen liegt keine Stadt und keine Ansiedlung. Wir fahren fast 80 km am Lago Nahuel Huapi vorbei. Das Ufer ist unberührt. Es ist wenig Verkehr auf der RN 40. Wo findet man in den Alpen noch solche unbewohnte Gegenden? Man muss schon lange suchen, um ein 30 km langes, ruhiges Seitental zu finden. Jenseits des Sees leuchten die schneebedeckten Berge des Tronadors, Cerro Catedral und Cerro Lopez. Sie sind bekannt als Skiberge. Außer Skifahren sind viele Touristen unterwegs um zu Klettern, Trekking oder Sightseeing zu machen.Und Fischen ist hier auch ein beliebter Sport. Im Sommer findet man am Strand von auch Badegäste. Ins Wasser dürften aber nur die wenigsten gehen. Der See wird auch im Sommer niemals mehr als 14° warm.
Bariloche geriet 1995 in die Schlagzeilen, als sich herausstellte, dass die ehemaligen deutschen SS-Hauptsturmführer Erich Priebke und Adolf Eichmann hier Zuflucht suchten. Priebke war auch Rektor der deutschen Schule in Bariloche. Man muss schon sagen, sie suchten sich nicht den schlechtesten Zufluchtsortaus.
Gegründet wurde Bariloche vom Deutsch-Chilenen Carlos Wiederhold. Er eröffnete 1895 hier einen ersten Shop mit dem Namen „La Alemania“. Es folgten viele Deutsche, Österreicher, Slovenen und Italiener. Heute umfasst Bariloche ca. 150 000 Einwohner.
Das Fahrradfahren war heute eigentlich nur Nebensache. Die kleine körperliche Anstrengung wurde bei Weitem überlagert durch die landschaftlichen Eindrücke und die in die Nase steigenden Gerüche der blühenden Sträucher und der Kieferbäume. An solchen Tagen wie heute fühlst du dich begnadigt, diesen Trail machen zu dürfen.
Erst die letzten 20 km mussten wir gegen ein leichten Wind fahren. Doch der Lohn folgte gleich durch ein tolles Hotel mit richtigen Betten und einem Ruhetag.
November 2014 Eine kalte Sightseeing-Tour
Etappe 80 Ruta de 7 Lagos – Villa la Angostura, 60 km, 871 hm, 70% Asphalt, no Timing
bewölkt, kalt mit Temperaturen zwischen 5 und 12°, wenig Wind
Sitze jetzt mit Jürg im warmen Cafe „Ruta 40“ beim Capucchino und wir genießen die Wärme. Es war heute morgen bei der relativ kurzen Etappe sehr kalt. Alle holten ihre wärmsten Sachen aus dem Gepäck, um nicht zu frieren. Gottseidank blieb es wenigstens von oben her trocken. So konnten wir doch die Landschaft mit den 7 Seen entlang der mit blühenden Ginsterbüschen besäumten Straße und die neu verschneiten Berge im Hintergrund genießen. Auch die ungeteerte Straße war einigermaßen gut befahrbar. Schon vor 13 Uhr trafen wir trotz vielen Fotostops auf dem Campingplatz in Villa la Angostura ein. Der toll gelegene Campingplatz steht wahrscheinlich unter deutscher Leitung. Einerseits viele Schilder mit Vorschriften, andererseits erstmals gepflegte Toiletten und Duschen. Es scheint so, dass sich die hygienischen Zustände verbessern, je weiter wir nach Süden kommen. Wir haben nichts dagegen.
Hier in Villka la Angostura ist deutlich zu spüren, dass wir in einem von Tourismus geprägten Ort sind. Viele Sport- und Modegeschäfte säumen die Hauptstraße. Sowohl Ski- als auch Wassersportmöglichkeiten gibt es hier en Masse. Wir sind ja nicht mehr weit von San Carlos die Bariloche entfernt. Das wird ja oft als St. Moritz Südamerikas bezeichnet. Auch hier sind schon die touristischen Einflüsse zu spüren.
Morgen werden wir erstmals nach vielen Campingnächten wieder in einem Hotel einquartiert. Ich glaube, selbst die eingefleischten Camper freuen sich darauf.
November 2014 In Patagonia angekommen
Etappe 79 Junin de los Andes – Ruta de 7 Lagos, 90 km, 987 hm, 100%Asphalt, no Timing
sonnig, aber ein kühler Wind, später bewölkt
Wir verlassen den Campingplatz in Junin de los Andes in bester Stimmung.Es ist sonnig und wir werden in toller, abwechslungsreicher Landschaft fahren. Es könnte ebenso gut im Herzen der Schweiz in den Monaten April oder Mai sein. Auf den höheren Bergen der Cordilleren liegen noch Schneereste, unten blühen die Blumen und der Straße entlang leuchten kilometerweit die Ginsterbüsche in intensivem Gelb. Ich erlebe den zweiten Frühling in diesem Jahr. Frühling in Patagonia. Wird er sich weiterhin so freundlich uns gegenüber zeigen? Den Wind haben wir ja auch schon erlebt. Ihn im Rücken zu haben ist schön, wenn er von vorne kommt, kann er dich fast zur Verzweiflung bringen. Auch das haben wir schon erlebt. Doch heute fahren wir oft durch Kieferwald, der den Wind abbremst. Wir erreichen in der geschlossenen Gruppe St. Martin de los Andes. Eine Stadt mit viel Touristik und Wintersportmöglichkeiten, wie sie ebenso als sogenanntes Resort in Colorado oder Kanada zu finden ist. Nach mehreren Versuchen finden wir den Lunchtruck etwas versteckt an der Plaza. Dort genießen wir an der warmen Sonne das Lunch. Nach St. Martin geht es an einem ersten großen See entlang mit toller Aussicht. Nach einem längeren Anstieg erreichen wir die Passhöhe. Sie ist zugleich Wasserscheide zwischen Pazifik und Atlantischem Ozean. Links von uns fließt das Wasser Richtung Atlantik, rechts zum Pazifik. Die chilenische Grenze ist weniger als 70 km von uns entfernt. Kurz vor dem Ziel, einem wunderschön an einem großen See gelegenen Campingplatz, ist rechts von der Straße noch ein tosender Wasserfall zu sehen. Vor zwei Wochen noch bin ich in ausgetrockneten Flussbetten gestanden, jetzt sind wir von viel fließendem, klaren Wasser umgeben. Hartgesottene wie Walter nehmen ein Bad in einem der sieben Seen. Doch die geschätzte Temperatur von 13° ist nichts für mich. Da ziehe ich eine warme Dusche vor.
Bin heute sehr entspannt geradelt, nachdem die letzten Wertungen sehr hart waren und werde dies auch die nächsten Tage bis Bariloche fortsetzen.
9. November 2014 Zum fünften Etappensieg in Folge
Etappe 78 Alumine – Junin de los Andes 120 km, 1144 hm, 39% Asphalt, Full-Timing
morgens kalt, tagsüber teils sehr warm., wenig Wind
Als ich nachts einmal aus dem Zelt krieche um das OAK (Open-Air-Klo) zu benutzen, spiegelt sich der Vollmond auf der Wasseroberfläche des direkt am Zelt vorbeifließenden Rio Alumine. Morgens ist sogar tau auf dem Zelt. Die Temperaturen waren nur knapp über null. Es ist bitterkalt, als wir losfahren. Alle fahren mit langen Hosen und Windjacke. Es geht immer leicht bergab, dem Flusslauf des Rio Alumine entlang. Nach 27 km Asphalt wechselt der Belag auf Sand/Kies. Danach sind wir vorne nur noch zu dritt: Joost und Michelle fahren mit. Michelle ist eine ausgesprochen gute australische Mountainbikerin und hat sich für heute scheinbar einiges vorgenommen. Es ist landschaftlich ausgesprochen schön. Der Straße entlang leuchtet es oft kilometerlang gelb von den Ginsterbüschen. Das Wasser des Flusses ist jetzt glasklar. Noch vor Tagen war es eine braune Brühe. In der Ferne leuchten die schneebedeckten Cordilleren.
Wir kommen zu dritt zum Lunchtruck. Kurz nach uns kommt Jürg und etwas später James. Schnell brechen wir wieder auf und nehmen den 500 hm Anstieg in Angriff. Die Pistenoberfläche ist heute etwas glatter als in den vergangenen Tagen. Dann kommt der lange, teils sehr schnelle Downhill. Joost ist eh der schnellste Abfahrer, Michelle nicht weniger durch ihre Mountainbike-Erfahrung und meinem Querido Burro ist eine solche Piste sowieso am liebsten. Mit bis zu 70 km/h geht es die Piste hinunter. Zum Schluss sind nochmals 20 km flach auf Asphalt zurückzulegen. Mir geht es heute prima und ich spiele vorne den Windbrecher. So erreichen wir zu dritt das Etappenziel in Junin de los Andes. Das war eine tolle australisch/holländisch/deutsche Gemeinschaftsarbeit und für mich der fünfte Etappensieg in Folge. James folgt etwa 40 Minuten später als 5.
Habe jetzt in dieser Einheit gegenüber James wieder knapp 2,5 Std. gutgemacht. Die nächsten 3 Tage bis Bariloche ist kein Timing mehr. Ich bin froh darüber. Da kann ich es etwas gemütlicher angehen lassen und habe auch wieder Zeit zum Fotografieren.
8.November 2014 Willkommen in Patagonien
Etappe 77 Las Lajas – Alumine`, 131 km, 1516 hm, 51% Asphalt, Full-Timing
warm, im ersten Teil teils heftiger Gegenwind, danach wenig Wind
Vor dieser Monsteretappe hatten alle Teilnehmer gewaltig Bammel. In früheren Andentrails war hier der Gegenwind teils so heftig, dass insgesamt nur drei Teilnehmer die Etappe ohne Einstieg in den Truck überstanden. Darum war der Start auch um eine Stunde nach vorne verschoben. Die Zelte mussten mit der Stirnlampe abgebaut werden und mit Sonnenaufgang wurde gefrühstückt. Gottseidank war es schon morgens relativ warm. Und wir bekamen den Wind gleich richtig zu spüren. Die ersten 10 km waren flach, James übernahm gleich das Kommando. Dahinter folgte ich in seinem Windschatten. Beim ersten Anstief zog ich das Tempo an und an ihm vorbei. Es folgten mir Joost, Diederik und Terry. Den teils heftigen Gegenwind in der Steigung meisterten wir durch permanenten Wechsel in der Führung. Später kam noch Rob mit dazu. Es ging 40 km lang bei Gegenwind bergauf. Kurz vor dem Lunchtruck musste ich mit Terry abreißen lassen. Noch vor dem Lunchtruck bei km 56 ging es Offroad weiter. Beim Lunch hatten wir etwa 2 Minuten Rückstand. Diederik, Rob und Terry wollten gemäßigter weiterfahren. Joost stellt sich mir zur Verfügung, um einen möglichst großen Vorsprung auf James herauszufahren. Der Wind spielte jetzt keine Rolle mehr. Die Straße war jetzt immer mehr windgeschützt durch die Affenbrotbäume. Nach 60 km hatten wir den Pass erreicht. Jetzt ging es auf teils sandiger, kiesiger Straße überwiegend bergab. Die Landschaft änderte sich total. Kiefer- und Tannenbäume säumten jetzt den Weg, dahinter schneebedeckte Berge, die sich im Lago Alumine spiegelten. Eine Landschaft, die jetzt immer mehr den Alpen ähnelte.
Die Offroadstrecke zog sich mächtig, immer am Fluß entlang mit kurzen Gegensteigungen. Etwa 15 km vor dem Camping-Platz bei Alumine begann die Asphaltstrecke wieder und wir konnten uns nochmals auf den Triathlonlenker legen, um Speed zu machen. Nach 6.35 Std. Fahrzeit erreichten wir gemeinsam als Etappensieger das Camp. James folgte erst mit 1.30 Std. Rückstand als 6.
Nach der langen Solofahrt von gestern und dem heftigen Aufstieg bei Gegenwind heute war ich ziemlich platt. Doch die Freude über den Etappensieg und die Verkürzung des Rückstandes zu James überwogen. Morgen wird wieder eine Etappe mit Timing sein, bei der ich James nochmals ein paar Minuten abknöpfen möchte. Danach folgen dann 3 Etappen ohne Timing und ein Ruhetag. Zeit um zu regenerieren und neue Kraft zu schöpfen. Und wieder mehr Zeit haben, die immer abwechslungsreicher werdende Landschaft in Patagonien zu genießen.
November 2014 Nach 161 km Solofahrt zum 6. Etappensieg
Etappe 76 Chos Malal – Las Lejas Camping, 161 km, 1265 hm, 100% Asphalt, Full- Timing
warm, bewölkt, erst Rückenwind, dann teilweise Gegenwind
Die erste von 3 Full-Timing Etappen war eigentlich eine maßgeschneiderte für James. Er ließ auch gleich beim Start in Chos Malal keine Zweifel aufkommen und legte sich flach auf seinen Lenker und zog mit Rückenwind davon. Ich tat es ihm nach und merkte sehr bald, dass sich sein Vorsprung von knapp einem Kilometer nicht mehr vergrößerte. Beim ersten längeren Anstieg zog ich an ihm vorbei. Sein Konter kam in der Abfahrt. Der Wind kam schräg von hinten und drückte mir das Rad immer wieder gewaltig zur Seite weg. Ich wollte kein Risiko eingehen und hielt den Lenker wieder außen in der normalen Position. Es war wie beim Segeln hart am Wind. Das Rad in Schräglage und den Lenker festhalten – und ab ging die Post. Beim nächsten längeren Anstieg schloss ich wieder auf James auf und zog wieder an ihm vorbei. Beim Zurückschauen sah ich ihn nicht mehr. Es stellte sich im Nachhinein heraus, dass er den Lunchtruck noch sah und sich kurz verpflegte. Ich merkte nicht, dass ich passierte. Er war eigentlich erst für km 80 angekündigt, stand aber schon bei km 73, Es ging kupiert weiter mit kurzen Anstiegen und Abfahrten. Dann kam, wie von Rob angekündigt, der Gegenwind bei km 110. Kurz vor den Kuppen war er am stärksten und drückte mich fast weg. Jetzt merkte ich auch, dass die Trinkflaschen fast leer waren, da ich ja beim Lunchtruck nicht nachfüllte. Nach einem kurzen Durchhänger bei km 130 ging es wieder besser und auch den heftigen Gegenwind kurz vor dem Ziel steckte ich weg. .
So kam ich als Erster auf dem Campingplatz in Las Lajas an und gewann damit die dritte Etappe hintereinander. James kam 8 Minuten später und wird sich Gedanken gemacht haben, weil ich jetzt auch noch auf der Straße schneller war als er. Möglich war das nur durch den Triathlonlenker. Diesen Vorteil hat er eben jetzt nicht mehr exklusiv.
Hoffentlich habe ich nicht überzockt, denn morgen steht eine der schwierigsten Etappen überhaupt an. Habe heute schon schwere Beine nach dieser längsten Etappe des Trails. Doch ich hoffe, dass ich mich so wie die letzten Wochen auch, über Nacht wieder erhole.
6. November 2014 Ruhetag in Chos Malal
Die Ruhetage werden von allen Teilnehmern immer sehnlicher erwartet. Lange, anspruchsvolle Etappen auf motivationsraubenden Sand-. Kies- und Staubpisten und jetzt auch noch mit heftigen Winden sind nur mit großem Willen zu überwinden. Es wird immer mehr eine Frage des Kopfes, nicht der Beine. Obwohl gerade diese genauso dringend einen Ruhetag brauchen.
Für mich und auch für Joost war die vergangene Einheit nicht nur eine harte Bewährungsprobe, sondern ein körperlicher und geistiger Kampf am Rande des Möglichen. Das Verirren in der argentinischen Pampa, wo im Umkreis von 80 km keine menschliche Ansiedlung zu finden ist, stellte uns vor eine harte Probe. Wir haben unfreiwillig das Rettungssystem der Organisatoren getestet. Es hat gottseidank funktioniert. Nicht auszudenken, wenn Walter und Annelot uns nicht gefunden hätten.
Doch dieses Abenteuer hat Joost und mich zusammen-geschweißt. Wir haben auch gespürt, dass wir vom gleichen Geist beseelt sind: Bis Ushuaia jeden Meter durchzufahren. Darum haben wir auch tags darauf die Regularien des Veranstalters akzeptiert, die Strecke teilweise nochmals zu fahren. Und das zusätzlich zu der sowieso langen Tagesetappe von 150 km. Doch wie heißt der flapsige Spruch: Was dich nicht umbringt, macht dich nur härter. Und das haben wir einen Tag später eindeutig bewiesen, indem wir die nächste Etappe gemeinsam gewonnen haben. Joost hat dann die nachfolgende Etappe etwas kürzer getreten, ich habe noch eins draufgelegt und in einer 100 km langen Solofahrt meinen 5. Etappensieg eingefahren.
Durch das Mißgeschick mit dem Verirren habe ich mehr als 10 Stunden auf James verloren. Zweieinhalb davon habe ich mir schon wieder zurückgeholt. Wenn ich gesund bleibe und mein Körper weiter mitmacht, werde ich ihm auf den Fersen bleiben. Doch erst werde ich den Ruhetag genießen und hoffentlich mal wieder mit meiner Frau telefonieren können.
Die Möglichkeiten hier in Patagonien, ein funktionierendes Internet zu haben, werden weiter abnehmen. Ich werde künftig nur noch einmal in der Woche meine Tagesberichte absetzen können. Der nächste Ruhetag wird Mitte der nächsten Woche in San Carlos de Bariloche sein, dem St. Moritz Südamerikas. Dort werden wir auch wieder in einem Hotel sein.
Hasta luego Alfred
November 2014 Erste Kontakte mit dem patagonischen Wind
Etappe 75 Barrancas – Chos Malal, 94 km, 1424 hm, 8% Asphalt, no Timing
sonnig, kühl, sehr windig
Es stehen heute 2 Varianten zur Wahl, oder anders ausgedrückt: Pest oder Cholera. Entweder 124 km auf der asphaltierten Straße mit heftigem Gegenwind oder 85 km Waschbrettpiste mit über 1400 hm bergauf. Und im oberen Teil auch mit ziemlich heftigem Wind. Rob sagt, dass die letzten Jahre immer die Offroad-Fahrer früher am Ziel waren. Ich wähle natürlich wie ungefähr die Hälfte der übrigen Fahrer Offroad. Es ist heute kein Timing angesagt. Daher geht es vorerst gemütlich auf dem schon bekannten welligen Untergrund bergauf. Später steigt sowohl die Steigung als sich auch der Untergrund so verändert, dass er kaum noch fahrbar ist. Dann kommt teilweise heftiger Gegenwind. Mit den immer schwieriger werdenden Bedingungen wird auch die Landschaft immer interessanter. Es geht an Vulkanen und Lagunen mit Flamingos vorbei und viele andere Vogelarten sind zu bewundern. Schafherden ziehen durch die Pampa und ganz vereinzelt ist auch mal ein Gaucho zu Pferde zu sehen. Ansiedlungen oder Ortschaften gibt es nicht. Beim Lunchtruck stößt Rob zu mir. Nach einem ausgiebigem Lunch nehmen wir den Downhill mit über 1500 hm in Angriff. Nach anfänglichem heftigem Gegenwind haben wir auf einmal Rückenwind und in hohem Tempo geht es auf immer besser werdenden Straße bergab. Nach fast zweistündigem Downhill treffen wir als Erste im Camp in Chos Malal ein. Es ist wie Rob es vorhergesagt hatte: Die Asphaltfahrer treffen erst zweivStunden später ein. Sie hatten über 40 km heftigen Gegenwind. Der wird uns jetzt die nächsten Wochen in Patagonien immer begleiten. Es ist zu hoffen, dass er nicht immer von vorne kommt.
Habe zusammen mit Hardy und Jürg ein einfaches Zimmer in einer Hospedaje genommen. Nach dem wir morgen Ruhetag haben, möchte ich nach den vielen Zeltnächten und den kalten und unmenschlich anstrengenden Tagen gerne mal wieder in einem richtigen Bett schlafen. Über diese abenteuerliche, 6tägige Einheit werde ich morgen noch berichten.
November 2014 Als Erster in Patagonien
Etappe 74 Bushcamp Buta Billon – Barrancas, 101 km,1208 hm, 50% Asphalt, Full-Time
sonnig, warm, kaum Wind
Es geht morgens gemütlich los. 10 km flach auf Asphalt. Spreche mich am Vorbeifahren mit Joost ab. Er will heute „easy going“mit Michelle Gane machen. James zieht an uns
vorbei. Das lässt mich erstmal kalt. Denn ich weiß, dass 50 km Offroad, davon 20 km bergauf folgen werden. Er ist 30 Sekunden vor mir auf der Waschbrettpiste. Ich lasse etwas Luft aus den Reifen und
stelle die Dämpfung auf „soft“ Dann lege ich los. Schon nach einem Kilometer ziehe ich mühelos an ihm vorbei. Er hat mal wieder seine geliebten schmalen Reifen aufgezogen. Ein fataler Missgriff. Die
Beine sind gut und mein Querido Burro fühlt sich wieder im Element. Habe sogar noch Zeit, die tolle Landschaft mit den Canyons und Vulkanen zu bewundern. Dahinter sind die schneebedeckten Berge der
Cordilleren. Nach dem Lunchtruck geht es ziemlich bald auf Asphalt weiter. Sobald es die Strecke zulässt, lege ich mich auf den Triathlonlenker und spüre die Beschleunigung. Die restlichen 40 km
fliegen förmlich an mir vorbei. Erst als ich den Rio Grande überquere, wird mir bewusst, dass ich jetzt in der Provinz Neuquen in Patagonien bin. Ich habe sie als erster Fahrer des Andentrails
erreicht. Vier Kilometer später bin ich auch als Erster im Ziel im Camping Barrancas. Eine Stunde nach mir folgen Joost und Michelle. 20 Minuten nach ihnen folgt erst James. Habe also heute wieder
einige Zeit gut gemacht. Das gibt mir wieder Mut für die kommenden Wochen. Und James wird vielleicht wieder etwas nervöser werden
Morgen gibt es kein Timing. Das werde ich genießen, obwohl von den 100 km 90% Waschbrettpiste sein werden. Dafür gibt es wieder eine tolle Landschaft zu bewundern.
November 2014 Die Auferstehung
Etappe 73 Malargue – Bushcamp Buta Billon, 115 km, 916 hm, 81 % Asphalt, Full-Timing
kühl, sonnig, später etwas wärmer
Der Schlaf nach dieser Mammut-Etappe war einigermaßen erholsam. Die Beine sind überraschend gut. Es geht flach auf Asphalt los. Diejenigen vor mir sind mir zu langsam. Ich lege mich auf den Triathlonlenker und nehme Fahrt auf. Einfach um zu sehen,was passiert. Nach wenigen Kilometern sehe ich einen Schatten hinter mir. Denke, es ist Diederik. Der wollte anscheinend heute angreifen. Sehe mich um und sehe James und Joost,.Die Straße beginnt langsam, aber stetig anzusteigen. An einer steileren Stelle ziehe ich das Tempo an. James kann nicht mehr folgen, Joost schafft es, auf mich wieder aufzuschließen. Das war die nicht abgesprochene Taktik. Wir haben 600 hm zu überwinden. Der Gegenwind wird stärker. Und bringt uns weiter oben fast zum Stehen. Heftige Böen von allen Seiten folgen und es wird immer schwieriger, das Rad auf der Straße zu halten. Doch Joost ist der „Windmann“. Er hat eine unheimliche Power gegen den Wind. Dann geht es abwärts. Wir müssen trotzdem in die Pedale treten wie die Ochsen. Wir sind froh, den Lunchtruck zu erreichen, um unsere Speicher aufzufüllen. Danach wechselt plötzlich der Wind die Seite. Er bläst jetzt teilweise von der Seite und von hinten. Das spielt uns in die Karten. Noch ein paar kleine Gegensteigungen und schon sind wir am Ziel in Malrgüe auf dem Campingplatz. James folgt mit über einer Stunde Rückstand als Dritter.Gut gelaufen nach diesen harten zwei Tagen. Und wir haben James gezeigt, dass mit uns wieder zu rechnen ist.
November 2014 Ein langer Tag
Etappe 72 Bushcamp -Malargüe, 180 km, 1110 hm, 70% Asphalt, Full-Timing
kalt, Regen, Schneeschauer, später sonnig.
Nach einmal Überschlafen des fast aussichtslosen UUnterfangens, das Reststück von gestern heute nachzuholen, bleiben wir beide doch bei dem Entschluss, uns zurückbringen zu lassen,. Obwohl wir ja gestern mehr als 50 km als alle anderen gefahren sind. Die Regeln sind grausam, Aber wir wollen bei den 100% bleiben. Die Polizisten, die bei unserem Bushcamp stationiert sind, wollen uns nicht zurückbringen, vermitteln uns aber einen Jeep, der uns für 300 Pesos zu der Stelle zurückbringt, wo wir gestern waren. Allerdings dauert es fast eine Stunde, bis dieser Jeep da ist. So nehmen wir reichlich verspätet die lange Strecke in Angriff. Das Wetter ist morgens nicht besser als gestern. Doch heute sind wir von der Kleidung her darauf eingestellt. Es nieselt wieder, dann empfängt uns Schneetreiben. Wir haben insgesamt 65 km auf der fast endlosen, schnurgeraden Waschbrettpiste zurückzulegen. Endlich kommen wir an die Junction, wo die Teerstraße beginnt. Erst ist sie noch nass, später trocknet sie ab und die Bewölkung lichtet sich. Es ist sogar schon blauer Himmel zu sehen. Mit leichtem Rückenwind geht es jetzt 50 km schnurgerade bis zum Horizont. Wir erreichen gerade noch den Lunchtruck, bevor dieser weiterfährt. In El Rosneado werden wir ein zweites Mal verpflegt. Dort ist das Ruta 40 Schild angebracht, dass darauf hinweist, das es von hier aus noch genau 3000 km bis Ushuaia sind. Für uns werden das aber ca. 600 km mehr sein, da wir zweimal einen Abstecher nach Chile machen werden. Die letzten 50 km legen wir bei Rückenwind und dem Hochgefühl zurück, dieses fast unmögliche Unterfangen zu einem glücklichen Ende bringen zu können. James hat dies durch unser Missgeschick etwa 7 Stunden Zeitvorsprung verschafft. Doch für Joost und mich steht weiterhin als erstes Ziel fest, die gesamte Strecke zurückgelegt zu haben. Bei noch ausstehenden 20 Timing-Etappen besteht noch genügend Möglichkeit, die Platzierung zu verbessern.
Ziemlich müde, aber zufrieden über das Geleistete kuschele ich mich früh in den Schlafsack
November 2014 Überlebenskampf
Etappe 71 San Carlos – Bushcamp , 113 km, 1177 hm, 10% Asphalt, Full-.Timing
Nebel, Nieselregen, Kälteeinbruch, 5°,
Gestern waren wir noch im Swimming-Pool in San Carlos. Heute morgen ist es bewölkt und kühl. Doch das ist es oft morgens um acht. Die meisten starten wie üblich mit kurzen Hosen und langgärmligen Trikot. Ich auch. Es geht zuerst 20 km flach auf Asphalt. Lege mich gleich auf den Triathlonlenker und nehme Fahrt auf. Nach 15 km sehe ich, dass mir jemand im Windschatten gefolgt ist. Es ist Joost. Nach einer kurzen Offroad-Pasage geht es auf frischem Asphalt immer aufwärts. Wir freuen uns schon, weil wir annehmen , dasss die Strecke inzwischen geteert ist. Doch bald sind wir wieder auf der Waschbrettpiste bzw. auf der kilometerlangen Baustelle der neuen RN 40. Der Lunchtruck steht bei km 60 zwischen der alten RN 40, die inzwischen umbenannt wurde in RP 101 und der neuen, im Bau befindlichen RN 40. Dass die Straßen umbenannt wurden, erfahren wir aber erst später. Wir entscheiden uns für die neue Trassenführung, da diese wenigstens teilweise gut befahrbar ist. Allerdings werden wir von den Straßenarbeitern immer wieder angewiesen, die Straße zu verlassen. Die Straßenbaustelle hat enorme Ausmaße. Sie ist teilweise mehrere hundert Meter breit mit vielen Fahrspuren. Wir merken nicht, dass wir uns immer mehr von der alten RN 40 entfernen. Irgendwann nach mehr als 90 km stehen wir in einem Flussbett und die Piste endet im Kies. Wir kehren zurück und versuchen mit dem GPS uns einzunorden. Da begegnet uns ein Jeep und der Fahrer macht uns auf fast unverständlichem Spanisch deutlich, dass wir zu weit rechts sind und eine Piste nach links nehmen müssen. Wir finden eine solche Piste und fahren mehr als eineinhalb Stunden auf einer üblen Piste mit Sandgruben in diese Richtung. Dann stehen wir auf einmal vor einem größeren See und haben die Wahl,rechts oder links zu fahren. Mein Garmin hat die RP 101 auf der linken, die RN 40 auf der rechten Seite. Was tun? Nach unserem Streckenplan müssen wir der RN 40 folgen, wissen aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass dies die alte RN 40 ist und inzwischen in RP 101 umbenannt wurde. Wir kehren um, um die ganze Strecke zurück in Richtung Lunchstelle zu fahren. Inzwischen haben wir fast 150 km, davon das meiste auf übler Piste, zurückgelegt und sind am Ende unserer Kräfte. Dazu kommen Temperaturen von unter 5 ° bei kurzen Hosen und ohne Windjacke. Wir frieren erbärmlich. Es nieselt immer wieder und ist Neblig. Ein schauriges Wetter. Wie zuhause an Allerheiligen. Es ist Samstagabend und kein Straßenarbeiter mehr zu sehen, Irgendwann entdecken wir einen Bauarbeiter-Container. Die Tür steht offen. Ein Stück Brot auf dem Tisch, das wir sofort vertilgen. Ein Gasherd und zwei Streichhölzer kännten uns vielleicht weiterhelfen. Wir bringen ihn nicht an. Im Container sind vielleicht Temperaturen von 8°, draußen von 4°. Übernachten? Ich schlottere erbärmlich- Joost scheint es etwas besser zu gehen. Wir überlegen. Da kommt doch noch ein Baustellen-Truck angefahren. Joost rennt sofort hinaus und stoppt ihn wild gestikulierend. Er hat Erbarmen und nimmt uns mit. Die Räder verladen wir notdürftig zwischen Führerhaus und Auflieger. Er sieht, dass wir erbärmlich frieren. „Mucho frio“ und er stellt die Heizung auf Höchstleistung. Nach knapp 10 Minuten glauben wir, unseren Augen nicht zu trauen. Auf der Gegenspur, entwa 50 Meter entfernt, begegnet uns Walter mit dem Lunchtruck. Er ist offensichtlich auf Suche nach uns. Sofort springt Joost aus dem fahrenden Truck und macht sich mit Pfiffen bemerkbar. Es ist die Erlösung. Walter und Annelot haben richtig angenommen, dass wir uns hier irgendwo befinden müssten. Ein warmer Tee und warme Temperaturen im Truck bringen uns ins Leben zurück. Im Camp werden wir ungläubigen Gesichtern empfangen. Sie hatten uns sicher nicht mehr erwartet. Die Hilfsbereitschaft ist groß. Bei einsetzendem Regen und Temperaturen um den Gefrierpunkt helfen uns viele Hände, das Zelt aufzubauen und uns mit warmen Kleidern zu versorgen. Ein paar Gläser warmer Tee und es geht uns schon besser. Gottseidank hat Robert auf dieser Polizeistation in der Pampa eine Bootsscheune für das Abendessen organisieren können. Nicht auszudenken, wo wir sonst ein Abendessen hätten bekommen können. Wir erfahren, dass dies der kälteste Tag in dieser Region Argentiniens seit 40 Jahren war.
Nachdem wir, Joost und ich, dieses Abenteuer überlebt haben, beschäftigt uns aber auch schon die nächste Frage: Wie viel Zeit wird uns angerechnet? Bleiben wir auf 100% zurückgelegte Strecke, da wir ja in den Truck eingestiegen sind. Rob klärt uns auf: Wir bekommen 12 Stunden angerechnet und können nur auf den 100% Strecke bleiben, wenn wir morgen uns zurückfahren lassen bis zu der Stelle, wo wir vom Truck eingeladen wurden.. Für uns beide ist das keine Frage. Wir werden das morgen organisieren und uns zurückbringen lassen. Obwohl morgen schon 150 km auf der Tagesordnung stehen.
Eine Cola-Flasche, mit warmem Wasser gefüllt, dient als Schlafsackwärmer. Trotz kalter Nacht gelingt es mir, ein wenig zu schlafen. Ich spüre, dass in meinen Fingern das Gefühl noch nicht zurückkommt. Außerdem habe ich ein geschwollenes rechtes Handgelenk, wahrscheinlich eine Entzündung durch das verkrampfte Halten des Lenkers auf 130 km Waschbrettpiste.
Doch es scheint das einzige zu sein, was mich nach diesem Horrotrip noch begleiten wird.
Oktober 2014 Durch das Weingebiet von Mendoza
Etappe 70 Mendoza - San Carlos Camping, 144 km, 896 hm, 100% Asphalt, no Timing
morgens sehr kühl, nachmittags angenehm warm, kein Wind
Nachdem ich gestern abend noch festgestellt hatte, dass das Tretlager wieder zu viel Spiel hatte, musste ich noch in einer Spätschicht zusammen mit Rob und Walter einen Hartkunststoffring fertigen, den ich dann noch bis halb elf Uhr nachts zusammen mit Lucho einbaute. So startete ich heute morgen erstmals etwas unorganisiert. Gottseidank war heute kein Timing angesagt. So konnte ich auch erstmals den angebauten Triathlonlenker ausprobieren. Das erinnerte mich an vergangene Triathlonzeiten.
In der Großgruppe fuhren wir geschlossen durch die Millionenstadt Mendoza, damit niemand verloren ging. Danach ging es an vielen Weinkellereien vorbei südostwärts duch das Weinanbaugebiet von Mendoza. In diesem Gebiet wird über 50% des gesamten Weines von Argentinien hergestellt. Hier findet man keine Weinberge, sondern große ebene Weinfelder mit tausenden von Quadratmetern. Erst fuhren wir parallel zu den schneebedeckten argentinischen Anden, danach direkt auf sie zu. Dabei tauchte vor uns auch der Acongagua, der höchste Berg Südamerikas und außerhalb des Himalayas mit über 6800 m auf. Nach einem kurzen Aufstieg ging es an einer größeren Gedenkstätte des südamerikanischen Helden Gauchito Gil vorbei. Er gilt als Robin Hood dieses Kontinents und hat sehr viele Gedenkstätten, vor allem an den Straßen Argentiniens. Diese sind von weitem sichtbar mit roten Farben und roten Fahnen gekennzeichnet.
In San Carlos, unserem Etappenort, erwartete uns ein schöner Campground mit Gras und Swimmingpool. Das war richtig guttuend nach der Staubwüste von Mendoza.
29./30. Oktober 2014 Zwei Ruhetage in Mendoza
Zum letzten Mal gibt es einen doppelten Ruhetag. Danach folgen lange Einheiten mit 6 bis 9 Etappen mit nur einem Ruhetag. Dabei sind noch viele Etappen mit Full- und Half-Timing zu absolvieren.
Knapp über 4000 km liegen noch vor uns bis zum Ende in Ushuaia in 6 Wochen.
Der bisherige Zweite Rien Lauerwijssen ist wie vorgesehen in Mendoza ausgestiegen. Damit werde ich jetzt als Zweiter geführt. Bike-Dreams postet in Facebook, dass sich der Erste James Hodges als dreimaliger „Great Divide“ Bezwinger gegen den starken 11maligen Alpencrosser Alfred aus Germany behaupten muss. In der Tat habe ich in der letzten Einheit den Abstand zu James um die Hälfte verringert. Das war aber weniger ein Angriff auf James als der Versuch, möglichst den Abstand zum hinter mir platzierten Joost zu vergrößern. In diesem Fall ist mir beides gelungen. Dabei sind auch noch zwei Etappensiege herausgesprungen. Ganz gut gelaufen für mich. Doch es ist ein schmaler Grat, auf dem ich fahre. Eine Krankheit, ein Sturz oder ganz einfach ein Überpowern würden mich unweigerlich schnell wieder zurückwerfen. Es gilt also weiter konzentriert und konsequent im grünen Bereich weiterzufahren. Das erste Ziel, jeden Meter zwischen Quito und Ushuaia mit dem Fahrrad zurückzulegen, ist nach wie vor mein Hauptziel. Eine gute Platzierung wäre dann noch das "Sahnhäubchen".
Habe mir jetzt für die langen, flachen Strecken auch einen Triathlonlenker zugelegt. Werde mich jetzt erst mal an die veränderte Sitzposition gewöhnen müssen. Andererseits hoffe ich, dass mein „querido Burro“ weiterhin so brav ohne Murren weiter läuft. Es hat schon einige wilde Pisten und Downhills hinter sich bringen müssen. Auch bei den nächsten Etappen wird meistens ein „Offroad-Anteil“ dabei sein.
Habe jetzt nochmals ein paar Tage mit Hartmut Bögel genossen. Leider wird es ab morgen nur noch einen „Schwabenpfeil“ geben. Werde ihn gleich in Richtung Buenos Aires verabschieden. Er wird in zwei Wochen dort sein und nach 17 000 km und fünfeinhalb Monaten seinen Heimflug antreten. Dabei hat er bei der Fussball-WM in Brasilien noch zwei Spiele der deutschen Mannschaft mit dem Fahrrad besucht. Freue mich schon auf ein Wiedersehen im Januar im Schwabenland.
Mendoza ist eine Zweimillionenstadt, wie mir ein Taxifahrer versicherte.In manchen Vierteln glaubt man, in einer europäischen Großstadt zu sein.Aber die Gegensätze sind groß. Moderne, neue Autos von deutschen, französischen oder japanischen Firmen prägen das Straßenbild genauso wie Vehikel, die mich an meine Jugendzeit erinnern. Und das sind leider schon knapp fünfzig Jahre her.
Oktober 2014 Umsonst gequält
Etappe 69 Uspallata – Mendoza, 107 km, 1270 hm, 62% Asphalt, Half-Timing
morgens kühl, dann sonnig, nachmittags warm
Die Nacht war frustrierend. Habe mir beim Abendessen gründlich den Magen verdorben. Musste ihn mehrmals nachts, aus dem Zelt kriechend, rückwärts entleeren und die Toilette aufsuchen. Erst gegen Morgen konnte ich dann noch etwas schlafen. Und heute stand eine Bergwertung auf Sandpiste an. Eigentlich das, was mir liegt. Der Start war chaotisch. Jeder fuhr los, ohne zu wissen, ob der Start freigegeben war. Ich ließ es verhalten angehend im Wissen, dass ich einfach ankommen musste. Der Beleg wechselte ein paar Mal von schlechtem Asphalt aus Schotter/Kies. Und es ging 1200 Höhenmeter bergauf auf wieder einmal über 3000 m. Rien und Diederik, die holländischen Bergspezialisten, ließen es krachen. Terry überholte mich als ich meine Weste auszog. Meine Beine waren zwar wie gewohnt gut, mein Bauch und mein Kopf bremsten mich aber gewaltig. Der Waschbrett-Untergrund war nicht gerade das Beste, was ich für meinen Magen tun konnte. Immer wieder fiel mir mein eigener Spruch ein, den ich im Vorfeld des Andentrails sagte: Schmerzen vergehen, Stolz bleibt. Damals wollte ich mich damit selbst motivieren, heute wurde er Realität. Er motivierte mich so stark, dass ich als Vierter am Pass ankam und noch 22 Minuten vor James. Umso schlimmer war dann für mich die Ernüchterung, als ich erfuhr, dass die Etappe nicht gewertet werden sollte. Grund: Der Start war noch nicht freigegeben. Doch die Enttäuschung hielt sich in Grenzen. Die Freude, die Wertung überwunden zu haben, war größer.
Wir hatten zwar beim Lunchtruck erst 30 km, aber danach ging es fast nur noch abwärts. Die ersten 25 km noch offroad, danach auf Teer. Diese Abfahrt stellte fast noch die Death Road in den Schatten. Über 364 Kurven und 2100 Tiefenmeter ging es teils spektakulär nach unten. Öfters hielten wir an, um Fotos zu machen. Hartmut hatte es natürlich mit seinem ungefederten Tourenrad nicht leicht, da runterzukommen. Aber seine große Erfahrung auf zwei Rädern brachte ihn auch hier nach unten. Dazu machte er noch viele tolle Fotos. Er ist nämlich nicht nur ein guter Radfahrer, sondern ein ebenso guter Fotograf.
Im Tal hatten wir noch fast 30 km flach zu überwinden. Hier knallte die Sonne wieder mächtig auf uns runter. Erst am späten Nachmittag erreichten wir den Campingplatz Suizo etwas außerhalb Mendozas. Hardy und ich fuhren mit dem Rad gleich die 8km wieder zurück und mieteten uns in einem einfachem Hostal ein. Nach 14 Tagen Bushcamp und Camping wollten wir wieder einmal ein richtiges Bett mit Waschgelegenheiten. Später fuhr ich mit dem Taxi nochmals auf den Campingplatz. Es war Barbeque angesagt und die Verabschiedung von Köchin Ellen, dem besten Fahrer im Feld Rien Lauwerwijssen und Hartmut, der uns jetzt endgültig verlässt. Er fährt jetzt in 8 Tagen ins 1200 km entfernte Buenos Aires, um von dort nach Hause zu fliegen. Schade! Aber irgendwann muss er ja wieder arbeiten.
Oktober 2014 Morgentliche Jagd über die Sandpiste
Etappe 67 Bushcamp Tocota – Barreal Camping 129 km, 58% Asphalt, Half-Timing
sonnig, sehr warm
Die Nacht im Bushcamp bei der Polizeistation von Tacota war ruhig und erfrischend. Erstmals benutzte ich wieder den Schlafsack, um mich zuzudecken. Am Morgen ging es auf der gleichen Piste weiter, auf der wir gestern aufgehört hatten. Mit dem kleinen Unterschied, dass es auf 54 km über 1200 hm leicht bergab ging. Es galt, die Sand- und Kiesgruben frühzeitig zu orten und entweder zu umsteuern oder volle Pulle durchzufahren. Rien und Joost waren von Anfang wieder vorne. Irgendwann aber blieben sie im Sand stecken. Mein querido Burro war nicht störrisch, sondern dampfte durch. Rien schlich sich wieder davon, Joost und ich wechselten uns in der Verfolgung ab. Es war klar: Wir mussten das Tempo hochhalten, denn je schneller du in eine Sandgrube reinfährst, desto schneller wirst du auch wieder ausgeworfen. Oder du bleibst stecken. Passierte mir aber nicht. In wilder Jagd ging es durch Sand und Kies. Bereits nach 1 Std. 20 Minuten hatten wir die 54 km „durchpflügt“. Rien und Joost waren 400 m vor mir und legten jetzt auf Asphalt wieder ein holländisches Teamfahren hin. Ich schaltete auf „Eco-Mous“, denn ich wusste, dass es mich mehr Kraft kosten würde, ihnen nachzujagen als ich Zeit verlieren würde. Jetzt ging es auf super ausgebauter Straße meist leicht abwärts in hohem Tempo Richtung Lunchtruck. Ca. 7 km vorher kanm noch eine Gegensteigung und ich hatte die zwei wieder vor mir. Dann noch eine schnelle Abfahrt hinunter nach Calinggasta und schon war ich auf der Plaza beim Lunchtruck. Doch wo waren die beiden ? Sei kamen etwa drei Minuten später, weil sie die richtige Abzweigung zum Truck verpasst hatten. Bad Luck. Damit stand ich zum zweiten Mal in dieser Woche als Etappensieger fest. Und James verlor heute nochmals eine Stunde. Damit habe ich innerhalb einer Woche den Vorsprung von James um die Hälfte reduziert.
Im zweiten Teil der Etappe ließen wir es dann gemütlich angehen und genossen die Landschaft. Links von uns winkten die schneebedeckten 5 und 6000er der argentinischen Anden, links von uns türmten sich surreale Felsformationen in allen möglichen Farben. Wir besuchten noch die „Cerro de Alcazar“ eine monumentale Felsformation.
Zu meiner freudigen Überraschung wartete auf dem Campingplatz schon Hartmut. Er war die letzten neun Tage seit Salta teils die gleichen, teils andere Wege geradelt. Jetzt wird er die nächsten 2 Tage bis Mendoza nochmals bei uns mit radeln, um dann endgültig nach Buenos Aires abzubiegen. Es war schön, die Erfahrungen der letzten Tage auszutauschen und es wird noch schöner sein, mit ihm die nächsten Tage bis Mendoza zu verbringen.
Der Campingplatz ist seit langem mal wieder in Ordnung. Gute Duschen, Waschmöglichkeiten und Toiletten. Schön, sich mal wieder richtig waschen zu können.
Oktober 2014 Ein Tag mit Enthusiasmus, Hochgefühl, Schmerzen und Qualen
Oktober 2014 Ein Tag mit Enthusiasmus, Hochgefühl, Schmerzen und Qualen
Etappe 66 San Jose de Jachal -Tocota Bushcamp, 135 km, 1806 hm, 74% Asphalt, Full Timing
sonnig, warm, kaum Wind
Bin vor knapp zwei Stunden in unserem Bushcamp Tocota angekommen. Es ist eine Polizeistation in the Middle of Nowhere.. Keine weitere Siedlung. Eine Viertelstunde vor mir war wiedermal Rien, eine halbe Stunde nach mir Diederik. Den habe ich 15 Kilometer vor dem Ziel überholt. Er war platt. Seit dem ist niemand mehr gekommen. Wo bleibt James? Er fuhr heute morgen los wie eine Furie. Wahrscheinlich wollte er die Scharte von gestern auswetzen. Habe ihn aber schon nach 15 km an der ersten Steigung ziemlich leicht passiert. Obwohl ich einen ausgiebigen Lunchstop gemacht habe, habe ich ihn nicht mehr gesehen. Die Etappe begann heute morgen wie im Bilderbuch. Angenehme Temperaturen, argentinische Morgensonne in den Speichen, atemberaubende Landschaft, Berge in allen Farbschattierungen, azurblaue Seen. Nach dem Lunchstop wurde es ruppiger. Die Straße wurde schlechter. Wir waren seit mehreren Tagen erstmals nicht mehr auf der RN 40. Dann die letzten 35 km. Eine Horrorfahrt. 700 hm aufwärts, keine nennenswerte Steigung. Aber eine Offroad-Piste mit Sand- und Kiesfallen. Immer wieder sank das Rad ein und du warst auf null abgbremst. Habe mit dem Mountainbike schon wilde Fahrten hinter mich gebracht. Doch dies hier übertraf alles. Hier einen Schnitt zu fahren von 10 km/h war fast nicht möglich. Da half nur: Kopf ausschalten und weiterfahren. Irged wann wurden die Bäume, die ich schon 20 km vorher gesehen habe,doch noch größer und ich erreichte sie ziemlich ausgepumpt. Bei diesen Bäumen war die Polizeistation.
Inzwischen ist auch James eingetroffen. Er hat heute sein Waterloo erlebt. Mit letzter Energie hat ersich hierher geschleppt, und trotzdem 2 Stunden auf mich verloren.
Der Lunchtruck ist inzwischen vollbesaetzt mit Teilnnehmern eingetroffen,die sich diese Tortour nicht mehr antun wollten. Unter ihnen ist auch Hardy.
Werde jetzt versuchen, noch einen Nachmittagsschlaf zu machen, um Morgen wieder fit zu sein. Es weht hier auf 2600 m eine frische Brise, so dass es erstmals im Zelt nicht zu warm sein sollte
Oktober 2014 War schon lange fällig: Der zweite Etappensieg
Etappe 65 Villa Union – Jachal Bushcamp 124 km,890 hm, 100% Asphalt, Full-Timing
sonnig, sehr warmn, kaum Wind
Nach einigen Schluck Rotwein zum Dinner war ich bald bettlägrig. Schon um 21 Uhr übermannte mich der Zeltschlaf, und das trotz vielen Sdandfliegen, Mücken und anderem Ungeziefer, die versuchten, mich zu pieksen. Sehr bald merkte ich, dass ich gute Beine hatte. Es lief wie geschmiert. Ich war vorne. Warum kam niemand von hinten? Wo war James? 15 km flitzte ich durch die argentininische Morgensonne. Die Temperaturen waren noch angenehm. Da kam Rien angerauscht. Er machte mir deutlich, in seinem Windschatten zu folgen. So legten wir eine Zweier-Tempofahrt hin. Die Strecke war fast eben, immer wieder leichte Steigungen und viel Horizontfahren durch die argentinische Pampa. Ein kurzer Lunchstop und weiter ging der holländisch//deutsche Express. Plötzlich, ca. 15 km vor dem Ziel wandelte sich die Landschaft total.. Rote Felsen in verschiedenen Schattierungen jetzt vor und neben uns. Ein kurzer, aber knackiger Aufstieg folgte und wir waren wieder mitten in der Szenerie der argentinischen Anden. Das Thermometer zeigte bei diesem Anstieg wieder 42°. Die Radhose schien wieder einmal zu brennen, so intensiv saß uns die Sonne im Genick.
Schon bald tauchte der stille Campingplatz auf. Wir erreichten ihn gemeinsam. .Rien und ich gewannen also gemeinsam diese Etappe. Vielleicht hätte er mich auf den letzten Kilometern abschütteln können. Aber er wollte nicht. Sehr faire Geste. Aber nach fast vierstündiger Gemeinschaftsfahrt macht man so was auch nicht. So waren wir in der Rekordzeit von 4 Stunden schon am Ziel.Wir hatten also einen Schnitt von über 30 km/h hingelegt und damit dem zweiten, James Hodges, eine Stunde abgenommen.
Und das war ja eigentlich heute nicht mein Terrain. Kaum Berge, viel flach und alles asphaltiert, da habe ich eigent nicht mit einem Etappensieg gerechnet.
Morgen geht es ziemlich bergig und auch teilweise offroad weiter. Darum ziehen heute nachmittag viele wieder andere Reifen oder Laufräder auf. Das kann ich mir sparen. Ich fahre morgen mit dem gleichen Equipment.
Der Campingplatz ist ganz passabel. Dusche und Toiletten sind vorhanden, es git einige schattige Plätze an einem Bach, der sogar Wasser führt.
Oktober 2014 Durch den spektakulären Questa de Miranda
Etappe 64 Chilecito – Bushcamp Villa Union, 119 km, 1240 hm, 75% Aspalt, no timing
vormittags bewölkt, nachmittags sonnig, kaum Wind
Als wir heute morgen starten sind die nahen Berge wolkenverhangen und die höheren sogar mit Neuschnee bedeckt. Hier unten beim Start in Chilecito sind die Temperaturen mit knapp über 20° genau richtig zum Radfahren. Hartmut hat uns ja vor dieser Strecke gewarnt, da sie eventuell auch für Radfahrer ganz gesperrt sei. Rob hat sich aber bei der örtlichen Polizei erkundigt und grünes Licht bekommen. Für die Radfahrer, die Trucks haben mit bestimmten Sperrzeiten zu rechnen. So fährt der eine Truck außen herum, was zusätzliche 200 km bedeuten. Der Lunchtruck fährt über die Baustelle, muss aber stundenweise warten. Hier wird eine mächtige Straße in die Berglandschaft gebaut. Dafür sind auch einige Spregungen notwendig, darum die Sperrung. Rob gibt eine Alternativ-Strecke an zum Fahren. Diese ist 10 km kürzer und ist ohne Offroad. Ich fahre natürlich die Original-Strecke. Nach einem Anstieg, der erstmals seit vielen Tagen wieder diesen Ausdruck verdient – es geht in mehreren Serpentinen aufwärts – folgt ein rasanter 20 km Offroad.Downhill. Es geht immer leicht bergab an einem Flussbett entlang. Rob, Rien, James, Jan Willem und ich lassen es krachen. Wir bauchen gerade eine hallbe Stunde für diese rasante Pistenfahrt. In Sanogasta kommen wir wieder auf die RN 40 und es folgt der lange Aufstieg über die besagte Baustelle auf über 2100 m. Mit gewaltigen Anstrengungen und schwerem Gerät bauen sie die RN 40 aus. Die Landschaft hier ist in Argentinien bekannt unter dem Namen Questa de Miranda und gilbt als eine der spektakulärsten Landschaften in Argentinien. Die Felsen leuchten in einem intensiven Rot, dahinter überragen schneebedeckte 6000er die Szenerie. Danach geht es 30 km in rasanter Fahrt abwärts, immer wieder durch beeindruckende Felsformationen. Die letzten 40 km sind in der Ebene mit Horizontfahren zurück zu legen. Anfangs sind noch leuchtend gelbe Ginsterbüsche neben der Straße. Danach geht es jedoch durch in die schon gewohnte wüstenartige Pampa.
Wir schlagen unserer Zelte bei einer Tankstelle auf. Dort haben wir zumindest Toiletten und einen Wasserhahn, um uns zu waschen. Und das Internet ist gar nicht schlecht. So wie Hartmut es prophezeit hat.
Oktober 2014 Ruhetag in Chilecito
Nach knapp 2 Wochen in Argentinien stelle ich fest, dass sich einiges verändert hat gegenüber den bisherigen Ländern. Auf den ersten Blick hätte ich gesagt, wir sind zurück in der Zivilisation. Die Menschen hier sind auf jeden Fall europäischer. Viele Menschen, vor allem aus Europa sind ja hier ansässig geworden. Während der überwiegende Anteil der Menschen in Peru und Bolivien indigener Abstammung der Quechua, Aymara oder Uros sind, sind die Vorfahren der Argentinier meist Europäer oder Asier.Die sozialen Unterschiede scheinen sehr groß. Wir fahren an Villen und großen, gepflegten Anwesen vorbei, wie sie ebenso in Europa oder Amerika stehen könnten. Und an Behausungen, wie wir sie auch in Bolivien sahen. Wir sehen alte, abgewrackte Autos wie wir sie vor 50 Jahren in Europa hatten und uns begegnen moderne VW`s und Mercedes. Der Kurs des Pesos ist im Keller. Offiziell ist er bei 8,5 Pesos für einen Dollar. Auf dem Schwarzmarkt bekommen wir für den Dollar 14 Pesos. Die Argentinier flüchten aus ihrer Währung in den Dollar. Sie trauen ihrer Währung nicht mehr. Sollen wir ihr trauen? Wr wechseln nur soviel, wie wir gerade brauchen, Vieles scheint hier momentan instabil zu sein.
Der Ruhetag in den Appartments hat gut getan. Wir haben wieder einiges aufarbeiten können. Wäsche waschen, Berichte schreiben, Fahrfrad in Ordnung bringen. Apropos Fahrrad. Lucho fragt michj. Ob alles in Ordnung ist. Er wckelt am Pedal und stellt fest, dass mein Tretlager immer noch nicht in Ordnung ist. Rob kommt hinzu und als eingefleischter Technikfreak versucht er, den Grund zu finden. Mit enormem Kraftaufwand gelingt es uns schließlich, das Tretlager zu öffen. Und da haben wir den (Lager))Salat. Ein Lager ist zerbrochen. Gottseidank hat mir der Monteur von Spezialized ein Ersatzlager mitgegeben. Trotzdem erfordert es allen technischen Verstand von Lucho und Rob, das zerfieselte Lager aus der Schale zu bekommen. Schlussendlich haben wir das Problem nach über 2 Stunden harter Arbeit unter Einsatz aller möglichen Werkzeuge gelöst. Aufatmen bei mir. Das hätte gerade noch gefehlt, wegen einem technischen Defekt in den Truck einsteigen zu müssen.....
Oktober 2014 Ruta 40 bis zum Abwinken
Etappe San Blas de los Sauce – Chilecito, 120 km, 860 hm, half-Timing, 100% Asphalt
sonnig,warm, kaum Wind
Ich sitze gerade auf der Plaza in Chilecito und schreibe den Bericht von heute. Zum letzten Mal für lange Zeit haben wir ein festes Dach über unserer Bleibe. Das sind kleine Appartments am Rande der Stadt. Das Internet ist wieder einmal kläglich. Habe gerade einen halbstündigen Fußmarsch gemacht, um in der Stadt einen Anschluß an die übrige Welt – sprich Internet – zu finden. Auf der Plaza gibt es ein ganz passables „Internetportodos“.Habe nach einigen misslungenen Versuchen auch wieder einmal mit Brigitte telefonieren können. Das hat sie und auch mich beruhigt.
Heute morgen war Rennen bis zum Lunch. Es spielte sich wieder einmal wie gehabt ab. Rien und in seinem Windschatten Joost zogen ab, James kam heute nicht richtig in die Spur, nahm aber die Verfolgung auf. Dahinter legte ich wieder eine 70 km Solofahrt hin. Vor mir bis zum Horizont niemand, hinter mir auch nicht. Einsam spulte ich wieder einmal meine Kilometer ab. Gibt es eigentlich noch keinen Autopilot für Radfahrer? Heute hätte ich so was gebraucht. Da hilft nur: Kopf ausschalten, Oberschenkel fallen lassen. Die Landschaft bot auch keine Abwechslung. Wenigstens war kein Gegenwind und die Temperaturen waren mit knapp über 30° auch ganz passabel. James holte die beiden Holländer, die ein eingespieltes Team bilden, nicht mehr ein. Er wurde Dritter, ich Vierter. Mit 20 Minuten Rückstand hatte ich kalkuliert und so traf es ein. Etwa 10 Minuten später kam Hardy, auch allein. Man sollte meinen, dass die einzigen zwei Deutschen es schaffen sollten, die restlichen 50 km auch im Teamfahren hinzubekommen. Doch dazu kam es nicht. An den Sprachkenntissen kann es nicht gelegen haben. So kam ich nur wenigen Minuten vor Hardy am Etappenziel an
Oktober 2014 Richtung Süden
62. Etappe Hualfin – San Blas de las Sauces, 160 km, 598 hm, 100% Asphalt, full-Timing
sonnig, im zweiten Teil leichter Gegenwind
Endlich mal ein ruhiges Bushcamp mit viel Schlaf.Als ich nachts mal aus dem Zelt schaue, sehe ich über mir den südamerikanischen Sternenhimmel. J.R. Der Astrologe aus Alaska sagt beim Frühstück, dass genau über uns der Orion zu sehen war. Wir bauen zum ersten Mal unser Zelt in der Dunkelheit ab, da wir heute nochmals eine halbe Stunde früher starten, das heißt um 7.30 Uhr. Wir haben nämlich eine der längsten Etappen mit 160 km vor uns. Die Temperaturen sind morgens noch angenehm kühl, auch später steigen sie nicht nennenswert über 30 °. Der erste Teil ist wieder wie im Kino. Die faszinierende Landschaft fliegt rechts und links an mir vorbei. Es geht viel abwärts. Nur ganz kurze Gegenanstiege zu zu bewältigen. Obwohl heute Timing ist, nehme ich mir Zeit für einige Fotos. James ist wie gewohnt vorne. Ich fahre wieder solo, knapp hinter mir kommt erstmals Hardy zum Lunchstop, dann das übrige Feld. Im zweiten Teil der Etappe geht es dann weniger spektakulär geradeaus Richtung Süden. Immer bis zum Horizont – und wenn du dann nach ca. 7 km dort bist beginnt das Spiel von Neuem. Nur gut, dass heute fast kein Wind ist. Erst die letzten 60 km kommt immer wieder leichter Gegenwind auf. Aber das ist gegenüber gestern nur ein laues Lüftchen. Während es gestern hieß, das Tretlager zu quälen, heißt es heute wieder überwiegend Oberschenkel fallen lassen.
Oktober 2014 122 km gegen den Wind auf der Ruta 40
Etappe 61 Santa Maria – Hualfin Bushcamp, 122 km, 680 hm, 83% Ashalt, Full-Timing
kühl, extremer Gegenwind
Wie befürchtet gibt es nachts wenig Schlaf. Das Konzert nebenan dauert bis 2.30 Uhr nachts. Bis dahin dröhnt die Musik und wimmert der Bass, dass du glaubst, das Konzert findet direkt vor deinem Zelt statt und es sind lauter schwerhörige Zuschauer anwesend.
Es ist richtig kühl, als ich noch verschlafen die Nase aus dem Zelt strecke. Dafür bläst ein ordentlicher, kühler Wind. Der entpuppt sich relativ schnell als garstiger Gegenwind. James schert das wenig. Er kann sich vorne auf seinen Triathlon-Lenker legen und bietet dem Wind damit relativ wenig Angriffsfläche. Schon bald entschwindet er meinen Augen. Doch wo sind die anderen? Hinter mir ist auch niemand. Bleibt mir nichts anderes übrig, als es alleine gegen den Wind auszurichten. So fahre ich die ersten 45 Kilometer solo. Dann taucht plötzlich Rob auf. Der hat es bis dahin auch alleine probiert. Jetzt fahren wir zusammen, was die Sache wesentlich vereinfacht. Jeder kann sich jetzt mal im Windschatten des anderen ausruhen. Am Lunchstop bei km 73 sagen sie uns, dass James zwölf Minuten Vorsprung hat und keinen Lunchstop eingelegt hat. Wir nehmen uns aber 15 Minuten Zeit, um die Speicher wieder aufzufüllen. Danach geht es im gleichen Schema weiter. Schnelle Wechsel halten das Tempo hoch. So schaffen wir die Strecke in guten 5 Stunden. Das ist ein Schnitt von fast 25 km/h bei diesem Gegenwind. Nicht schlecht gelaufen. Die nächsten kommen mit weit über einer Stunde Rückstand.. James war 26 Minuten vor uns im Ziel.
Das Positive heute war, dass es nicht so heiß und die Straße in relativ gutem Zustand war.
Das Etappenziel liegt ganz abseits in der Pampa. Aber es gibt warme Thermalquellen. Gönne mir 20 Minuten lang den warmen Strahl des Thermalwassers. Das ist das Geschenk an mich selbst, das ich heute mit dieser Energieleistung verdient habe.
Da heute Sonntag ist, sind auch Einheimische mit ihren Kindern da. Diese vergnügen sich in einem kleinen Pool mit Thermalwasser.
18. Oktober 2014 Auf der Ruta Nacional 40
Etappe 60 Cafayate – Santa Maria, 78 km, 486 hm,85%% Asphalt, half-Timing
sonnig, warm vormittags kaum Wind, nachmittags im Camp Starkwind
Eigentlich schlafe ich im Zelt inzwischen recht gut. Doch die letzte Nacht dröhnte von irgendwo her laute Musik. So wachte ich immer wieder auf. Darum ging ich etwas unausgeschlafen in diese Etappe, wo bis zum Lunchstop Timing angesagt war. Das war wieder etwas für die holländischen Flachlandspezialisten. Es waren kaum Höhenmeter zu machen. So formierte sich von Beginn an wieder eine Siebenergruppe. Schon nach wenigen Kilometern tappte ich wieder in die holländische Falle. Sie ließen mich wieder im Wind stehen und zogen dann an. Leider hatte ich keinen Hartmut mehr. Auch James konnte nicht folgen. Und alleine ohne Windschatten hast du keine Chance. So machten Rob, Joost und Terry den Sieger unter sich aus. Doch der Rückstand auf Joost mit 7 Minuten hielt sich in Grenzen.
Nach dem Lunch machten wir auf einer 4 km langen Waschbrettpiste einen kleinen Abstecher zu den Ruinen von Quilmes. Die Ausgrabungen stammen aus dem Jahr 800 nach Christus., Auf einem großen Areal kann man die Behausungen und Kultstätten der Vorfahren der Inkas bewundern.
Danach ging es zurück auf die Ruta Nacional 40. Diese RN 40 besitzt schon Kultstatus. Sie durchquert Argentinien von Nord nach Süd und wird von den meisten Südamerika-Durchquerern – egal ob Automobilisten, Motorrad- oder Radfahrer – benutzt. Sie weist unterschiedliche Beschaffenheit aus. Mal ist sie gut asphaltiert und ausgebaut, mal gibt es auch kilometerlange Kies- und Sandpisten. Auch müssen viele trockene Flussbette durchquert werden. Und damit verbunden sind viele Temposchwellen.Zusätzlich erschwert wird die Fahrt oft von heftigem Gegenwind und gnadenlos brennender Sonne ohne jeglichen Schatten.
Der Campingplatz heute liegt wieder nahe des Stadtzentrums, ist aber lange nicht so gepflegt wie der letzte in Cafayate. Dazu soll wieder heute abend in unmittelbarer Nachbarschaft ein Konzert stattfinden. Das verspricht nochmals gestörten Schlaf.
17. Oktober 2014 Wie im Kino
Etappe 59 Bushcamp Talapampa – Cafayate Camping, 91 km, 818 hm, 100% Asohalt, no Timing
sonnig, warm, kein Wind
Als ich morgens aufwache und aus dem Zelt schaue, steht das Pferd schon wieder da und wartet auf eine Streicheleinheit. Den Schlafsack habe ich nicht gebraucht. Eigentlich wäre es im Freien erträglicher gewesen, aber ich wollte mich nicht von den vielen Insekten pisacken lassen. Wir starten wegen der wieder zu erwartenden Hitze eine Stunde früher – eine weise Entscheidung. Es gibt Tage, da fragst du dich, warum du diese Reise erleben darfst. Heute ist so ein Tag. Ich komme mir im Sattel vor wie im Logenplatz eines Breitwand-Kinos. Eine unglaubliche Landschaft zieht an mir vorüber. Das fast wasserlose Flussbett, eingebettet in saftiges Grün auf der einen Seite, steil aufragende Berge und Felsen in verschiedenen Rottönen auf der anderen Seite. Das alles unter azurblauem Himmel und strahlender Sonne. Das Thermometer klettert, bleibt aber dann bei erträglichen 42° stehen. Insgesamt steigen wir heute von 1200 m auf 1600 m. Es sind kaum merkbare, sanfte Steigungen. Es heißt wieder einmal nur Oberschenkel fallen lassen. Der Körper spürt bei solchen Etappen keine Anstrengung mehr. Die Zeit vergeht wie im Flug, die Etappe kommt einem richtig kurz vor. Ja, wir sind auch schon vor 13 Uhr am Ziel in der kleinen netten Stadt Cafayate. Der Campingplatz passt zum heutigen Tag. Die Duschen und Toiletten sind sauber und ziemlich neu. Ein kleiner Spaziergang zum Cafe bringt mich zum WiFi, wo ich den Bericht schreiben kann und die nötigen e-mails, um die Lieferung des Garmin-GPS Geräts nach Mendoza zu organisieren.
Oktober 2014 Unter sengender Sonne in der argentiieschen Pampa
Etappe 58 Salta – Bushcamp Talapampa, 96 km, 519 hm, 100% Asphalt, no Timing
sonnig, heiß, kaum Wind
Ich sitze gerade im offenen Zelt im Bushcamp und schreibe mein Tagebuch. Da bekomme ich Besuch. Am 5m entfernten Zaun schaut mir ein neugieriges Pferd zu. Gehe hin und versuche mich, mit ihm anzufreunden. Erst ist es ganz schön scheu, dann wird es immer zutraulicher und lässt dich sogar am Kopf streicheln. Gebe ihm einen übrigen Riegel, der ihm aber nicht besonders schmeckt. Während ich weiter schreibe, schaut er mir immer noch zu.
Doch was war vorher passiert? Hardy und ich übernachteten ja im Hostal in Salta. Wir mussten also erst mal zurück zum Camp.Hardy nahm das Taxi und das Gepäck mit, ich fuhr mit dem Rad. Nach den zwei Ruhetagen freuten sich die meisten wieder, aufs Rad steigen zu können. Die Etappe heute war auch nicht sonderlich anspruchsvoll. Wir fuhren auf der Ruta nacional 68 – die auch als "Ruta del Vino“ angeschrieben ist, also sozusagen eine argentinische Weinstraße. Allerdings sah ich den ersten und einzigen Weinanbau kurz vor Talapampa. Das Thermometer kletterte während der Fahrt auf rekordverdächtige 48,6 °. Manche hatten auf ihrem Computer sogar 51°. Gegen Ende der Etappe waren einige Teilnehmer länger in einer schattenspendenden Bar an der Strecke als auf der Straße. Wir waren bereits um 13.30 Uhr im Camp und suchten einen schattenspendenden Zeltplatz. Zu unserer freudigen Überraschung lud uns der einzige angrenzende Nachbar in seinem Neubau zu einer Dusche ein. Auch Toiletten stellte er uns zur Verfügung. Auch Wasser und Strom bekamen wir von ihm, sodass wir sogar gekühlte Getränke herstellen konnten. Welch ein Luxus im Bushcamp. Von Thomas Werz bekam ich dann noch die freudige Nachricht, dass ein Ersatz-Garmin bereits auf dem Weg zu meiner Brigitte ist. Es wäre toll, wenn ich ab Mendoza wieder navigieren könnte.
14./15. Oktober 2014 Zwei Ruhetage in Salta
Nachdem mein Fahrrad die letzten Tage einige Geräusche im Tretlagerbereich abgab, habe ich in einem Radshop in Salta danach schauen lassen. Während ich eine halbe Stunde weg war, wurde mir mein Garmin im Geschäft vom Rad weg geklaut. Das hat mich hart getroffen. Es sind nicht nur die gespeicherten Daten weg, sondern ich habe die nächsten Wochen keine Navigation. Wir bekommen zwar jeden Tag einen Streckenplan. Doch das ist mühsam, danach zu fahren, vor allem bei Zeitnahme-Etappen oder in größeren Städten. Die „Garminlosen“ haben sich oft bei mir oder anderen Besitzern angehängt, um einfacher ans Ziel zu kommen. Habe heute einiges versucht, um wieder an ein Gerät zu kommen. Doch hier ist es aussichtslos. Ich hoffe, dass ich über Thomas Werz von Bikesport und Markus Miller von GARMIN ab Mendoza wieder ein Gerät habe.
Walter, unseren österreichischen Truckfahrer hat es noch schlimmer getroffen. Ihm wurde, während er auf der Post ein Paket abgab, das Fahrrad gestohlen.
Eigentlich sind wir hier in einer zivilisierteren, aber nicht sichereren Region. Komischerweise hatten wir in den ärmeren Ländern wie Peru und Bolivien mit Diebstahl gar keine Probleme.
Hatte nur wenig Zeit, um mich in Salta umzuschauen. Habe nur kurz die mächtige Kathedrale besucht. Obwohl viele Menschen drin waren, war es auffallend erstaunlich ruhig darin.
Hier wird es jetzt Frühling. Die Temperaturen sind tagsüber weit, abends immer noch über 30 Grad. Den ganzen Tag laufen Ventilatoren, um etwas Kühle vorzugaukeln. In und auf den Straßen werden zentnerweise frische Erdbeeren und andere Früchte angeboten. Ganze Straßen riechen oft nach Erdbeeren.
Auf dem Weg hierher sind mir Gedenkstätten aufgefallen. Diese sind total in tiefem Rot gehalten und sind scheinbar dem argentinischen „Robin Hood“ Gauchito de Gil gewidmet. Über ihn gibt es eine Sage, dass er den Reichen genommen und den Armen gegeben hat. Er gilt als der Schutzpatron der Wanderer und Radfahrer. Viele solche „Santuarios“ sind an der Straße eingerichtet.
Wir hoffen, dass er uns auch in der zweiten Hälfte des jetzt beginnenden Andentrails beschützt.
Liebe Leser(innen),
gerne hätte ich den Berichten Bilder hinzugefügt. Leider klappt das aus technischen Gründen nicht. Für Facebool-Mitglieder besteht aber die Möglichkeit, über die homepage von bike-dreams.com viele schöne Bilder von unserer Tour anzuschauen. Einfach auf das Facebookzeichen klicken. Auf dem einen oder anderen Bild werdet ihr mich vielleicht entdecken. Viel Spaß.
Oktober 2014 Pferdegeruch
Etappe 57 Yala – Salta, 122 km, 1268 hm, 100% Asphalt, Half-Timing
sonnig, sehr warm
Es geht eine halbe Stunde früher los, damit wir am Etappenziel in Salta mehr Zeit haben. Es ist half-Timing angesagt. Bin gleich vorne mit dabei, da ja heute einige Höhenmeter auf dem Programm stehen. Es bildet sich wieder die übliche Gruppe mit Rien, James, Hartmut und mir. Rien ist wieder nicht zu bremsen, James ist am höchsten Punkt hinter mir und Hartmut ist mir abgehauen. Er geht auf die Verfolgung von Rien. Dann folgt eine lange Abfahrt. Da kommt James wieder von hinten und überholt uns beide. Der vierte Platz ist trotzdem sehr befriedigend für mich, da Joost eine halbe Stunde auf mich verloren hat. Nach der Zeitnahme fahre ich mit Hartmut zügig, aber entspannt durch eine tolle Gegend. Nach der kargen Landschaft der letzten Wochen tut das saftige Grün und die blühenden Bäume und Sträucher richtig gut. Es wird Frühling in Argentinien. Wir sehen tolle Freizeit- und Reitanlagen, einheimische Jogger, Inlineskater und Radfahrer. Der Lebensstandard ist hier spürbar höher. Es geht durch ein wunderschönes Tal abwärts nach Salta. Die Stadtdurchfahrt ist etwas mühsam, da der Campingplatz auf der anderen Seite liegt. Dort ist die Enttäuschung riesengroß, weil der Campground relativ heruntergekommen aussieht. Und so ist es auch. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine tolle Party, da wir 7 Teilnehmer verabschieden müssen. Ellen und ihr Team veranstalten eine Grillparty, bei der es Gutes zu Essen und noch mehr zum Trinken gibt.
Leider müssen wir auch Hartmut verabschieden. Das tut besonders mir weh, denn ich habe mich nicht nur gut mit ihm verstanden, sondern wir hatten beim Radfahren ziemlich das gleiche Tempo und er hat mich sehr im Rennen unterstützt.
Hardy und ich beschliessen, uns in der Stadt ein Hostal zu gönnen. Wir finden ein kleines nettes und bezahlen dafür pro Nacht etwa 115 pesos, da sind nicht mal 10€. Und das noch mit Frühstück. Da sagt auch ein Schwabe nicht nein.
Oktober 2014 Es geht runter vom Altiplano
Etappe 56 Buschcamp Quebrada de Huamaca – Yale Camping, 151 km, 541 hm, 100% Asphalt,
sonnig, warm, in der 2. Hälfte starker Gegenwind
Es is zwar eine lange Etappe mit über 150 km. Doch vom Profil her sieht sie leicht aus. Es geht von 3500 m herunter auf nur noch 1500 m. Die Strecke weist fast keine Steigungen auf. Und es ist auch noch full-Timing. Mir ist klar, dass dies die Gelegenheit für James und Joost ist, um zu gewinnen. Sie legen auch gleich mächtig los. Für mich arbeitet wieder die schwäbische Lokomotive Hartmut. In der ersten Stunde fahren wir einen Schnitt von über 40 km/h. Schon nach 60 km steht der Lunchtruck.Wir nehmen nur schnell einen Happen und weiter geht die Fahrt. Diese wird aber immer mehr abgebremst durch harten Gegenwind. Mmanchmal bläst er so scharf um die Felskanten, dass wir fast stehen. Hartmut macht fast die gesamte Führungsarbeit. Bei km 115 müssen wir erstmals einen Notstop machen, da ich am Hinterrad Luft verliere. Probiere esmit Pumpen. Das hilft bis zu unserem kurzen Zwischenstop in Volcano, wo wir eine Cola trinken. Noch einmal muss ich nachpumpen, Dann geht es die letzten 20 km wieder mehr bergab und der Wind lässt etwas nach. Nach 5 ½ Stunden haben wir das Ziel, den Campingplatz in Yale erreicht. Ich spendiere Hartmut sofort ein Bier. Das hat er sich redlich verdient. Ohne ihn hättte ich es heute wesentlich schwerer gehabt. Die beiden Führenden haben sich natürlich zusammengetan und sich gegen den Wind abgelöst. Trotzdem haben sie eine halbe Stunde gegen mich gut gemacht. Na ja. Es kommen auch wieder Berge.
Auf dem Campingplatz ist ziemlich viel los. Heute ist Sonntag, und da gehen die Argentinier mit der ganzen Familie zum Barbeque auf den Campingplatz. Das ist scheinbar Usus.
Nach den ersten Kilometern in Argentinien ist mir übrigens aufgefallen, dass das Müll- und Abfallproblem um 80% besser geworden ist.
Oktober 2014 Und noch einmal Altiplano
Etappe 55 La Quiaca – Bushcamp Quebrada de Humahuaca, 119 km, 541 hm, 100% Asphalt, half-Timing, sonnig, warm, meist Rückenwind
Zum letzten Mal werden wir nach drei Wochen auf dem Altiplano sein. Der argentinische Teil stellt sich in der ersten Hälfte unspektakulär dar. Auf gut asphaltierter Straße geht es flach mit wenig Verkehr ruhig los. Die ersten 20 km wird in der großen Gruppe gefahren, obwohl heute Timing angesagt ist. Was ist los mit James und Joost, für die die Strecke heute wie geschaffen erscheint?
Plötzlich schießt Patrick in einem Wahnsinnsspurt los. Joost, Rien und James reagieren sofort. Und auch Hartmut. Ich ziehe nach und bald sind alle aufgefahren. Es entwickelt sich ein Rennen der Holländer gegen James, den Amerikaner und gegen Hartmut und mich. Terry, der Australier verhält sich neutral und fährt nur mit. Immer wieder ziehen Joost und Rien Spurts an, Hartmut kontert hervorragend und bringt mich wieder ran. James scheint abgeschlagen. In einer ausgebufften Taktik gelingt es den Niederländern, mich nach einer Führungsarbeit abzuhängen. Wir können nicht mehr kontern. Terry sagt, wir sollen sie ziehen lassen. Sie wollen Patrick zum Tagessieg führen. Patrick war nämlich die letzten Wochen vom Pech verfolgt und hatte mehrere Stürze. Er wird in drei Tagen in Salta planmäßig aussteigen und sie wollen ihm den Tagessieg schenken. Wir nehmen etwas zurück und fahren trotzdem hohes Tempo weiter, da ich mir gegen Joost nicht zuviel Rückstand einhandeln will. Das schaffe ich zusammen mit James, der natürlich als Gesamtführender die gleichen Interessen hat. Nach 60 km sind es gerade einmal 90 Sekunden. Die können wir verschmerzen. Nach dem Lunch geht es etwas gemütlicher. weiter. Jetzt wird die Landschaft auch wieder interessanter. Skurile Felsformationen und Farbkombinationen nehmen zu, Canyons und ausgetrocknete Flussbette tauchen auf. Und genau an einer solchen Stelle schlagen wir heute unser Bushcamp auf. Der Fluss führt nur noch wenig Wasser an dieser Stelle. Das genügt uns aber, um uns im knöcheltiefen Wasser noch ein wenig zu erfrischen. Noch einmal haben wir heute eine Höhe von 3700 m erreicht. Morgen geht’s dann runter vom Altiplano auf nur noch 1600 m.
Oktober 2014 Bolivien ade – Argentinien juchhe?
Etappe 54 Tupiza _ La Quiaca 93 km, 1296 hm, 100% Asphalt, half-Timing
sonnig, warm, später bewölkt, leichter Regen
Den Ruhetag in Tupiza nutzen die meisten Teilnehmer, so wie auch ich, um das Rad nach den harten Anforderungen der letzten Tage wieder technisch aufzumöbeln und vom Staub zu befreien. Die nächsten 6 Tage werden wir uns ausschließlich auf asphaltierten Straßen bewegen, da macht es schon Sinn, einige Tage auf einem sauberen Rad zu sitzen. Heute ist half-Timing angesagt. Das Streckenprofil gefällt mir. Erst geht es 35 km dem Fluss entlang mit leichten Steigungen und Gefälle, danach sind 600 hm mit einigen steilen Rampen zu bewältigen. Das Rennen entwickelt sich wie erwartet. James vorneweg, dahinter die holländische Gruppe mit Rien, Joost und Dieterik und ich. Bald haben wir auf James aufgeschlossen. Auf den schnellen Abfahrten muss ich die Holland-Connection ziehen lassen. Bei Beginn des Aufstieges habe ich etwa eineinhalb Minuten Rückstand auf diese Gruppe, bei längeren Geraden aber immer Sichtkontakt. Am Berg merke ich, dass ich heute vor allem mit der Atmung keine Probleme habe und fahre bereits nach 200 hm an Joost und James so schnell vorbei, dass sie gar nicht auf den Gedanken kommen können, mir zu folgen. Diederik ist noch etwa 250 m vorne. Bald schließe ich auch auf ihn auf. Als ich an ihm vorbeiziehen will, sehe ich auf der linken Seite den Lunchtruck – also die Zeitnahme stehen. Eigentlich habe ich noch mit 200 weiteren Höhenmetern gerechnet. So werde ich zusammen mit Diederik Zweiter. Rien war wieder ein Mal zu schnell. Doch meinen direkten Konkurrenten habe ich wieder einige Minuten abgenommen. Zu meiner freudigen Überraschung taucht kurz Hinter James und Joost auch schon Hartmut auf. Er hat gezeigt, was ihn ihm steckt auf asphaltierter Straße und wenn er Lust auf Rennen hat. Na ja, er hat bis heute auch immerhin schon 14 000 km seit Antritt seiner Reise in den Beinen. Da er ja jetzt bei uns von seinem Reisegepäck befreit ist, wachsen ihm fast Flügel. Nach der Zeitnahme fahren ich zusammen mit Hartmut in flottem Tempo uns über allerlei Dinge unterhaltend bis zur Grenze. Wir freuen uns schon, bald im Hotel zu sein. Aber da ist ja noch die Grenze. Dort werden wir nochmals fast 2 Stunden aufgehalten, weil vor uns ein Doppelstockbus abgefertigt wird. Besorge mir noch auf bolivianischem Boden Pesos, da der Wechselkurs auf dem Schwarzmarkt sehr gut ist. So bekomme ich für den USD anstatt 8 sogar 13 Pesos. Kurz nach der Grenze ist auch schon unser Hotel. Es wird das letzte für längere Zeit sein, da wir uns in Argentinien und Chile fast nur auf Campingplätzen oder in Bushcamps aufhalten werden.
9.Oktober.2014 Ruhetag in Tupiza
Nur 2 Etappen lagen zwischen dem letzten Ruhetag in Uyuni und dem heutigen, Aber diese beiden Etappen hatten es in sich. 220 km übelster Offroad-Piste mit insgesamt über 2000 hm stellten hohe Anforderungen an Mensch und Material. Vor allem die letzte Abfahrt mit über 1000 hm verursachte bei den meisten ziemliche Arm- und Handgelenkschmerzen durch das krampfhafte Festhalten am Lenker, um nicht abgeschüttelt zu werden. Auch das Material wurde einer enormen Härteprüfung unterzogen. Habe heute zusammen mit Lucho, unserem Bordmechaniker, mein Fully einer genauen Inspektion unterzogen. Nach insgesamt 7500 km (5000 auf dem Andentrail, 2500 in der Vorbereitung) haben wir die Kassette und die Kette gewechselt sowie die Bremspads der Scheibenbremse. Dabei ist mir ohne Gewalteinwirkung der zweite Schraubenkopf der Fixierungsschraube der Bremsbeläge abgebrochen. Ich werde versuchen müssen, mit der gebrochenen Schraube bis Salta zu kommen, um dort Ersatz zu bekommen. Außerdem haben wir das Tretlagerspiel neu eingestellt. Die Continental Race-King-Reifen werde ich nochmals 1000 km bis Mendoza fahren können. Soviel zum Material.
Trotz großem Einsatz der Organisationsleitung gärt es immer wieder in dem fast 40-köpfingen Teilnehmerfeld. Rücksichtnahme, Hilfe, Kooperation sind für viele unbekannte Wörter, dafür kennen sie Ellbogenmentalität und Egoismus. Jeder beansprucht für sich das Beste. So musste ich ein schon bezogenes Zimmer räumen und mit meinen beiden Kameraden in eine „Besenkammer“ ziehen, weil sich andere dafür zu schade waren.
In wenigen Tagen werden uns in Salta 8 Teilnehmer verlassen und nur einer wird neu hinzustoßen. Vielleicht wird es in der kleineren Gruppe größere Rücksichtnahme geben. Es ist zu hoffen.
Morgen werden wir die Grenze nach Argentinien überschreiten. Was bleibt uns an Bolivien in Erinnerung? Die unendliche Weite des Altiplanos, das rauhe Klima dieser Höhe mit schweren Gewittern und eiskalten Nächten, der Titikacasee mit den schwimmenden Inseln der Uros, der Moloch LaPaz/El Alto und die Death Road, die Überquerung der größten Salzwüste der Erde, der Salar de Uyuni, sowie den staubigen und sandigen Pisten der Dakar-Rally, atemberaubende Schluchten und Felsformationen, Lama- und Vicunaherden. Oder die vielen freundlichen Einheimischen und die Kinder, die mit unseren Rädern fahren und uns am Arm zupfen durften, um ein mal so ein Gringo berühren zu können. Wir werden schon ein wenig Wehmut verspüren, wenn es über die Grenze geht.
Oktober 2014 Und nochmals in den Hochanden
Etappe 53 Atocha – Tupiza, 109 km, 1541 hm, 1% Asphalt, no Timing
sonnig, warm, kein Wind
Es überrascht mich nicht, als ich morgens aus dem Zelt schaue und nur einen Truck sehe. Walter und Rob sind noch nicht von der Suche nach dem Reserverad zurück. Robert, der Fahrer des anderen Trucks, gibt einen Notfallplan heraus. Doch kurz nach dem Frühstück kehren die beiden nach erfolgloser Suche zurück. Eigentlich spräche jetzt nichts gegen das auf dem Plan stehende half-Timing, also Zeitnahme bis zum Lunch. Doch es ist kein Timing. Das stinkt mir gewaltig. Denn ich wollte heute mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch fahren. Die Voraussetzungen dazu wären prächtig gewesen. Noch einmal Offroad, jedoch mit 1600 hm Uphill und 20 km technischem Downhill gespickt – eine Etappe wie maßgeschneidert für mich und mein querido Burro. Erst steigt die Piste mäßig an, dann folgen immer wieder kurze Downhills in atemberaubende Canyons hinab, bevor es dann richtig steil nochmals mehrere Male über 4200 m geht. Noch einmal kreuzen kleine Vicunaherden die Straßenseite.Werden es die letzten sein, die wir zu Gesicht bekommen? Auch richtige Eselherden links und rechts der Straße beäugen die vorbeifahrenden bunt gekleideten Zweibeiner auf ihrem Gefährt. An der höchsten Stelle ist Lunchstop. Nur Rien ist vor mir. Er ist der Einzige, der mir auch Offroad und in den Bergen überlegen ist. Nicht umsonst war er auch der Gewinner des letztjährigen “Great Divide“, des Rennens von Alaska bis Mexiko. Ich muss eine längere Pause einlegen, um meinen Garmin am Truck aufzuladen. Inzwischen ist auch James eingetroffen. Habe ihm am Berg das Hinterrad gezeigt. Noch ein paar knackige Steigungen, dann geht es auf technisch schwieriger Piste bergab. Fühle mich wie bei einem Mountainbike-Marathon. Die Felsformationen ähneln jetzt immer mehr der Landschaft in NewMexico. Meterhohe Kakteen links und rechts der Straße unterstreichen diesen Eindruck. Unten geht es am Flussbett entlang mit vielen kurzen, aber knackigen Anstiegen an Felsformationen vorbei oder hindurch. Es ist die Szenerie eines Wildwestfilms. Manche wählen die Variante durch das ausgetrocknete Flussbett, ich wähle die „Waschbrettvariante“ mit kurzen Auf- und Abfahrten. Bei der letzten Auffahrt, kurz vor dem Scheitelpunkt steht der Truck von Robert mit technischen Problemen. Sein Motor bekommt keinen Diesel mehr. Mit allen möglichen Tricks schafft er es, ihn doch noch flott zu bekommen. So bin ich noch kurz vor dem Truck und lange vor dem nächsten Ciclista am Tagesziel in Tupiza.
Oktober 2014 Sonderprüfung mit Pleiten, Pech und Pannen
Etappe 52 Uyuni – Atocha, 110 km, 689 hm, 1% Asphalt, Full Timing
sonnig, warm, kein Wind
Nach dem erholsamen Ruhetag in Uyuni geht es heute auf eine Strecke, auf der auch die Piloten der Rally Dakar ihre Wettbewerbsfähigkeit und die Autos und Motorräder ihre Tauglichkeit beweisen müssen. Washboards, wadentiefer Sand und Flußbettdurchfahrten wechseln sich in unregelmäßigen Abständen ab. Hier haben scheinbar schon einige Motorradfahrer ihren Mut mit dem Leben bezahlt. Bei uns erwischt es Buck Benson, der am Tag zuvor noch Geburtstag gefeiert hatte, am schlimmsten, Er fällt auf die Schulter und kugelt sich den Arm aus. Unsere Medizinerin Annelot kann ihn zwar sofort wieder einrenken, er wird aber im Lunchtruck ins Krankenhaus gefahren um zu röntgen und um Schmerzmittel zu bekommen. Dadurch fällt der Lunchstop ins Wasser. Und Wasser ist genau das, was jetzt allen fehlt. Nach 56 km sind die Flaschen bei der Fahrt durch die sengende Sonne und die Staubwolken der vorbeifahrenden Fahrzeuge leer. Ich nehme an, dass Rob, der zusammen mit Rien vor mir fährt, anhält und Instruktionen gibt. Er ist aber nicht zu sehen. Fahre weiter bis links von der Straße ein kleines Dorf auftaucht. Dort frage ich nach Wasser oder Cola. Es gibt nur einen Dorfbrunnen. Ich frage, ob das Wasser trinkbar ist. Sie bejahen es. Mit mulmigem Gefühl fülle ich die Flaschen. Im Nu bin ich wieder von Kindern umringt. Aber heute habe nicht viel Zeit für sie, da ich im Rennstress bin. Es geht weiter auf dieser Rallypiste. Waschbretter wechselt sich ab mit Sandgruben. Es gilt, die Ideallinie zu finden. Ich wechsle wahrscheinlich hundertmal die Straßenseite, um den bestmöglichen Untergrund zu finden. Trotzdem bleibe ich zweimal im wadentiefen Sand stecken. Nach knapp 5 Stunden habe ich die 100 km bis Atocha auf dieser üblen Piste geschafft. Das Bushcamp soll etwa 7 km nach dieser Ortschaft sein. Fahre nach GPS weiter. Es geht jetzt immer steiler nach oben. Nach diesen 7 km sehe ich zwar rechts von der Straße einen gut geeigneten Campground. Doch es ist kein Truck, keine Zielfahne und auch kein Rob und Rien da. Warte eine Viertelstunde. Niemand ist weit und breit zu sehen. Morgens beim Briefing hat es geheißen, dass das Bushcamp zwischen 102 und 115 km sein wird und von der Straße aus gut zu sehen ist. Also fahre ich weiter. Nach 5 km komme ich in eine kleine Ortschaft. Ein Sportlehrer ist gerade mit seiner Klasse auf dem Kleinspielfeld. Frage ihn, ob 2 Radler vorbei gekommen sind. Er verneint. Zu meiner Freude gibt es einen kleinen Laden im Dorf. Er schickt ein Mädchen mit, um mir den Laden zu zeigen. Bekomme ein colaähnliches Getränk und Wasser. Darüber bin ich sehr froh, denn ich habe inzwischen keinen Tropfen mehr in der Flasche. Fahre nochmals 4 km weiter, ohne Erfolg. Setze mich auf das ausgetrocknete Fußballfeld und weiß keinen Rat mehr. Eine halbe Stunde lang ist kein Mensch weit und breit. Dann sehe ich am Horizont einen Radfahrer auftauchen. Es ist Lucho, unser Mechaniker. Er ist falsch gefahren, dann umgekehrt und ist auch auf der Suche nach dem Bushcamp, das heute gleichbedeutend mit dem Ziel zur Zeitnahme ist. Geduldig warten wir, fahren nochmals aus dem Dorf und fragen dann einen durchfahrenden Motorradfahrer, ob er Radfahrer oder einen roten Truck gesehen habe. Gottseidank spricht Lucho perfekt Spanisch. Ja, etwa 5 km vor dem Ort sei der Truck und auch Radfahrer. Wir fahren zurück und tatsächlich ist das Camp an der Stelle, wo ich vor zweieinhalb Stunden schon vorbeigefahren bin. Inzwischen habe ich 130 km auf dieser Piste zurückgelegt. Ziemlich angefettet und mit einer millimeterdicken Staubschicht überzogen steige ich vom Rad. Wo war der Truck, wo waren Rob und Rien? Es stellt sich heraus, dass die beiden in der Ortschaft Atocha abgebogen sind, um sich zu verpflegen. Der Truck hatte technische Probleme und war weit nach meinem ersten Versuch am Campground. Ziemlich missmutig baue ich mein Zelt auf. Wie wird die Etappe gewertet? Keiner weiß es. Später befragt mich Rob, der mich und Lucho anscheinend gesucht hatte. Diese Etappe über 110 km volle Zeitnahme wollte ich unbedingt nutzen, um mich von meinem Konkurrenten um den 3. Platz, Joost abzusetzen. Das war heute mein Terrain, nicht seines. Eigentlich bin ich der gefühlte Sieger, da ich mit großem Abstand als Erster am Campground war.
Damit ist aber dieser Tag voller Pleiten, Pech und Pannen noch nicht beendet. Es stellt sich heraus, dass Walter an seinem Truck ein Reserverad verloren hat. Kein Wunder bei dieser Horror-Fahrt Er macht sich zusammen mit Rob auf den Weg zurück nach Uyuni, um das Rad zu suchen. Das ist natürlich bei der einsetzenden Dunkelheit ein aussichtsloses Unternehmen. Sie fahren bis zum Ausgangspunkt Uyuni zurück, schlafen dort und bei einsetzendem Tageslicht fahren sie die ganze Strecke nochmals ab – ohne Erfolg.
Oktober 2014 Ruhetag in Uyuni
Überall hängen Werbeplakate für die Rally Dakar. Diese findet ja nach den Drohungen von Al Kaida nicht mehr in Afrika statt, sondern in Südamerika. Unter anderem auch in den Provinzen Potosi/Uyuni. Nun ist dies auch die Heimatregion von Evo Morales, dem bolivianischen Präsidenten. Auch von ihm hängen fast überall Werbeplakate. „Evo for President – 2015 – 2020. Er ist sehr beliebt, speziell hier, wo seine Eltern noch wohnen. Er kam in die Schlagzeilen, als er den Wistleblower Snowdon im Exil in Russland besuchte und sein Flugzeug auf dem Rückflug über Europa keine Überfluggenehmigung bekam. Er saß mehrere Tage auf dem Flughafen-Transit in Wien fest. Er ist bekanntlich kein großer Freund der Amerikaner und der multinationalen Großkonzerne. Umso verwunderlicher, dass er offenbar diese Motor-Großveranstaltung zulässt. Ist dies im Sinne seiner Landsleute? Bringt diese Rally eine Verbesserung der teilweise katastrophalen Lebensumstände dieser Menschen? Oder profitieren andere davon?
Diese Gedanken sind mir gekommen, als wir vor wenigen Tagen durch die kleinen Dörfer dieser Provinz gefahren sind. Die Leute haben uns freundlich begrüßt. Mit den Kindern haben wir stundenlang auf der Durchgangsstraße gespielt. Mir kommt das Grausen, wenn ich daran denke, dass diese PS-Boliden vielleicht mit 120 km/h staubaufwirbelnd durch die Dörfer rasen. In Afrika sind mehrere Kinder so gestorben. Die Gefahr, dass das auch hier passieren wird ist riesengroß. Hoffen wir es nicht. Wir möchten die strahlenden Kinderaugen in Erinnerung behalten.
5. Oktober 2014 Zeitfahren in der Salzwüste
Etappe 51 Salar de Uyuni – Uyuni, 35 km, 74 hm, 1% Asphalt, Zeitfahren 7 km
sonnig, warm, leichter Gegenwind
Es bricht schon kurz nach dem Aufstehen eine gewisse Nervosität aus. Das Einzelzeitfahren vom Salzhotel Richtung Uyuni über 7 km steht an. Trotz Sonnenschein über der Salzwüste ist es noch recht kühl. Es wird in Zeitabständen von 1 Minute gestartet. Die Startreihenfolge erfolgt alphabetisch nach dem Vornamen. So bin ich als zweiter an der Reihe. Zum Warmfahren reicht die zeit nicht mehr und große Lust darauf habe ich auch nicht. So lege ich einen Kaltstart hin. Schon nach 500 m geht mir die Luft aus. Ist es die Höhe, die salzhaltige Luft oder einfach eine zu starke Beschleunigung? Ich muss Gas wegnehmen und merke, dass ich zu langsam werde. Es werden lange 7 km. Die Luft fehlt, die Lungen fühlen sich an wie kurz vor dem Zerreißen. Der vor mir gestartete Alec, ein nicht gerade prädestinierter Radfahrer, kommt einfach nicht näher. Nach knapp über 15 Minuten überquere ich die Ziellinie. Ich schnappe nach Luft wie ein gefangener Fisch und bekomme trotzdem zu wenig. Brustkorb, Luftröhre und Hals schmerzen. Mein Trost: Es geht allen gleich im Ziel. Alle hängen hustend über ihren Rädern. Es sieht aus, als ob die Intensivabteilung einer Lungenheilanstalt eine Radtour gemacht hätte. War es die Höhe, die salzhaltige, kalte Luft was die Atemwege so in Not gebracht hat? Auch auf der weiteren Fahrt zum Etappenziel Uyuni sind viele noch am Husten. Wir sind froh, dass wenigstens die prognostizierte Waschbrettpiste bald durch eine neue, breite, noch für den Verkehr gesperrte Straße ersetzt wurde und wir ohne Stress den Rest der Etappe hinter uns bringen können.
Das Hotel in Uyuni, wo wir morgen ja einen Ruhetag verbringen dürfen, macht einen sehr guten Eindruck. Nach einer ausgiebigen Dusche und Körperpflege nach insgesamt 4 Buschtagen besuchen wir noch den „Train Cemetery“. Dort stehen hunderte Wracks etwa 100 Jahre alter Züge. Beeindruckend sind vor allem die Monster-Lokomotiven. Was haben diese Züge wohl alles erlebt, bevor sie hier auf dem Friedhof endeten? Wir spüren eine gewisse Wehmut. Bei uns würden sie sicher jetzt in einem schönen Museum zu bewundern sein. Finanziert vielleicht von den Millionen Tonnen Stahlschrott, die die hunderte Waggons einbringen würden, die hier kreuz und quer vor sich hinrosten.
Abends im Hotel treffen wir wieder unsere 3 Weltreisenden Fabian, Vergil und Marion. Vergil hat Probleme mit der Vorderradnabe. Unser Mechaniker Lucho hilft ihm aus der Patsche. Er fräst ihm behelfsmäßig das Lager plan. Morgen werden sich ihre Wege trennen. Fabian wird mit unseren Scouts Wilbert und Kiwi-James den Laguna-Trail, der auf über 5400 geht, erkunden. Die beiden anderen werden in die gleiche Richtung wie wir einen Tag später unterwegs sein. Sie haben sich heute Abend in unserem Hotel am Salatbuffet satt gegessen. Originalaussage Virgil: Das war definitiv das beste Essen seit über einem Jahr.
Oktober 2014 Fahrt über die Salar de Uyuni
Etappe 50 BC Tahua – Salzhotel Salar de Uyuni, 102 km, 36 hm, no Timing
sonnig, warm, kein Wind
Welch ein Unterschied - gestern noch ein Tag zum Vergessen – heute ein Bilderbuchtag. Nach langem, tiefen Schlaf geht es mir schon wieder entschieden besser. Magen und Darm haben sich beruhigt und ich habe auch schon wieder Hunger. Ein gutes Zeichen. Bereits aus dem Zelt heraus habe ich den Blick auf die größte Salzwüste der Erde. Die Sonne reflektiert auf der Salzkruste und produziert glirrendes Licht. Schon beim Frühstück ist eine gewisse Ungeduld spürbar. Wie wird die Fahrt auf der Salar? Ist die Oberfläche rauh und holprig? Oder eben und gut befahrbar? Schon bald weicht der Ungewissheit eine unglaubliche Freude. Es ist eine tolle Überraschung. Die Räder rollen geräuschlos und leicht über die hexagonalen Muster des Salzes. Auch außerhalb der sichtbaren Piste ist ein gutes Vorwärtskommen möglich. Die ersten Meter fahre ich vorsichtig, weil es sich anfühlt, wie auf einem gefrorenen See zu fahren. Erst eine Bremsprobe beruhigt mich: Es ist absolut nicht glatt oder rutschig, sondern richtig griffig. Es ist fast irreal. Keine Fahrbahnbegrenzung, kein Straßengraben, kein Verkehr, keine Häuser – nur endlose Weite. Ab und zu ein Auto, das in großem Abstand mit hohem Tempo vorbeirauscht und wenige Augenblicke später am Horizont verschwindet. Die Salzkruste ist unterschiedlich dick. Daher kommen auch die minimalen Höhenunterschiede. Zum Schluss werden es 35 m auf über 100 km sein. Vormittags peilen wir eine Insel an, an der wir Lunch haben werden. Zuerst nur als kleiner Punkt am Horizont sichtbar, wird sie immer größer und nach 40 km und knapp 2 Stunden haben wir sie erreicht. Die Insel ist mit zahlreichen Kakteen bewachsen. Aus einer anderen Richtung kommend treffen 3 weitere junge Radler bei uns ein. Ein Schweizer namens Fabian und eine Französin und ein Franzose. Wir laden sie zum Lunch ein. Sie erzählen uns, dass sie gestern auf der Salzwüste von einem schweren Gewitter überrascht wurden und Todesangst hatten. Sie haben die Räsder weggeschmissen und sich flach auf die Oberfläche gelegt. Das Gewitter war direkt über ihnen. Fabian nimmt sofort Kontakt zu unserem Schweizer Jürg auf und es stellt sich heraus, das beide fast Nachbarn in Zürich sind. Er startete in Lima, sein Ziel ist das gleiche wie das unsrige. Da er aber Gepäck hat, wird er einen Monat nach uns in Ushuaia eintreffen. Die anderen beiden sind vor mehr als einem Jahr in Alaska gestartet und haben auch das Ziel Ushuaia. Sie werden dann eineinhalb Jahre unterwegs gewesen sein. Wir verabschieden sie in unserem Etappenziel, einem Salzhotel mitten in der Salzwüste und wünschen ihnen „feliz viaje“. Werden wir irgendwo wieder auf sie treffen? Trotz diesen endlosen Weiten in Südamerika scheint die Welt doch klein zu sein …..
In dem originellen Salzhotel ist tatsächlich fast alles aus Salz: Boden, Wände, Tische, Stühle, Skulpturen. Nur die sanitären Einrichtungen lassen sehr wünschen übrig. Es gibt kein Wasser und kein Abwasser. Und open-air-kloo ist auch nicht angesagt. Hier gibt es keinen Baum oder ein Gebüsch.
Die Salar de Uyuni birgt 50-70% der weltreichen Lithium-Reserven, welche ein wertvoller Rohstoff für die Produktion von hochwertigen Batterien sind. Sie enthält weiter Natrium, Borax und Magnesium in Cloridform. Bolivien hält weitweit die Hälfte aller Lithium-Reserven. Die große Ausdehnung, klares Wetter und die konstante Höhe von 3656 m machen die Salar außerdem zu einem idealen Objekt, um die Erdbeobachtungs-Satelliten zu kalibrieren.
Die Salar de Uyuni ist Teil des Altiplano, des Hochplateus, das durch das Hochkommen der Anden formiert wurde. Das Plateau beinhaltet sowohl frisches wie auch Salzwasser und ist umgeben von Bergen, die keine Entwässerung zulassen.
Oktober 2014 Kein Tag zum Feiern
Etappe 49 BC Meteor Crater – Bushcamp Tahua, 73 km, 509 hm, 0% Asphalt, Half Timing
regnerisch, kalt, später sonnig, warm, Gewitter,
Zu Hause ist heute Feiertag. Für mich sollte es ein Tag werden, der mich nicht in Feierlaune versetzen wird. Es beginnt nachts. Den Bauchschmerzen folgt Durchfall. Muss ein paar Mal aus dem Zelt, um neben dem Krater zu …..meine Notdurft zu verrichten. Zum ersten Mal regnet es auch gleich morgens. Wir bauen die Zelte im Regen ab. Das Stimmungsbarometer tendiert gegen Null. Nicht nur bei mir. Das Müsli zum Frühstück muss ich mehr hinunterwürgen als essen. Jetzt steht auch noch 36 km Timing an. Auf übler Waschbrettpiste. Trotz Fully beruhigt das meinen gereizten Bauch nicht. Jeder Schlag schmerzt bis in den Kopf. Aber genau der will nicht aufgeben. So schaffe ich es doch noch, als vierter zur Zeitnahme zu kommen. Ein Sieg über mich selbst. Lunch fällt für mich heute aus. Es sind immer noch 40km auf noch üblerer Piste zu überstehen. Muss nochmals ins Gebüsch. Dann gibt mir Hilde eine Immodium-Tablette. Fahre jetzt mit Hartmut. Wir leiden beide. Er wegen seinem nicht offroadtauglichen Fahrrad ohne jede Federung, ich wegen meinem Körper. Wir überstehen es beide. Irgendwann kommen wir in Tahua, unserem Etappenziel an. Zu früh, wir haben noch keine Erlaubnis für einen Campground. Wir sitzen auf der Plaza in der jetzt wärmenden Sonne. Jemand spendiert mir ein Bier. Ob mir das gut tut? Danach könnte ich auf dem groben Pflaster der Plaza einschlafen. Wir finden dann einen Campground direkt an der Salzwüste, der Salar de Uyuni. Diese gilt es morgen zu überqueren. Lasse sowohl die Suppe als auch das Abendessen aus. Habe keinen Hunger und bin auch zu müde. So lege ich mich um 15 Uhr schon in Schlafsack und schlafe mit kurzen Unterbrechungen bis zum nächsten Morgen. Auch heute ziehen wieder Gewitter auf, erreichen uns aber heute nicht.
Die Gegend hier bewirbt sich um die Ralley Dakar für 2015. Eine gute Idee. Die Strecke, die wir heute gefahren sind, erfordert wahrscheinlich auch Ralley-Piloten alles ab.
Oktober 2014 In the Middle of Nowhere
Etappe 48 Bushcamp Andamarca – Bushcamp Meteor Crater, 103 km, 538 hm, 20% Asphalt
sonnig, nachmittags wolkig, abends Gewitter
Wenn Wilbert am Abend vorher empfiehlt, breite Reifen aufzuziehen, hat das schon seinen Grund. Es geht heute 70 km offroad auf sandiger Piste. Nachdem einige weder vom Material noch von der mentalen Einstellung eine solche Tortur auf sich nehmen wollen, wird kurzfristig eine Alternativroute auf Asphalt angeboten. Insgesamt fahren wir in 3 Gruppen. Die erste ist die Speed-Offroad Gruppe mit Rob, dem Neuseeländer und Scout James, der mit Wilbert zu uns gestoßen ist, sowie James Hodges, Rien, Joost und mir. Die zweite Gruppe führt Wilbert selbst und fährt auch Offroad, aber etwas gemäßigter. Diese Gruppe umfasst 12 Teilnehmer. Der Rest fährt die längste Strecke, aber 90% auf Asphalt. Nach den ersten 11 Kilometern trennen sich die Gruppen. Wir landen gleich im sandigen Nirwana und müssen die Route erst wieder finden. Danach geht es aber flott weiter. Mein querido Burro freut sich wieder. Endlich ist er nach vielen Tagen auf topfebenem Asphalt wieder in seinem Element. Habe den Reifenluftdruck und die Federung optimal eingestellt. Es ist fast wie Achterbahnfahren, nur schöner. Dazu die einmalige Kulisse. Und immer wieder grasen neben der Straße ganze Herden von Lamas oder Vicunas. Oder kreuzen die Straße. Kein Verkehr,kein Lärm – wir sind im Herzen des Altiplanos. Nach 40 Kilometern taucht die erste Ortschaft in „the Middle of Nowhere" auf. Sie heißt Ucumasi. Gerade haben die Kinder die Schule aus. Sofort sind wir umringt von über 100 Kindern, Sie sind neugierig und in der großen Gruppe auch nicht scheu. Bald fährt James der Scout, mit 3 Kindern gleichzeitig im Dorf hin und her. Für sie ist heute Weihnachten. Sie strahlen um die Wette. Natürlich bin auch ich mit meinem Fahrrad stark umlagert. Sie wollen unbedingt mit meinem Fahrrad fahren. Erst bin ich skeptisch, dann kann ich aber ihren bittenden Blicken nicht standhalten. Der erste fährt gleich aus dem Dorf und ich habe schon Angst, dass er nicht mehr zurück kommt. Die anderen Kinder warten geduldig. Jeder will fahren. Verspreche ihnen, dass jeder drankommt. Aber nur „uno Minuto“ Sie halten sich fast dran. Originell ist das Aufsteigen auf das für sie viel zu große Fahrrad. Sie sind zwischen 7 und 9 Jahre alt. Aber Teamwork ist alles: 3 – 4 halten das Rad fest, bis der Fahrer aufgestiegen ist, ein leichter Schubs und ab geht die Post. Ich wundere mich: Kein Sturz, kein Crash, ich bekomme schlussendlich das Fahrrad heil zurück. Während sie mit meinem Fahrrad durch das Dorf hin und herfahren, spiele ich mit den anderen Fußball. Fast jeder zweite ist mit einem Ball ausgerüstet und will mit mir spielen. Meine Jonglierfähigkeit war schon besser, aber es reicht noch für bewundernde Blicke. Eigentlich wollten wir hier Lunch machen, wir kommen aber nicht dazu, etwas zu essen. Nach mehr als einer Stunde müssen wir aber weiter. Sie laufen mir bis zur Dorfgrenze hinterher. Manche muss ich 5 mal während der Fahrt abklatschen, bevor sie zufrieden sind. Nach weiteren 30 km durchfahren wir das zweite Dorf. Auch hier sind gleich wieder sehr viele Kinder auf der Straße. Die Schule liegt gleich neben der Straße. Es fällt uns auf, dass es selbst in ganz kleinen Dörfern sehr viele Kinder gibt. Auch sie sind neugierig und scheinen noch nicht viele Gringos gesehen zu haben. Und angefasst haben sie sicher noch keinen. Das wollen sie jetzt alle gleichzeitig nachholen. Immer wieder zupfen sie an den behaarten Armen. Hier machen sie zum Schluß noch ein Wettrennen neben dem Fahrrad her. Es ist inzwischen wieder später Nachmittag und es türmen sich wieder dunkle Gewitterwolken auf. Wir erreichen das Etappenziel - eine kleine Siedlung am Meteor Crater. Hier scheint vor einiger Zeit ein Meteorit eingeschlagen zu haben. Dieser Krater mit einem Durchmesser von ca. 500 m hat an seiner tiefsten Stelle einen kleinen See. Ich schlage mein Zelt unmittelbar am Rand auf. Gerade noch rechtzeitig, bevor ein heftiges Gewitter einsetzt mit Hagel, Regen, Sturm, Blitz und Donner. Gottseidank haben unsere Organisatoren wieder ein leerstehendes Haus für die Suppe und das Abendessen organisiert. Von dort aus beobachten wir das Gewitter hinter dem Krater in den angrenzenden Bergen. Es blitzt in Sekundenabständen. Die Blitze sind sichtbar bis zur Erdoberfläche. Anderntags erfahren wir, dass eine Frau von einem Blitz erschlagen wurde. Lege mich mit mulmigem Bauch in den Schlafsack.
1. Oktober 2014 Vorgeschmack auf die Salzwüste
Etappe 47 Oruro – Bushcamp Andamarca, 122 km, 242 hm, 95% Asphalt, no Timing
Wilbert scheint recht zu behalten. Mit ihm kehrt die Sonne zurück. Strahlend blauer Himmel über uns bei unserem Start zu dieser Etappe. Nur kurz sind wir dem Stadtverkehr ausgesetzt, dann geht es auf einer kaum befahrenen Straße an dem Lago Uru Uru vorbei. Die Straße ist topfeben und gut ausgebaut. Anscheinend wohnen die Eltern von dem bolivianischen Präsidenten Evo Morales hier in der Gegend. Gibt es deshalb so viele neue Straßen hier? Nahezu 100 km lang ist die Baustelle des Straßenneubaus. Nur für ca. 10 km müssen wir auf eine provisorische Straße ausweichen. Eigentlich sollte bei km 60 der Lunchstop sein. Doch unser Truckfahrer Walter hat in Oruro mit einem auf dem Dach befestigten Fahrrad eine Telefonleitung abgerissen. Zufällig hat dies eine Polizistin gesehen. Er wurde erst mal festgesetzt und dann zu einer Reparaturleistung von 60 Bolivianos ( ca. 6 €) verdonnert. Wir richten in der einzigen Ortschaft, die wir durchfahren, selbst einen provisorischen Lunchstop ein. Danach geht es in flottem Tempo durch eine wüstenartige Landschaft. Teils ist sie auch links und rechts der Straße von Salz überzogen. Immer wieder tauchen an der der Straße Lamaherden auf. Am Ortsbeginn von Andamarca haben Maria und Robert ein geniales Camp organisiert. Sie haben von den Ortsvorstehern die Zusage erhalten, dass wir ein stillgelegtes Internatsgebäude benutzen dürfen. Dort finden wir großzügige Räume vor. Sowohl für das Abendessen wie auch als Nachtlager ist es hervorragend geeignet. Wie wertvoll diese Zusage ist, zeigt sich in den nächsten Stunden, als wieder ein schweres Gewitter aufzieht. Einige ziehen sofort um in die Räume. Ich bleibe im Zelt. Beim Schreiben dieses Berichts im Zelt bin ich auf einmal mitten im Gewitter. Es blitzt und donnert so stark, dass mir die Ohren weh tun. Schnell flüchte ich in die Unterkunft. Es ist ein ähnlich schweres Gewitter wie vorgestern, nur der Wind ist nicht so heftig. Dafür hagelt es aber kurzzeitig.Der Orttsvorsteher besucht uns noch in unserem Lager und lädt uns zu einem Empfang um 20 Uhr im Dorf ein.Eigentlich wollte ich unbedingt hingehen, doch der Regen prasselt gegen das Zeltdach und ich ziehe es vor, mich im Schlafsack zu verziehen.
Sept 2014 Und wieder einmal Horizontbiken
Etappe 46 – Bushcamp Lahuachaca - Oruro, 99 km, 354 hm, 100% Asphalt, no Timing
sonnig, warm, Rückenwind
Und er hatte recht behalten, unser guter Max. Die Sonne scheint schon,als ich einen ersten Blick aus dem Zelt werfe. Das Frühstück in der Schule ist dann fast schon Geschichtsträchtig. Die Schüler fangen mit ihrem Unterricht eine Stunde später an. Da haben wir alles schon wieder in Ordnung gebracht. Die Schulbänke wieder zurechtgerückt und alle Essensspuren beseitigt. Neugierig umringen uns die Schüler. Wahrscheinlich wird ihnen ihr Lehrer von unserem Unternehmen berichtet haben. Da ließe sich ja ein toller ganzheitlicher Unterricht darüber entwickeln.... denke ich als ehemaliger Lehrer.
Die Fahrt gestaltet sich dann langweilig, aber dafür kurz. Es geht weiter auf der halb fertiggestellten S 1. Kilometerlange gerade, frisch asphaltiert Straße, für den Verkehr gesperrt, für uns aber eine breite Fahrradstraße, topfeben, mit Rückenwind, ermöglicht uns einen Schnitt von über 30 km/h. So sind wir schon um 12 Uhr in Oruro. Dank meinem wieder funktionieremdem Garmin finden wir das Hotel relativ schnell. Wir genießen nochmals die Voerteile der Zivilisation. Das ist auch gut so. Die nächsten 3 Nächte werden wir wieder im Bushcamp verbringen. Bei hoffentlich besserem Wetter. Das verspricht uns diesmal Wilbert, der gerade wieder zu uns gestossen ist und uns die nächsten Tage begleiten wird. Er verspricht uns, die Sonne zurück zu bringen. Hoffentlich wird auch er Recht behalten …......
September 2014 Wettrennen gegen das Gewitter
Etappe 45 LaPaz – Bushcamp – Lahuachaca, 135 km, 835 hm, 100% Asphalt, no Timing
kalt, wolkig, Gewitter
Es ist nirgends – auch nicht in Europa – ein Vergnügen, aus der Innenstadt einer 2-Millionenmetropole mit dem Fahrrad herauszufahren. Aber LaPaz mit dem Fahrrad zu entkommen, ist etwas ganz Spezielles. Und das spielt sich dann so ab: Slalom fahren in den schmalen Gassen mit regennassem, schmierigem Kopfsteinpflaster und Gefällen von über 20%, danach auf der Standspur der Schnellstrasse 450 hm berggauf in den Dieselabgaswolken der Busse und Lastwagen, erneutes Slalomfahren auf der 4spurigen Sttasse durch ElAlto, dabei ein Auge auf dem GPS und 3 Augen auf dem Verkehr, um schließlich nach insgesamt 2 Stunden noch durch das wilde, geschäftige Treiben eines Marktes endlich alle Häuserzeilen hinter sich zu lassen. Bis dahin bin ich allein. Stoße jetzt auf Hartmut, der wieder einmal seine Kamera gezückt hat, um während dem Fahren auch noch diesen blanken Wahnsinn festzuhalten. Beinahe hätte ihn noch einer vom Rad geholt, der ohne Rücksicht ihm die Vorfahrt nahm. Wir fahren jetzt auf der S1. Diese Schnellstraße wird derzeit auf über 250 km 4spurig ausgebaut. Zwei Fahrbahnen sind meist fertiggestellt und für den Verkehr freigegeben, zwei sind meist auch fertig, aber für den Verkehr noch nicht freigegeben. Nachdem uns ein Bus abgedrängt hat, nehmen wir fortan die noch gesperrte Straße. Und das ist ein gute Entscheidung. Wir können jetzt auf einer 6-8 m breiten, frisch asphaltierten Straße nebeneinander herfahren, ohne Stress zu haben. Nur noch kurze, leichte Steigungen sind zu überwinden. Wir kommen flott voran. Das ist auch gut so. Rechts hinter uns sehen wir dunkle Wolken, sehen Blitze, hören Donner. Und der Wind kommt genau aus dieser Richtung. Wir geben Gas. Es fängt an zu tröpfeln, dann zu regnen. Wir überlegen, die Regenkleidung anzulegen. Fahren nochmals weiter. Dann legen wir sie doch an. Es sind nur noch 7 km. Werden wir einigermaßen trocken ankommen und unser Zelt aufstellen können? Es ist keine Fata Morgana, schon bald taucht rechts von uns auf einem Sportplatz am Rande eines Dorfes unser roter Truck auf. Schnell ist das Zelt aufgestellt. Bin gerade fertig, da fängt es auch schon an zu regnen. Das war knapp. Was ist mit den anderen, die hinter uns waren? Vor uns war eigentlich nur James. Habe mich kaum im Schlafsack liegend entspannt, beginnt es zu stürmen. Der Sturm wird immer heftiger. Wird mein Zelt halten? Oder wird es mir um die Ohren fliegen? Mir fällt ein, dass ich noch mein Fahrrad auf dem Sammelplatz habe. Muss es wohl oder übel holen. Es bläst mich schier um, kann kaum in die Richtung laufen, in die ich eigentlich sollte. Aber ich schaffe es. Alle scheinen im Zelt zu sein. Sehe niemanden. Wie soll das mit dem Abendessen klappen? Aber unser Organisationsteam ist auf Zack. Robert und sein Begleiterin Maria, beide muttersprachig Spanisch sprechend, schaffen es irgendwie, dass wir in der Schule Abendessen dürfen und auch am anderen Morgen frühstücken. Zum wiedermal hervorragendem Dinner von Ellen gibt es sogar Rotwein und langsam bessert sich die Weltunter-gangsstimmung. Als dann unser Computerfreak Max Hopper für morgen gutes, warmes Wetter mit Rückenwind verspricht, kehrt sich die Stimmung ins Positive um.
Wird er recht behalten? Der Wind hat wieder nachgelassen, dafür regnet es nachts wieder.
28. September 2014 Ruhetag in LaPaz
Der Tag auf der Death Road hatte doch ganz schön Substanz gekostet. Die enormen Höhenunterschiede hatten ihre Spuren hinterlassen. Der Schlaf war daher tief und ergiebig. Hardy ging mit einigen anderen Teilnehmern ins Stadion, wo LaPaz ein Heimspiel in der 1. bolivianischen Liga hatte. Ich zog jedoch die Körperpflege und das Relaxen vor. Auch ein längeres Telefongespräch mit Brigitte und das aktualisieren der Berichte war einmal ganz ohne Stress möglich. Während des Mittagessens im Schweizer Lokal, in dem ich gute Rösti und einen sehr guten Kaffee genoss, konnte ich durch gutes WiFi meine Berichte und Bilder absetzen. Ein sehr gutes Abendessen mit grandiosem Salatbuffet in einem bolivianischen Restaurant rundete diesen erholsamen Tag ab. Jürg, unser Schweizer Teilnehmer hatte dieses Lokal mal wieder mal ausfindig gemacht
September 2014 Death Road
Eigentlich ist heute der erste von zwei Ruhetagen in LaPaz. Auf Wunsch vieler Teilnehmer hat Terry aber das Bike-Abenteuer „Death Road“ organisiert. Insgesamt 22 von uns, also mehr als die Hälfte will die legendäre, gefährlichste Piste der Welt mit dem Mountainbike fahren. Es soll eines der Highlights an den nicht wenigen Erlebnissen des Andentrails werden.
Wir starten um 8 Uhr mit zwei Kleinbussen zum LaCumbre-Pass auf 4650 m Höhe. Unser Guide Gilbert stimmt uns schon während der einstündigen Anfahrt auf das Unternehmen ein. Je höher wir mit dem klapprigen Bus kommen, desto kälter wird es und auf Passhöhe empfängt uns Schnee. Wir starten daher etwas tiefer bei 4350 m. Eingehüllt in Nebelschwaden mit zeitweiligem Schneeregen übergibt uns Gilbert die Räder mit einer Kurzanleitung. Es sind durchwegs einigermaßen technisch ordentliche Fullys. Und das Wichtigste: Die Scheibenbremsen funktionieren. Auf die müssen wir uns die nächsten vier Stunden verlassen können. Auch spezielle warme, wasserdichte Kleidung und Helm bekommen wir. Wie wasserdicht und warm die Kleidung ist bzw. nicht ist, stellen wir gleich im ersten Teil fest. In dichtem Regen und schlechter Sicht geht es die ersten 17 km auf Asphalt bergab. Jetzt würde das einzige,etwa 8 km lange Stück kommen, wo es leicht bergauf geht und man kurbeln muss. Da alle ziemlich durchgefroren sind, verladen wir die Räder auf die Kleinbusse und legen diese Strecke im Bus zurück. Danach beginnt der etwa 40 km lange und 2400 Höhenmeter in die Tiefe gehende eigentliche Teil der „Death Road“. Es ist kaum vorstellbar, dass auf dieser Piste einmal der ganze Verkehr aus dem Amazonasbecken nach Nordbolivien rollte, einschließlich des Bus- nd Lastverkehrs. Die Straße ist teilweise nur 3 m breit. Nach Regenfällen wird sie zur Schlammpiste. An vielen Stellen gibt es keine Ausweichmöglichkeiten. Auf der einen Seite ist steil aufragender Fels, auf der anderen Seite geht es tausend Meter in den Abgrund. Bis zur Fertigstellung einer neuen Trasse im Jahr 2006 gab es hier jährlich zwischen 200 und 300 Tote. Kreuze und Mahnmale erinnern an vielen Stellen an diese Tragödien. Heute wickelt sich der Hauptverkehr auf der neuen Trasse ab. Jetzt begegnet man nur noch Baustellenfahrzeugen oder Abenteurern. Trotzdem ist natürlich äußerste Vorsicht geboten. Es gelten auf dieser Strecke eigene Regeln. So ist hier Linksverkehr vorgeschrieben, damit der Fahrer eine bessere Sicht über das äußere Rad hat. Außerdem hat der Bergfahrende immer Vorfahrt. Auch wir werden über diese besonderen Regeln instruiert. Das umzusetzen ist gar nicht so einfach. Die ganze Strecke führt so am Berghang entlang, dass immer die linke Seite die Abgrundseite ist. Da weicht man automatisch etwas weiter zur Mitte - wenn die Piste es vom Untergrund her zulässt.
Eine weitere Extreme stellen die Witterungsbedingungen auf dieser Strecke dar. Während man oben im ersten Teil mit Schnee oder Eis rechnen muss, braucht man unten im Dschungel Moskitoschutz und Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor. Man durchfährt praktisch auf dieser Strecke alle Jahreszeiten. Wenn man schnell unterwegs ist, schafft man es in drei Stunden, wenn man sich Zeit lässt wird man 5 Stunden unterwegs sein.
Wir sind alle heil unten angekommen und genießen jetzt die wärmende Sonne, die auch unsere Kleidung schnell wieder trocknet. Die vom Veranstalter zur Verfügung gestellte Radkleidung haben wir inzwischen abgelegt. Sie ist bis zur Unkenntlichkeit verdreckt.
Einige von uns haben noch nicht genug vom Nervenkitzel. Sie schweben noch per „Sipline“ in3Stationen über das Tal.
.In einer urigen Dschungelstation gibt es noch Lunch, bevor es in einer fast 4stündigen Fahrt zurück nach LaPaz geht. Trotz wenig komfortabler 4stündiger Rückfahrt übermannt die meisten die Müdigkeit. Erst die mit der Ortsgrenze von LaPaz wieder zu „überschaukelnde“ Temposchwellen bringen sie in die Realität zurück. Ich selbst werde jetzt den Bettschlaf bevorzugen
September 2014 Horizontbiken nach LaPaz
Etappe 44 Hotel Inka Utumi – La Paz, 86 km, 532 hm, 100% Asphalt, No Timing
sonnig, nicht sehr warm, kein Wind
Ein Wort, oder sind es zwei ist heute morgen in aller Munde: LaPaz. Dieser markante Punkt auf unserem Trail ist heute unser Etappenziel. Wir fahren eine Stunde später weg von unserem tollen Hotel. So können wir noch einmal ohne Zeitdruck ein gutes Frühstück mit Sicht auf den Titicacasee genießen. Die ersten 15 km geht es nochmals flach am Titicacasee erntlang. Dann haben wir sein südlichestes Ufer erreicht. Fast 4 Tage hat uns dieser See in sienen Bann gezogen. Es geht flach mit ganz leichter Steigung weiter. Schnurgerade zieht sich die Straße bis zum Horizont. Links von uns rücken immer mehr die schneebedeckten Berge der bolivianischen Anden näher. Und je näher wir dieser Millionenstadt kommen, desto stärker wird der Verkehr. Die letzten 15 km fahren wir Slalom im Kolonnenverkehr. In El Alto sind wir noch bei knapp 4100 m Höhe. Dann geht es in einem 15 km Downhill hinunter nach LaPaz. Am Beginn der Abfahrt sit nochmals ein Aussichtspunkt, von dem man hinunterschauen kann auf diese gigantische Stadt, die praktisch in einem Canyon liegt und über 2 Millionen Einwohner hat. Über uns fährt eine Kabinenbahn in die Stadt hinunter und herauf. Vor dem Downhill wurden wir von Rob mehrmals gewarnt. Die letzten Jahren sind hier immer Teilnehmer verunglückt, weil die Schnellstrasse in einem verheerenden Zustand ist.Schlaglöcher, Rinnen, Falten und Steine wechseln sich ab und es ist erhöhte Aufmerksamkeit geboten. Es passiert gottseidank nichts. Rob atmet auf, als er alle unversehrt im Hotel inmitten der Stadt sieht. Das Hotel ist basic, Internet ist Fehlanzeige. So gehe ich gleich mit Hartmut auf Suche an WiFi. Es ist sehr anstrengend, in der Stadt zu spazieren. Weniger der Lärm, das bunte Treiben auf den Märkten ist anstrengend, sondern es gibt praktisch keine waagrechten Straßen. Alle Straßen gehen entweder steil nach oben oder steil nach unten. Auch trainierte Radfahrer sind da gleich außer Atem. Wir finden auf Rat von Jürg ein tolles Schweizer Restaurant mit WiFi, super Kaffee und Ruebleskuchen. Hier schreibe ich gerade meinen Bericht.
Morgen wird es mir nicht möglich sein, einen Bericht zu schreiben, da wir den ganzen Tag auf der „Death Road“ oder „Yungay Road“ oder „Camino muerte“, der legendären, einst gefährlichsten Straße der Welt sein werden. Übermorgen werde ich euch darüber berichten.
September 2014 Und überall der Titicacasse
Etappe 43 Copacabana – Hotel Inca utumi, 69 km, 845 hm, 100% Asphalt, no Timing
sonnig, kein Wind
Das hätte ich wirklich nicht gedacht. Heute morgen in Copacobana: Abwassergestank, Hundekot, Abfallberge.Haben wir hier in Bolivien unsere Komfortzone weiter einzuschränken?.
Jetzt, 6 Stunden später sitze ich auf der Terrasse eines 5-Sterne-Hotels, habe gerade Bad und Toilette eines guten europäischen Standards genossen, habe Blick auf den Titicacasee und die dahinter aufragenden bolivianischen 6000er. Es ist sonnig und warm, Badewetter, Urlaubsfeeling. Ein Tag wie im Bilderbuch. Und was lag zwischen heute morgen und jetzt? Zuerst ein Anstieg von 500 hm auf eine Höhe von 4300 m. Kaum Verkehr, gute Straße. Keine Häuser, keine Siedlungen. Absolute Ruhe, nur das Summen der Reifen ist an diesem sonnig-kalten Morgen in den bolivianischen Anden zu hören, hoch über dem Titicacasee. Fahre wieder mal allein. Eigentlich müsste der See jetzt hinter mir liegen. Auf der Passhöhe sehe ich aber, dass er auch vor mir liegt. Und so geht es dann über 60 km auch weiter: Mal taucht der See vorne, mal rechts, mal links und einmal sogar rechts und links gleichzeitig auf. Und dahinter ragen die schneebedeckten Berge auf. Mal fahren wir direkt neben dem See, mal 150 m über dem See entlang. Über einen Seitenarm müssen wir ein Boot benutzen. Es ist wie eine norwegische Fjordlandschaft. Nach dem Lunchstop fahre ich mit Hartmut zusammen. Immer wieder legen wir Fotostopps ein und philosophieren über die Landwirtschaft in dieser Region, angeregt durch die jetzt wieder auffallend vielen angebauten landwirtschaftlichen Flächen und der links und rechts neben der Straße weidenden Tiere. Hier gibt es kein Mastbetrieb, keine Massentierhaltung. Es ist das uns schon vertraute Bild: Meist Frauen bewachen ihre Viehherden, bestehend aus Kühen, Schafen, Ziegen, Eseln und Schweinen. Wir sehen hier viele fette Schweine, manchmal frei laufend oder an einem kurzen Strick angebunden. Und ganz sicher sind sie auch chemiefrei.
Schon vor 12 Uhr erreichen wir das beschriebene Hotel. Da die Zimmer noch nicht hergerichtet sind, genießen wir die Suppe mit einem Picknick direkt am See. Als Nachtisch gibt es noch eine fette Torte anlässlich des Geburtstages von Brigitt. Danach ist Relaxing auf der Terrasse oder direkt am See angesagt.
La Sena in Peru
Abendessen in Puno. Ein Restaurant neben dem Anderen. Es könnte auch Huancayo, Abancay, Huanuco oder Cusco sein. Schilder auf der Straße preisen es an: Pollios, Chaufas, Lomos, Pizzas, Pescados, die Auswahl ist groß. Ich entscheide mit für ein kleines Restaurant. Nach dem Besuch der „floating Islands“ habe ich Hunger. Hunger auf Panqueque und Papas fritas. Pfannkuchen mit Bananen und Pommes frites. Habe mich darauf „eingegessen.“ Die meisten Peruaner essen Sopa und ein Gericht mit Arroz (Reis) An meinen kleinen Tisch setzt sich mit einem Buenos tardes ein Peruaner. Bevor er richtig sitzt, hat er eine Sopa auf dem Tisch. Er setzt sich so, dass er auf den Fernseher sieht. Alle setzen sich so, dass sie auf den Fernseher sehen. Fast jeden Abend die gleiche Show: Muskelmänner und Muskelfrauen kämpfen gegeneinander. Wer ist der kräftigste, ausdauerndste, geschicklichste? Etwas flacher das Ganze als „Wetten dass“. Ja das geht. Viel flacher. Sie sind alle fasziniert. Spüren sie eigentlich, dass sie Suppe essen? Da kommt ein etwas alternativ aussehender Mann mit längerem ungepflegtem Aussehen und einer Gitarre zur Tür herein. Er packt das Instrument aus. Mindestens 50 Isolierbänder halten den Klangcorpus der Gitarre zusammen. Er legt los. Spielt zwei Superlieder. Einwandfreier Gesang mit toller Stimme, die lädierte Gitarre ohne Misstöne. Hört außer mir jemand zu? Seine Stimme und die Musik der Gitarre kämpfen gegen das schrille Anfeuern in der Fernsehshow. Zwei Lieder nur – leider. Dann geht er mit dem Hut herum. Ohne den Blick vom Fernseher zu nehmen, schmeißen sie eine Münze rein. Ein Mann braucht etwas länger. Geduldig wartet der Gitarrenspieler, bis er auch von ihm eine Münze bekommt. Ich werfe 3 Soles rein mit der Bemerkung „Bueno, mucho bueno“. Er zieht die Augenbrauen hoch und ein leichtes Lächeln huscht über sein Gesicht. Tatsächlich hat jemand von seiner Anwesenheit und seiner Musik Notiz genommen. Er verschwindet so schnell, wie er gekommen ist, während die Menschen immer noch gebannt auf den Bildschirm schauen.
Der Pfannkuchen mit den Bananen war übrigns sehr gut. Genauso wie die Pommes frites. Die sind handgemacht. Nicht mit der Maschine auf 6 oder 9 mm Vierkant getrimmt. Einfach von Hand aus einer der vielen schmackhaften Kartoffelsorten geschnitten. Und dazu einen halben Liter Cusquena Cervesa. Herz, was begehrst du mehr ?
In den letzten 4 Tagen seit dem Ruhetag in Cusco haben wir 560 km zurückgelegt. Wir haben also richtig Strecke gemacht. Mit Bolivien sind wir jetzt im 3. von insgesamt 5 Ländern, die wir auf diesem Trail durchradeln werden. Es hat sich an der Grenze nicht viel geändert. Nur die Uhr haben wir eine Stunde vorgestellt. Nachdem wir uns immer mehr vom Äquator entfernen, müssten eigentlich die Tage länger werden. Wir spüren aber noch nichts davon. Es wird nach wie vor gegen 18 Uhr dunkel. Nur morgens macht es sich bemerkbar. Bereits um 5.30 Uhr ist es hell.
Es ist der Zeitpunkt, um auf die 4 Wochen Peru zurück zu blicken. Dem anfänglichen Schock sind mehr und mehr die tollen Seiten dieses Landes gewichen. Unbeschreibliche Landschaften und unglaubliche Gastfreundchaft und Hilfsbereitschaft bleiben in Erinnerung. Ein Land, in dem die Menschen keinen Hunger mehr leiden müssen. Aber ein Land, in dem die Menschen hungrig sind nach Bildung und Fortschritt und trotzdem ihre Traditionen bewahren wollen.
Von Copacabana aus gehen Schiffe nach Sun Island , wo weitere Inka-Ruinen zu bewundern sind. Wir werden heute mittag die kleinere Variante wählen und den Kalvarienberg besteigen, von dem man eine tolle Aussicht über den Titicacasee hat. Und die sehenswerte Kirche besichtigen. Copacabana gilt ja als 2000jähriger Wallfahrtsort.
September 2014 Peru ade – Bolivien juchee?
Etappe 42 Puno – Copacabana, 145 km, 723 hm, 100% Asphalt, half Timing
sonnig warm, teils Rückenwind, teils Gegenwind
Ein Polizeifahrzeug führt uns aus der Stadt Puno. Mit Sirenengeheul fahren sie vor uns her. Wir haben Vorfahrt. Alle haben uns passieren zu lassen. Bin heute gleich vorne mit James, Joost und Frans. Fahren die ersten 20 km in stetigem Positionswechsel hinter dem Polizeifahrzeug her . Frans muss an einer Steigung dann abreißen lassen. Zu dritt geht es mit einem mehr als 30er Schnitt entlang des Titicacasees. Wir sind einemultinationale Truppe: Ein Amerikaner, ein Holländer, ein Deutscher. Bei Steigungen bin ich vorne, bei Abfahrten James, der mit seinem Triathlonlenker natürlich Vorteile hat. Nach langer Führungsarbeit muss ich nach zirka 64 km abreißen lassen, James ist mir zu schnell. Joost kann ihm folgen. So werde ich nach 68 km beim Lunchstop mit 2 Minuten Rückstand nur Dritter. Es hinterlässt bei mir einen bitteren Beigeschmack. Das war nicht ganz fair. Was solls. Es werden noch mehrere Etappen folgen bis Ushuaia. Werde mir eine neue Taktik zurechtlegen müssen.
Nach der Zeitnahme und dem Lunch ist eigentlich gemütliches Weiterrollen angesagt. Nichts davon ist zu spüren. Barry, der Australier, schließt bei einem Fotostop auf und jetzt jagen wir zu viert der bolivianischen Grenze entgegen. Nur selten haben wir einen Blick übrig für den See und die dahinter aufragenden Berge. Die Grenzabfertigung ist problemlos. Die Grenzbeamten machen noch Fotos von uns für ihr Privatalbum. Ich bin froh, dass sie keine Impfbescheinigung gegen Gelbfieber sehen wollen. Die hätte ich ihnen nicht zeigen können....
Nach zehn weiteren Kilometern erreichen wir den Etappenort Copacabana am Titicacasee. Es ist ein zweitausendjähriger Wallfahrtsort und auch Ausgangspunkt für Schifffahrten zu den Inkastätten auf mehreren Inseln im Titicacasee. Ein Hotel direkt am See mit Blick auf das Wasser verspricht einen
schönen Ruhetag.
Gedanken unter der dünnen Haut des Zeltdaches
Auf dem Altiplano. In 3800 m Höhe, 3600 km von Quito, 8400 km von Ushuaia entfernt. Im Zelt. Regen prasselt gegen das Dach. Bruce Springsteen im Ohr. Ein Blitz. Oder war es die Stirnlampe des Zeltnachbars? Nein, ein von der Bergwand abprallender Donner bestätigt es. Es ist ein Gewitter. Ich ordne meine Gedanken. Bekomme fast vor mir selbst Angst. 160 km über einen Pass, 1200 hm Anstieg, 80% in Alleinfahrt, unter 6 Stunden. Keine Ermüdungserscheinungen. Die Beine arbeiten selbstständig. Keine Schmerzen. Die Lungen hecheln nach Sauerstoff. Bekomme nicht immer genug. Irgenwie geht es trotzdem. Die Begegnung am Pass mit dem peruanischen Jungen. Keiner weiß, woher er kam. Keine Eltern. Wahrscheinlich angezogen von der Neugier. Ein roter Truck, ähnlich einem Feuerwehrauto hat ihn interessiert. Geht er schon zur Schule? Ich glaube nicht. Hellwach merkt er, dass ich meine Flasche auf dem Tisch am Lunchtruck habe stehen lassen. Er spricht spanisch. Ich verstehe fast nichts. Ich spreche Deutsch und weiss, dass er mich nicht verstehen wird. Immer wieder sucht er meine blauen Augen und ist fasziniert. Hat er noch nie gesehen.Wir verstehen uns prächtig. Die Zeit eilt. Ich bin im Rennfieber. Lasse ihn trotzdem auf das Rad sitzen und schiebe ihn eine Runde. Setze ihm meine Sonnenbrille und Helm auf und er strahlt über sein kindliches Gesicht. Er ist mächtig stolz. Ich muss weiter. Er will mich nicht gehen lassen. Adios, ich winke zum Abschied. Er winkt traurig zurück. Ich bin froh, wenigstens ein paar Bilder von ihm mitnehmen zu können.......
Ich ordne meine Gedanken weiter. Die Begegnung mit Roger vor ein paar Tagen im Bikeshop von Cusco war genauso tiefgehend.
Die Landschaft hier ist unbeschreiblich. Das ganz Besondere sind jedoch die menschlichen Kontakte. Werden weitere folgen? Es wäre schön.
September 2014 Die rasante Fahrt auf den Altiplano
Etappe 40 Bushcamp Raqchi Ruins – Bushcamp Pucara, 159 km, 1228 hm, Full timing
bewölkt, warm, teils Rückenwind, teils Gegenwind
Trotz schlechtem Schlaf spüre ich schnell, dass die Beine heute gut sind. Das ist auch gut so, denn heute ist wieder einmal „Full Timing“ angesagt. Außerdem ist es die längste Strecke einer Etappe, die wir zurückgelegt haben. Wieder mal als einer der letzten gestartet, habe ich bald einige Grüppchen eingeholt. Da fährt Lucho, unser kleiner peruanischer Kletterkünstler an mir vorbei, Ich überlege kurz, dann jage ich ihm hinterher und bald bin ich in seinem Windschatten. Es geht 60 km bergauf, nicht steil, aber stetig. Wir wechseln uns ab in der Führung und kommen flott voran. Für die ersten 30 km benötigen wir genau eine Stunde. Die Steigung nimmt etwas zu und ich merke, dass Lucho kaum noch Führungsarbeit machen kann. Aber er kämpft sich jedes mal wieder heran und entlastet mich immer kürzer. Die letzten Kilometer zum Pass, wo gleichzeitig Lunchstop ist, lege ich allein zurück. Komme dort als zweiter an. James fährt gerade vom Lunchstop weg, Ihm kommt diese Strecke natürlich entgegen,.Beim Lunchstop ist ein kleiner peruanischer Junge. Kein Mensch weiß, woher er kommt. Er will gleich mein Rad halten und meine Sonnenbrille aufsetzen. Setze ihm noch zusätzlich den Helm auf und mache ein Foto von ihm. Er ist gleich begeistert wie ich. Als ich wieder wegfahren will, macht er mich darauf aufmerksam, dass meine Flasche noch auf dem Tisch steht. So habe ich es seiner Aufmerksamkeit zu verdanken, dass ich für die nächsten 100 km genug zu trinken habe. Auf der Passhöhe von 4338 m zeigt noch einmal ein Gletscher in unmittelbarer Nähe seine Zunge. Lucho braucht beim Lunchstop eine längere Pause. Ich fahre allein weiter, weil ich weiß, was er für ein wilder Downhiller ist. Aber er kann nicht mehr aufschließen. Ich bin jetzt für die nächsten 100 km ganz allein auf dieser Hochebene. Die Anden weichen immer weiter zurück und werden flacher. Ich bin jetzt auf dem Altiplano. Auf dem werden wir uns die nächsten vier Wochen, überwiegend in Bolivien, bewegen. Immer öfters geht die Straße schnurgerade bis zum Horizont, und das Spiel beginnt wieder von neuem. Fahre immer im größten oder zweitgrößten Gang und schaue, dass ich Zug auf der Kette habe.
So treffe schon vor 13.30 Uhr als Zweiter im Bushcamp ein. Knapp eine Stunde später kommt Lucho und die anderen Verfolger.
Baue gleich das Zelt auf. Wir sind immer noch auf einer Höhe von knapp 3900 m. Darum könnte es wieder eine frostige Nacht im Zelt geben und ich werde wieder auf die Schafwolldecke von Brigitte zurückgreifen müssen.
September 2014 Eine Kaffeefahrt
Etappe 39 Cusco – Raqchi Ruins Bushcamp, 121 km,1086 hm, no timing
sonnig warm, Rückenwind
Die drei Tage in Cusco sind zu schnell vergangen.Es hätte noch vieles angescxhaut werden können. Bei der Abfahrt drehen wir morgens noch eine Ehrenrunde um den Plaza de Armas. Die Lokalzeitung will einen Bericht üver uns schreiben und auch Fotos veröffentlichen. Dazu stellen wir uns gerne nochmals vor der Kathedrale auf. Danach kämpfen wir uns durch dichten Verkehr aus der Großstadt Cusco. Erst nach ca. 20 km wird die Fahrt ruhiger.Zum ersten mal kommt es zu einem nennenswerten Unfall. Hermann, ein Holländer, der neu dazu gekommen ist, stürzt und muß ärztlich behandelt werden. Er wird ins Krankenhaus transport, um eine Röntgenaufnahme der Schulter zu machen. Es stellt sich heraus, dass nichts gebrochen ist und er steigt sofort wieder aufs Rad und fährt die Etappe weiter.
Auf gut asphaltierter Straße mit gutem Seitenstreifen geht es einem Fluss entlang langsam steigend Richtung Raqchi. Fahre ab dem Lunch mit Hartmut Bögel. Es tut gut, mit einem Landsmann mal wieder schwäbisch schwätze zu können und der einen auch noch versteht. Er erzählt mir von seinen vielen spektakulären Radreisen, ohne im geringsten damit zu prahlen. Ich erzähle ihm von meiner sportlichen Vergangenheit und dann sind wir auch schon beim Hauptthema Fußball. Als Fußballverrückter ist er ja von zu Hause in 11 Tagen mit vollem Gepäck nach Madrid geradelt, von dort nach Brasilien geflogen und zwei Spiele der deutschen Mannschaft mit dem Fahrrad besucht. Nun haben die Spielorte ja nicht unbedingt nebeneinander gelegen, sondern waren tausende von Kilometern entfernt. Wir unterhalten uns, meist sitzend, wie bei einer Kaffeefahrt und merken nicht wie die Zeit vergeht und die Straße ansteigt. Er hat schon 11 000 Kilometer bis heute in den Waden und das zeigt sich auch. Jetzt auch noch ohne Gepäck radelnd kann er sich locker unterhalten, obwohl wir ein flottes Tempo vorlegen
Das Bushcamp ist auf einer flachen Wiese direkt neben einem Fußballplatz. Es ist wie zuhause: Die örtlichen Jugendlichen spielen bis zur Dunkelheit. Wir besuchen vor dem Dinner noch die sehenswerten Inka- Ruinen.
September 2014 Ruhetag in Cusco
Nach der anstrengenden Reise nach Machu Picchu war erst mal ausschlafen angesagt. Dann die üblichen Dinge wie Wäsche waschen (lassen) und Radinspektion. Dabei brach mir beim Belagwechsel der Schraubenkopf ab. Ersatzschraube Fehlanzeige. Hatte sowieso vor, bei dem Radgeschäft vorbei zu schauen, da es ein Specialized- Vertragshändler ist. Lucho, unser Mechaniker begleitete mich mit dem Fahrrad. In peruanischer Manier bahnten wir uns den Weg durch die Innenstadt von Cusco. Wir hatten praktisch immer Vorfahrt. Lucho kannte den Besitzer. Er ist 5maliger peruanischer Meister im Mountainbike CrossCountry. Er hatte die Schraube zwar nicht vorrätig. Ein kurzer Anruf auf dem Handy, dann kam ein Junge, nahm die Schraube mit wegen der Größe und ca. 20 Minuten später war er mit der passenden Schraube wieder da. Das ist die peruansiche Mentalität: Was nicht da ist, wird gemacht oder besorgt. Irgendwo ist ein Freund, der weiterhilft. In Deutschland hätte ich ca. 5 Tage auf die Schraube gewartet.
In der Zwischenzeit kam ich ins Gespräch mit einem Kunden, der die gleichen MTB-Schuhe kaufen wollte, die ich auf der Tour trage, den Specialized Rime. Es stellte sich heraus, das er sehr gut Deutsch sprach, da er mehrere Jahre in der Schweiz arbeitete. Es ergab sich ein interessantes Gespräch. Roger Valencia Espinoza ist nicht nur passionierter Radfahrer, sondern auch Präsident der regionalen Tourismuskammer Cusco. Als er von unserem Trail hörte, war er sofort hellwach. Er erzählte mir, dass er im letzten Jahr eine Tour von Lima nach Cusco über mehr als 1000 km gemacht hat. Vielleicht führt dieser Kontakt zu gemeinsamen weiteren radsportorientierten Unternehmungen. Er scheint ein sehr seriöser Ansprechpartner zu sein. Ich versprach ihm, ihn auf meiner Reise auf dem Laufenden zu halten.
Ein zweites positives Erlebnis hatte ich beim Wäsche abholen. Eigentlich hätte ich sie erst morgen abholen können. Ich erklärte der Frau aber, das sei zu spät, da wir da schon wieder wegfahren würden. Sie erklärte mir, dass ich die Wäsche in einem Hostal Europa abends um acht abholen könne. Aber dieses Hostal war nicht zu finden. In einem anderen Hostal erklärte ich dem Besitzer die Geschichte . Natürlich nur so gut es ging, mit meinem poco-Spanisch. Er ging mit mir in ein anderes Hostal, wo wir die Frau und die Wäsche ausfindig machen konnten. Ich war froh, morgen mit meiner Wäsche (sehr sauber!) weiterfahren zu können, dank dem hilfsbereiten Peruaner.
Zwei Teilnehmer sind in Cusco ausgestiegen, 3 neue hinzugekommen. Wir werden sehen, wie die sich einfügen werden. Unter ihnen ist auch Hartmut, über den ich die nächsten Tage noch besonders berichten werde.Er ist ja von Blaubeuren nach Madrid geradelt, dort in den Flieger nach Brasilien eingestiegen, hat zwei Spiele der Deutschen live verfolgt (Portugal und USA). Zu den Spielen ist er natürlich mit dem Rad angefahren. Nach der WM ist er dann über Iguazu und Argentinien zu uns gestoßen. Er wird uns bis Salta begleiten und dann mit dem Rad wieder im Alleingang nach Buenos Aires radeln, um dann im November nach Hause zu fliegen. Er hat derzeit schon über 11 000 km hinter sich gebracht. Mit vollem Gepäck. Er wird es jetzt genießen, ohne Gepäck radeln zu können.
Die nächsten 2 Nächte ist wieder Bushcamp angesagt, es wird also erst in 3 Tagen wieder einen Bericht geben. Es sind die letzten 3 Etappen in Peru. Dann werden wir in Puno nach Bolivien einreisen.
17./18. September 2014 Auf den Spuren der Inkas
Von den 3 Ruhetagen in Cusco haben wir eigentlich nur einen. Fast alle Teilnehmer haben die 2-Tages-Reise ins ca. 80 km entfernte Machu Picchu gebucht, Wir fahren morgens mit dem Bus ins Sacred-Valley, besuchen dort einen Markt, bevor es nach einem guten Lunch nach Ollantaytambo geht. Auch dort besichtigen wqir imposante Inkastätten Von diesem Ort aus ist Machu Picchu nur mit dem Zug zu erreichen. Auf einer abenteuerlichen Strecke durch eine Schlucht, entlang dem Urubamba River, erreichen wir nach gut 1 ½ Stunden Aguas Calientes, ein Ort mit Thermalquellen. Von dort aus starten die meisten Machu Picchu-Besucher. Nach der Übernachtung in einem einfachen Hostal geht es am anderen morgen früh los. Nach einem kleinen Frühstück in Stehen sind wir kurz nach 5 Uhr an der Bushaltestelle, wo bereits eine lange Schlange ansteht. Nach 40 Minuten Wartezeit beginnt die wilde Kleinbusfahrt hinauf nach Machu Picchu. Kurz nach 6 Uhr stehen wir an den Eingangspforten des Geländes.Wir wandern relativ schnell durch die Ruinenstadt im Wissen, dass wir um 11 Uhr hier noch eine Führung bekommen werden. Unser eigentliches Ziel heute Vormittag ist eigentlich Wayna-Picchu, der Inka-Trail auf den felsigen Berg hinter den Ruinen. Insgesamt dürfen dort täglich nur 400 Personen reingehen, 200 morgens um 7 Uhr und 200 um 10 Uhr. Eine anstrengende, abenteuerliche Wanderung mit tausenden von Felsstufen, teils mit Seil abgesichert, bringt uns zum Gipfel des Wayna-Picchu-Mountain. Von dort aus hat man einen faszinierenden Blick auf die umgebenden, teils schneebedeckten Andenberge und hinunter auf die Ruinenstadt. Zusammen mit Jürg, dem bergerfahrenen Schweizer gehe ich noch den Trail zur Caverne und zum Mondtempel. Die Tour ist mit 4 Stunden Gehzeit angegeben. Wir schaffen sie in 3 sehr anstrengenden Stunden mit viel Adrenalinausschüttung. Öfters führt der schmale Pfad über provisorische Holztreppen und ausgesetzte Stellen hinunter und auch wieder hinauf. Immer umgeben vom Dschungel. Nach einer kurzen Rast am Eingang des Parks beginnt die Führung durch die Ruinenstadt mit einem einheimischen Führer. Hier erfahren wir viel über die geschichtlich-kulturelle Seite der Inkas und der vergessenen Stadt. Machu Picchu wurde etwa 1450 gebaut, nur 100 Jahre bewohnt und erst 1911 von dem Engländer Bingham entdeckt. Die Conquistadoren der Spanier fanden diese Stadt nicht. Die Inkas verließen sie auf geheimen Pfaden. Erst ein 11jähriger Quechua-Boy namens Pablito Alvarez führte den Engländer zu den Ruinen, der eigentlich auf der Suche nach Vilcapampa war, dem letzten Widerstandsort der Inkas gegen die spanischen Eroberer. Die Herrschaft der Inkas dauerte nur etwa 100 Jahre. Ihr Erbe ist aber bis heute in ganz Südamerika spürbar. Vor allem in der Region Cusco mit den Ruinen von Sacsayhuaman, Ollantaytambo und Machu Picchu.
Die Rückfahrt mit dem Zug und Bus gestaltet sich anstrengend lang. Sie beginnt m 18.30 Uhr im Bahnmhof Aguas Calientes und endet um 23 Uhr vor dem Hotel in Cusco. Wir müssen noch neue Zimmer beziehen und viele sind sehr genervt, weil die Zimmerverteilung mal wieder Probleme aufwirft. Wir werden morgen den Ruhetag noch dringend brauchen.
16. September 2014 Zwischenziel erreicht
Etappe 38 Limatambo Bushcamp - Cusco, 78 km, 1538 hm, half Timing, 100% Asphalt,
sonnig, bewölkt
Noch einmal alle vorhandenen Rererven mobilisieren heißt die Devise für die meisten Teilnehmer an diesem Tag. Die letzte Etappe vor den 3 Ruhetagen in Cusco.
Es geht gleich mit einem ordentlichen Anstieg über 1100 hm los, danach wieder 300 hm bis zur Zeitnahme am Lunchstop wieder runter. Hätte gestern abend Hähnchen essen sollen und nicht Meerschweinchen, die hätten mir vielleicht Flügel verliehen. So aber habe ich nur ein komisches Rumoren im Bauch. Es springt "nur" ein vierter Platz bei der Zeitnahme beim Lunch heraus. Die Niederländer-Fraktion mit Rien, Diederik und Patrick haben Team-Bergzeitfahren veranstaltet. Die wenige Minuten kann ich leicht verschmerzen, zumal mein schärfster Rivale Joost und auch James hinter mir waren.
Im zweiten Teil fahre ich in angenehmen Tempo mit Jürg nach Cusco. Es sind nur noch 300 hm zu bewältigen, bevor es runter nach Cusco geht. Dort sollen wir nicht sofort duschen, denn die örtliche Presse und Fotografen möchten einen Bericht über uns in voller Radkleidung für ihre Zeitung. Dieser Termin wird allerdings dann auf Samstag verschoben, da ein Journalist fehlt.
Morgen früh geht es mit dem Bus in einer extra organisierten Reise nach Macchu Picchu, wofür wir 2 Tage brauchen. Werde mich dann übermorgen mit meinen Eindrücken von den Ruinen melden.
September 2014 Starke Nachfrage nach Sitzplätzen im Truck
Etappe 37 Abancay – Limatambo Camping, 118 km, 2459 hm, 100% Asphalt
sonnig, warm, kein Wind
Wir zählen heute morgen 16 Räder, die auf die beiden Trucks verladen werden. Fast die Hälfte aller Teilnehmer möchte sich diese Strapaze kurz vor Cusco nicht mehr antun. Es geht vom Start weg 1600 hm nach oben. Da heute Zeitnahme ist, gebe ich ein wenig mehr Gas als die letzten Tage. Trotzdem ist das immer stärker werdende Team Niederlande mit Rien, Diederik und Patrick vor mir. Letztere zwei habe ich aber immer auf Sichtweite vor mir. Beim Lunchstop trifft dann auch mit Joost der nächste Niederländer ein. Fahre als erster wieder los, weil ich weiß, dass alle diese „fliegenden Hlländer“ bergab kein Bremsen kennen. Es geht jetzt über 60 km und 2000 hm runter ins nächste Tal. Kurz vor der Talsohle fliegt Joost an mir vorbei. Er ist der schnellste in der Abfahrt. Nachdem ich eine kurze Fotopause am Eingang der vor uns liegenden Schlucht gemacht habe und nochmals den Streckenplan studiert habe, nehme ich den Schlussanstieg mit nochmals über 700 hm und 20 km in Angriff. Die ca. 4 Minuten Vorsprung von Joost habe ich schnell wett gemacht. Er weiß, dass er sobald es steiler bergauf geht, keine Chance hat. Der Aufstieg wird nochmals erschwert Straßenarbeiten mit Baustelleverkehr über fast die gesamte Strecke. Oft ist nur eine Fahrbahn befahrbar. Die Strassenarbeiterinnen regeln den Verkehr mit „PARE“ und „DIGA“ Tafeln.Das heißt STOP oder GO.Ich missachte alle Tafeln, denn ich bin nicht gewillt, von dem Voersprung wieder mehrere Minuten zu verschenken. Aber die anderen Teilnehmer machen das auch so. So komme ich mit komfortablem Vorsprung als Zweiter im Etappenziel Limatambo an. Rien war wiedermal nicht zu kriegen. James nehme ich aber über 45 Minuten ab.
Wir schlagen das Camp im Areal eines Hostal auf. Es sind sogar Duschen und Toiletten da. Und heute abend git es zum Dinner Cuy auf Bestellung. Ich habe es bestellt, weil ich es einfach einmal probieren will. Diese Cuys ( Meerschweinchen=) haben ein paar Frauen schon fertig gebraten gebracht. Mal sehen, wie sie schmecken..
14. September 2014 Eine Verschnaufpause
36. Etappe Bushcamp Huancarama - Abancay, 54 km, 900 hm, 100% Asphalt, kein TIming
zu Beginn kühl, neblig, danach sonnig und warm
An seinem Geburtstag schenkt uns Wilbert eine kleine Verschnaufpause. Eine kurze Etappe mit nur einem harmlosen Aufstieg nach Abancay kommt vielen zum richtigen Zeitpunkt. Einige haben noch an dem gestrigen Tag zu knabbern und morgen wird die nächste Etappe mit 2400 hm fällig. Ein richtiger Flow kommt gleich zu Beginn wieder auf, als es über 30 km in rasender Fahrt auf neuer, breiter Strasse abwärts geht. Es begegnen uns auf dieser Schnellstrasse mehr Kühe auf der Fahrbahn als Autos. Nach einer kurzen Fahrt entlang eines Flusses geht es dann für 15 km in stetig gleicher, nicht allzu steiler Steigung nach oben. Schon kurz nach 11 Uhr ist die Etappe auch schon wieder beendet, noch bevor der Truck da ist. Wilbert lädt uns um 17 Uhr zu einer Geburtstagsfeier mit Pisco sauer ein.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich einmal ein paar Zeilen der Organisation widmen. Es ist phänomenal, was Wilbert, Rob und sein Team leisten. Beide fahren stets jede Etappe mit, weisen den Weg, machen tolle Fotos, laden Gepäck ein und aus, helfen abwaschen, Bänke wegräumen und vieles mehr. Und sind nie gestresst. Stehen für jede Frage zur Verfügung. Nehmen jede Anregung auf. Dadurch sorgen sie, bei aller Belastung der Teilnehmer, stets für eine gute Grundstimmung. Das gleiche gilt auch für das übrige Team.
Trotzdem sind einige Teilnehmer so platt, krank oder ausgelaugt, dass sie mit dem Bus direkt nach Cusco gefahren sind. Auch mein Zimmerkollege Hardy leidet unter Erschöpfungszuständen und ist immer wieder im Begleitfahrzeug zu finden.
13. September 2014 Samstag in einem peruanischen Bergdorf
35. Etappe Andahuayles - Bushcamp Huancarama, 90 km,2332 hm, 11% Asphalt, kein Timing
bewölkt, sonnig, abends kurzer Regen, kein Wind
Habe nachgerechnet und bin zu dem Schluss gekommen, dass heute Samstag sein müsste. Zuhause wird jetzt wahrscheinlich auf den Markt gegangen, im Supermarkt eingekauft, Rasen gemäht, Auto gewaschen und Bundeliga geguckt. Daran denke ich gerade als ich ganz allein durch ein peruanisches Dorf in einem Andenhochtal fahre. Wir sind vor ca. 2 Stunden in Andahuayles bei sonnigem Wetter gestartet und ich bin vorneweg mit Wilbert gefahren. Nach 10 km kommt eine Abzweigung auf eine Piste, Wilbert bleibt dort stehen und weist den Weg, damit niemand diese Abzweigung verpasst. Fahre allein weiter, es geht leicht bergab bis zu einem größeren See und dann flach weiter. Lasse bei meinem qB die Zügel ziemlich locker und komme durch mehrere kleine Dörfer. Ja, und wie gestaltet sich so ein Samstag hier? Ich sehe viele Bäuerinnen, manchmal auch Bauern, ihren ganzen Viehbestand, bestehend aus durchschnittlich 6 Kühen, 2 Eseln, 2-3 Schweinen, 6 Schafen, 2 Ziegen und 2 Hunden vor sich hin treibend auf der Suche nach ein paar verdorrten Grasbüscheln. Manchmal in meine Fahrtrichtung, manchmal dagegen. Immer wieder finde ich mich in einer Herde wieder. Und so kommt es dann auch zu einem kleinen, heiteren Zwischenfall. Eine Bäuerin treibt ihre Herde vor sich her. Da rufen ihr zwei andere Frauen etwas zu und sie dreht sich um. Schlägt aber gleichzeitig mit ihrer Rute auf die Tiere ein. Das heißt sie will, trifft mit ihrer Rute aber mich. Sie dreht sich wieder nach vorne und sieht, dass sie mich getroffen hat. Es entfährt ihr ein überraschtes,erschrecktes „Chesus“. Die anderen Frauen lachen. Ich auch, denn sie hat mich nur leicht gestreift. Was sucht auch so ein bunt gestreifter Gringo auf einem Drahtesel in meiner Herde, wird sie gedacht haben. In einem anderen Dorf kommen zwei kleine Hunde, nur ein paar Wochen alt, aus einem Loch gekrochen und queren ängstlich und unbeholfen die Straße. Werden sie, wenn sie groß sind, auch bellend und keifend hinter oder neben Radfahrern herrennen? Männer arbeiten an ihren Behausungen, renovieren, bauen mit Lehmquadern. Alles mit einfachen Mitteln,meist ganz ohne Maschinen.Die Leitern sind aus Holz und Stricken selbst gebastelt. Irgendwo läuft ein Bach über die Straße. Gelegenheit um das Auto zu waschen, falls man eines hat. Naja, und auffallend viele Menschen, meist Männer sind heute wieder in Sachen Wahlkampf unterwegs. Man hört sie von weitem. Meist hupend, zu 15-20 Personen auf der Pritsche eines Pickups oder Trucks, mit Megaphonen und Fahnen versehen setzen sie sich für ihren Kandidaten ein. Zur Zeit ist wohl regionaler Wahlkampf. Die Kandidaten und ihre Parolen prangen an jeder noch so einfachen Hütte. Auch Felsen bemalen sie damit. Und wenn sie diese Programme, die sie alle verkünden, in die Tat umsetzen werden, wird es den Peruanern in Zukunft viel besser gehen.
Vor der heutigen Etappe hatten alle großen Respekt. Mehr als 90 km lang, mit 2300 hm sehr kräftezehrend und 89% davon teils üble Piste, das sprach nicht gerade für eine Kaffeefahrt. Ich fahre 90% davon im Alleingang in meinem Wohlfühltempo und komme trotzdem als Erster zum Lunchstop und auch zum Bushcamp. Und das, obwohl ich unterwegs viel Zeit in Selbstaufnahmen und Landschaftsfotos investiert habe. Vor unseren Augen lief ein weiterer Teil der gigantischen Anden wie ein Film ab. So war der Lunchstop auf einer Felsnase ca. 2000 m fast senkrecht über dem darunterliegenden Flussbett.
Als die letzten Teilnehmer in das Bushcamp eintreffen, setzt schon die Dämmerung ein. Obwohl wir inzwischen ein ordentliches Stück vom Äquator weg sind, wird es gegen 18 Uhr ganz schnell dunkel. Wie wenn jemand das Licht ausmachen würde.
Das Dinner wird im Freien bei Stirnlampe und eisiger Kälte serviert. Als es dann zu regnen beginnt, flüchten alle sehr schnell ins Zelt zu ihrem Schlafsack.
September 2014 Ruhetag in Andahuaylas
Wir sind alle recht froh, heute nicht fahren zu müssen. Es regnet heute morgen und ist recht kühl. Der Wetterbericht verheißt aber auch für die kommenden Tage nichts besseres. Das Stimmungsbarometer in der Gruppe ist daher leicht fallend, da die nächsten 4 Tage bis zum Sektionsziel Cusco ohnehin allen alles abverlangen wird. Von den 40 Teilnehmern sind es jetzt nur noch 11, die die gesamte Strecke von 3000 km gefahren sind. Die letzten Tage hat es auch Buck Benson, den sympathischen Australier erwischt. Er ist zwar kein ausgesprochener Radfahrer, hat aber unter anderem die „Seven Summits“ die 7 höchsten Gipfel der Erde erklommen. Sein Immunsystem ist total eingebrochen und wir mussten ihn in Ayachuco zurücklassen. Er ist jetzt per Bus nachgereist und wird die nächsten Tage vielleicht wieder einsteigen. Auch mein Zimmerkollege Hardy musste nochmals einen Tag wegen Magen- Darmproblemen pausieren. Ich selbst wundere mich über meine Robustheit. Trotz „Drei Jahreszeiten an einem Tag“, wie Hardy Grüne, mein deutscher Zimmerkollege in einem Bericht für die Zeit online schreibt, habe ich weder eine Erkältung, noch Verdauungsprobleme oder Erschöpfungszustände. Ich bin sehr froh darüber. So kann ich jeden Tag, trotz der Anstrengungen, genießen.
Das einzige, auf das ich wirklich gerne verzichten würde, ist das Aufstehen und Anziehen nach einem kalten Bushcamp. Den kalten Polar-Brustgurt anlegen und in die kalt- feuchte Fahrradkleidung schlüpfen zählt nicht zu meinen allerliebsten Beschäftigungen. Aber es ist auszuhalten. Bin ja kein Warmduscher.
11. September 2014 Dem Wetter getrotzt
34. Etappe Chincheros – Andahuaylas, 75 km, 1526 hm, 37% Asphalt, no Timing
bewölkt, Regen, Nebel, sonnig, kaum Wind
Alle schauen bei der Abfahrt skeptisch gegen den stark bewölkten Himmel. Zuerst geht es 1000 hm auf Asphalt nach oben. Habe heute wieder mal phantastische Beine. Schade, dass keine Zeitnahme ist. Zum ersten Mal macht mir ein Tuk tuk Taxi am Vorbeifahren ein unkeusches Angebot. Er deutet mir an, das Fahrrad aufs Dach zu verladen und mich mitzunehmen. Ich signalisiere ihm ein klares „No“. Er denkt wahrscheinlich, was sind das für Gringos, plagen sich fast zwei Stunden den Berg hinauf. Er kann ja nicht wissen, dass ich mich gar nicht plage, denn bei einem Puls von 106 lasse ich einfach die Oberschenkel fallen. Trotzdem bin ich als zweiter oben bei 3800 m. Es ist kalt und beginnt zu regnen. Ich habe gut vorgesorgt, hole die Regenkleidung aus dem Rucksack und mache mich wasserfest. Andere sind nicht so gut vorbereitet. Sie werden jetzt ganz schön frieren. Es geht jetzt auf einer üblen Offraoad-Piste bergab. Fahre hinter Wilbert her, der fährt immer noch in kurzen Hosen. Ganz schön harter Hund, denke ich. Nur eine Regenjacke hat er sich gegönnt. Der Regen lässt nach, dafür sind wir jetzt immer wieder in gespenstische Nebelschwaden gehüllt. Die Szene wird gespenstisch. Ist die Sicht mal wieder frei, blickst du den Abgrund oder auf die auf der anderen Seite aufragenden Berge. Plötzlich wird die Sicht besser und du siehst einen kilometerlangen Streifen am Berghang entlang. Es ist der Weg, der vor dir liegt. Mein querido Burro röhrt vor Freude – es ist sein Terrain. Dann geht es in dutzenden Serpentinen abwärts. Ich durchfahre kleine Dörfer, die wie Vogelnester an den Hang angeklebt scheinen, Und immer wieder höre ich ein freundliches Buenos dias oder Hola. Irgendwann geht es wieder für 500 hm bergauf. Inzwischen hat die Sonne die Wolken und den Nebel aufgeräumt und wir haben eine Sicht bis zu den schneebedeckten Gipfeln der Anden. Die letzten 20 km geht es auf einer wilden Piste bergab. Kann mein qBurro kaum zügeln und fahre als erster auf die Asphaltstraße, die 10 km vor unserem Etappenort Andahuaylas beginnt. Am Ortsrand gönne ich meinem qB eine Vollwäsche mit Dampfstrahler. Er war bis zur Unkenntlichkeit verdreckt.
Seltsamerweise war dieser Track nicht auf meinem Garmin. So muss ich nach Beschreibung fahren und verpasse prompt die Abzweigung zum Hotel. Ich irre fast noch eine Stunde durch die Stadt, bevor ich glücklich am Hotel ankomme. Einen wieder mal grandiosen Tag lasse ich mit einer Suppe und einer warmen Dusche ausklingen. Nur noch die total verschmutzte Wäsche in die Landeria, dann beginnt für mich der Ruhetag.
September 2014 Die lange Abfahrt
Etappe, 78 km, 1010 hm, 100% Asphalt, no Timing
sonnig, warm, kein Wind
Es ist schweinekalt nachts im Zelt. Bin froh, dass mir Brigitte noch ein Lammfell für solche Nächte mitgegeben hat. Morgens ist wieder dicker Rauhreif auf Zelt und Fahrrad. Na ja, war eigentlich zu erwarten in einer Höhe von 4000 m und sternenklarer Vollmondnacht. Aber bereits bei der Abfahrt um 8 Uhr strahlt die Sonne schon wieder kräftig. Gleich nach dem Start geht es nach unten. Auf einer neuen, super ausgebauten Asphaltstraße geht es 2000 Tiefenmeter und 46 km nach unten. Es wird einem fast schwindlig von den voll auszufahrenden Kurven und der Kulisse ringsum. Wir müssen immer wieder anhalten, um die Anblicke aufzusaugen. Wilbert sagt uns, dass diese Strecke vor 2 Jahren noch offraod war und die schnellsten einen guten halben Tag brauchten, um völlig durchgeschüttelt und geplättet unten anzukommen. Da haben wir es heute prächtig erwischt. Nach einer kurzen Rast geht es ca. 15 km in stetigem auf und ab am Fluss entlang durch kleine Ortschaften und üppiger Vegetation. Der Fluss spendet das nötige Wasser, um Früchte und Gemüse anbauen zu können. Die Kinder jubeln uns „Gringos“ zu, bilden ein Spalier und strecken die Hand aus, um abgeklatscht zu werden. Nach ca. 60 km beginnt der 18 km lange Schlussanstieg nach Chincheros auf 2800 m. Fahre ihn gemütlich mit Jürg hoch und unterhalte mich mit ihm über verschiedene Trainingstheorien. Wir kommen trotzdem als Erste oben an. Es ist erst halb Eins. Eigentlich sollten wir heute ja wieder ein Bushcamp aufschlagen, die Organisation hat sich aber für eine einfache Unterkunft in einem Hospedaje entschieden. Wir sind sehr froh, denn heute Nachmittag hatte es ein Gewitter und abends fing es an zu regnen.
9. September 2014 Ein langer Anstieg
32.Etappe Ayacucho – Bushcamp Abra Tocctoccsa, 80 km, 1879 hm, 100% Asphalt
sonnig, kein Wind
Der Tag beginnt mit einer Überraschung. Unerwartet werden wir in den regionalen Wahlkampf einbezogen. Vor dem Hotel wartet ein ehemaliger General der peruanischen Armee und Chef des Geheimdienstes unter dem früheren Präsidenten Fujimori in weißer Radkleidung und bittet uns, mit ihm eine Ehrenrunde um den Plaza de Armas zu drehen. Dafür bekommt jeder von uns eine typische Peru-Mütze und ein T-Shirt mit seiner Wahlkampfparole. Er möchte Präsident der örtlichen Region werden. Er spricht auch gutes Deutsch, da er 2 Jahre beim deutschen Militär hospitiert hat.
Wir tun ihm gern den Gefallen und er begleitet uns mit seinem Fahrrad ein Stück durch Ayacucho.
Danach beginnt ein Anstieg über mehr als 60 km und 1500 hm. Beim letzten Andentrail vor 2 Jahren war die Straße anscheinend noch nicht geteert, heute ist sie sehr gut ausgebaut und hat einen guten Belag. Bei ganz wenigem Verkehr, keinen Ortschaften und keinen Hundeattacken wäre es eigentlich eine sehr erholsame Fahrt. Doch der Anstieg zieht sich sehr in die Länge und im oberen Teil sind noch einige kräftezehrende Rampen zu bewältigen. Fahre lange Zeit mit Diederik, der heute Geburtstag hat. Muss ihn dann im oberen Teil ziehen lassen, er ist mir heute zu stark. Nach dem Lunchstop fahre ich mit Joost weiter, der mir dann im letzten flachen Teil noch eine Minute abnimmt. Diederik gewinnt an seinem Geburtstag die Etappe, er holt sogar noch James ein. Ich werde dann knapp hinter Joost Tagesvierter. Wir schlagen auf einer Höhe von knapp 4000 m unser Bushcamp auf. Es könnte in dieser Höhe bei sternenklarem Himmel wieder eine frostige Nacht werden.
8. September 2014 Ruhetag in Ayacucho
Erstmals würden alle gerne noch mindestens einen Ruhetag anhängen. Nicht wegen der Erschöpfung, sondern weil es uns allen hier sehr gefällt. Ein tolles Hotel mit sehr freundlichem Personal, eine Stadt mit besonderem Flair, schönen, altehrwürdigen Gebäuden, autofreien Fußgängerzonen, Restaurants mit hervorragender Küche. Heute Abend haben wir auf dem Balkon eines Restaurants diniert. Von dort hat man einen tollen Blick hat auf den angrenzenden Plaza de Amas und auf zwei Kirchen mit beleuchteter Kuppel. Und darüber erleuchtete der Vollmond den südamerikanischen Himmel.
Aufgefallen ist uns, dass es hier wieder mehr Touristen gibt. Anscheinend ist Ayacucho für viele ein Abstecher wert auf dem Weg nach Cusco oder von Cusco. Und wir haben in der Innenstadt kein einziges Tuk-Tuuk gesehen.
Habe eigentlich nur die Wäsche zum Waschen gebracht und abgeholt und das Fahrrad in Ordnung gebracht. Die letzten Etappen hatten meinem querido Burro doch ziemlich zugesetzt.
Jetzt geht es gut erholt wieder in die Berge zurück. Die Etappe morgen wird uns uns wieder auf 4200m Höhe bringen mit anschließendem Buschcamp.
7. September 2014 – Im Land des „Shinning Path"
31.Etappe Bushcamp Mayoc – Ayacucho, 80 km, 1371 hm, 64% Asphalt, Half Timing, sonnig, warm, kein Wind
Eigentlich hatten wir damit gerechnet, dass die geteerte Straße weitergehen wird. Umso größer ist dann die Enttäuschung, als gleich hinter Mayoc eine 35 km lange Straßenbaustelle beginnt. Es wird zu einer Hindernisfahrt zwischen Baustellenfahrzeugen, aufgerissener Straße, pappigem Dreck und Staub. Erst bei der Ortschaft Huanta beginnt die geteerte Straße. Die Begleittrucks überholen mich erst kurz vor dem höchsten Punkt. Sie wurden bei den vielen Baustellen und der Ortsdurchfahrt von Huanta aufgehalten. Dort waren wegen einer Parade teilweise die Straßen gesperrt. Ich bin dann der erste beim Lunchstop. Die anderen Fahrer, die vor mir waren, verpassen ihn und fahren weiter. Eigentlich wäre hier Zeitmessung gewesen. Nach den vielen Unwägbarkeiten dieser Etappe nehme ich heute das Gas weg und fahre normales Trainingstempo. Trotzdem komme ich zusammen mit Joost und Terry als Dritte im Hotel in Ayacucho an. Rien und James haben den Tagessieg mal wieder unter sich ausgemacht.
Ayacucho ist bekannt geworden als Gründungsort der „Shinning Path“. Ihr geistiger Führer, Philosophie Professor Guzman, lehrte an der Universität Ayacucho. Von dort aus wollte er die kommunistische Lehre nicht nur in Peru, sondern weltweit durchsetzen. Ähnlich zur FARC in Kolumbien galt Shinning Path als terroristische Partei. 1980 wollte er die Macht in Peru übernehmen, was ihm nicht gelang. Bis zu seiner Kapitulation 1992 kämpfte er im Untergrund. Splittergruppen sind bis heute, vor allem im Rauschgifthandel, aktiv.
Ayachuco ist auch berühmt geworden durch seine 33 Kirchen, welche jede ein Jahr im Leben Jesus repräsentieren soll. Hier werden auch viele religiöse Feste gefeiert. Ebenso gibt es Pferderennen und das Rennen mit den Stierbullen, ähnlich dem in Pamplona/Spanien.
6. September 2014 80 km durch den wilden Canyon
30. Etappe Bushcamp – Bushcamp Mayoc, 83 km, 967 hm, 100% Asphalt, no Timing
sonnig mit kurzem Schauer, kein Wind
Eigentlich war die Etappe mit Zeitnahme geplant. Beim vorabendlichen Briefing entschied sich Rob für eine neutrale Strecke, da wir auf einer zu gefährlichen Straße sein würden. Und tatsächlich, die Strecke raubte einem den Atem. Nicht wegen den kurzen Aufstiegen, sondern wegen der spektakulären, teils engen, ausgesetzten Straßenführung und der Szenerie. Es war eine gute Entscheidung. Obwohl nicht viel Verkehr war, musste man immer hinter jeder Kurve ein entgegenkommendes größeres oder kleineres Fahrzeug vermuten. Und dann kannst du nur hoffen, genug Platz für ein Ausweichmanöver zu haben. Und genau das war an einer Stelle nicht der Fall. Gottseidank war niemand von uns in den Unfall verwickelt. Es war übrigens der erste, den wir in über 3 Wochen Peru erlebten. Unsere beiden Trucks hatten mich kurz zuvor überholt, da sah ich sie schon wieder stehen. Direkt vor ihnen, in einer Kurve stießen zwei peruansiche PKW in einer Kurve zusammen. Es war kein Platz zum Ausweichen vorhanden. Annelot, unsere Medizinerin, musste zum ersten Mal ernsthaft Hilfe leisten. Sie behandelte eine Person mit Kopfverletzungen direkt an der Straße. Dadurch drohte der Lunchstop schon wieder ins Wasser zu fallen. Aber Rob reagierte sofort, fuhr nach vorne und organisierte im nächsten Dorf Essen und Trinken. So machten wir Lunchstop mitten im Dorf, direkt an der Straße. Schon bald hatte sich eine Schar Einheimischer um uns versammelt. Mein querido Burro zog sie an. Sie durften es einmal hochhalten und ihr Gesichtsausdruck zeigte unglaubliches Staunen. Ob sie sich wohl jemals ein solches „Zauberfahrrad“ würden leisten können?
Die Fahrt ging weiter in stetigem auf und ab, mal 100 m über dem Fluss, dann wieder direkt daneben. Die Schlucht schien kein Ende zu nehmen. Es hieß, die Konzentration aufrecht zu halten, denn ein Fahrfehler hätte fatale Folgen haben können. Nach mehr als 80 km spie uns die Schlucht aus, es öffnete sich ein breiteres Tal. Es war der richtige Ort, um unser Bushcamp aufzuschlagen. Zwischendurch hatten wir einen kurzen Schauer abbekommen, jetzt brannte aber wieder die Sonne auf uns herab. Die meisten nahmen sofort ein erfrischendes Bad am Fluss. Wir waren nur noch auf 2300 m Höhe und erstmals plagten uns die Insekten. Aber ich hatte ja ein hervorragendes Insektenabwehrspray von Markus und Alexandra dabei. Das kam jetzt erstmals zur Anwendung.
Das Highlight an diesem Nachmittag waren Musikstücke von James Hodges. Er stand am Fluss und spielte mit der Fidel irische Folklore.
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September 2014 Und wieder begleitet uns der Regen
29. Etappe Huancayo – Bushcamnp, 103 km, 1085 hm, 100 % Asphalt, full Timing
bewölkt, Regen, teilweise leichter Gegenwind
Wir starten eine Stunde später als üblich, damit wir in Ruhe das wundervolle Frühstück im Hotel genießen können. Es hat noch am Morgen geregnet, bei der Abfahrt ist es aber warm und sonnig.
Die ersten 13 km sind flach, dann gilt es, einen Pass zu überqueren. Wir klettern dabei 700 hm, oben am Pass empfängt uns wieder der Regen, James ist wieder weggefahren, er möchte die Scharte von gestern auswetzen,. Bin mit Diederik und Wilbert zusammen oben, Diederik legt Regenkleidung an, Wilbert und ich fahren weiter. Wir werden zwar nass, aber es ist nicht kalt. In flotter Fahrt geht es durch „Zonas urbanas“ mit vielen Straßenschwellen. Irgendwann türmen sich Berge vor uns auf. Man denkt, dass jetzt eigentlich wieder eine Kletterei beginnen müsste, weiß aber vom Profil her, dass es nicht so ist. Der Weg nimmt wieder eine andere Richtung und es geht in Serpentinen bergab. Der Regen hat aufgehört und die warme Luft, die von den Felsen zurückstrahlt, trocknet die Radkleidung schnell wieder. Irgendwo bei km 60 müsste der Lunchtruck stehen, wir sehen ihn aber nicht und fahren einfach weiter. Wilbert bekommt Plattfuß, Er ist fit im Reifenwechsel und nach einer kurzen Pause geht die Fahrt weiter. Eigentlich sollten wir jetzt auf einer „unpaved Road“ sein. Doch anscheinend haben sie die letzten 2 Jahre die Straße geteert. Das nehmen wir natürlich gerne in Kauf. Wir fahren einem Fluss entlang, immer wieder mit kurzen Rampen, insgesamt aber in Fließrichtung des Flusses abwärts. Gegen 14 Uhr erreichen wir das Bushcamp. Es ist eine Anlage der Wasserkraftwerke, die hier am Fluss Elektrizität erzeugen. Die Anlage ist umzäunt mit großem Fußballfeld. Und genau auf diesem campieren wir. Früher habe ich als Fußballer im Torraum des Gegners für Unruhe gesorgt. Heute hoffe ich, einen guten Schlaf zu haben.
Die anderen Teilnehmer können auch keinen Lunchstop einlegen. Der Truck bleibt verschollen. Später stellt sich heraus, dass Walter, der Fahrer, trotz GPS falsch gefahren ist und dies erst sehr spät gemerkt hat, Fazit: Keiner ist verhungert. Alle haben immer Notproviant mit dabei. Bin durch die flotte Fahrt mit Wilbert Tageszweiter und habe den Vorsprung gegen meine Konkurrenten ausgebaut. Diese kommen eine Dreiviertelstunde nach uns an.
Es gab anscheinend schon Jahre beim Andes-Trail, bei der die Teilnehmer während der Fahrt durch Peru nicht einen Regentag hatten. Bei uns ist es dieses Jahr so, dass wir bisher fast keinenTag hatten, an dem es nicht geregnet hat.
4. September 2014 Zwischendurch ein Straßenrennen
28.Etappe Tarma -Huancayo, 108 km, 1260 hm, 100% Asphalt, Half-Timing
bewölkt,kühl, Regen, kein Wind
Alle schauen morgens gebannt zum Himmel. In der Nacht hat es ziemlich stark geregnet. Wird es wieder anfangen? Regenkleidung sollte man auf jeden Fall einpacken. Wir fahren von 3100 m auf 4200m , Fahre schon nach 6 km zu James auf. Der scheint heute nicht seinen besten Tag zu haben. Hinter mir ist das Team Niederlande. Rien fährt an mir vorbei, in seinem Gefolge die beiden anderen Holländer Diederik und Patrick. Fahre ruhig nach meinem gewohnten Puls. Es geht immerhin 25 km bergauf. Etwa 5 km vor dem Gipfel habe ich Patrick vor mir, der mit den Armen wild fuchtelnd fährt und Urschreie ausstößt. Ich denke schon, dass er unter Drogen steht. Später erklärt er mir, dass er einen Knopf im Ohr hat und mit Musik fährt und die ihn zu diesen Faxen animiert hat, Am Gipfel fahren wir auf Diederik auf und gemeinsam geht es an die Abfahrt. Wir spüren einzelne Regentropfen, Aber wir erreichen trocken den Lunchstop und damit die Zeitnahme. Nur Rien war noch früher da, Nach einem kurzen Imbiss fahren wir gleich weiter, einigen dunklen Wolken entgegen. Es regnet jetzt zwischendurch mal, aber wir sind jetzt wieder weit unten, sodass es nicht mehr kalt ist. Im Expresszugtempo nehmen wir die letzten 45 km unter die Räder und sind schon um 13 Uhr in Huancayo, unserem Etappenziel. Es erwartet uns ein tolles Hotel mit noch besseren Zimmern. Nach der Suppe suche ich gleich ein Internet-Cafe auf, um die großen Dateien der Videos an Bikesport zu übermitteln. Doch welche Überraschung: Das Internet dort ist auch nicht schneller. Es signalisiert mir 11 Stunden Übertragungszeit für 1 GB. Das ist mir natürlich zu lang. Mache noch einen kurzen Stadtrundgang. Huancayo war bis zur spanischen Besatzungszeit Hauptstadt Perus. Es hat eine große, moderne Universität und viele schöne Bauwerke.
3. September 2014 Ruhetag in Tarma
Am Stadteingang von Tarma hängt ein großes Werbeplakat: Tarma – frutas sana. (gesunde Früchte) Bin heute am Ruhetag über den Marktplatz gegangen und kann diesen Werbespruch nur bestätigen. Früchte, wohin man schaut, in allen Farben. Dazu wahrscheinlich hunderte verschiedene Kartoffelsorten. Und natürlich Pollos – Hühnchen. So wie sie aussehen nicht von der Fabrik, sondern aus Freilandhaltung. Und Schweine gibt es in allen Variationen. Schwarze, gescheckte, helle. Auf jeden Fall freilaufend, manchmal mit einem kurzen Strick angebunden. In manchen Dörfern durch die Straßen flanierend. Ja, die sind uns lieber als Hunde. Die letzten 4 Tage sind uns mehr Schweine begegnet als Hunde. Und das will was heißen. Grunzen ist uns lieber als böse bellen.
Aus den Früchten machen sie hier frische Jugos. Das sind frisch gepresste Säfte. Die schmecken köstlich. Und zu den Lieblingsspeisen der meisten zählen inzwischen Papas fritas – Pommes frites.
So ein Ruhetag dient natürlich auch dazu, die Batterien wieder auzuladen. Das heißt die Kohlenhydratspeicher wieder bis zum Anschlag zu füllen. Die meisten Teilnehmer müssen ihre Gürtel schon ein Loch enger schnallen. Und die Strecke nach Ushuaia ist noch lang ….
2.September 2014 Anden total
Etappe 27 Junin – Tarma 102 km, 1576 hm, 30% Asphalt, no Timing
sonnig, kaum Wind
Da wir in zwei verschiedenen Hostals übernachtet haben und kein Frühstücksraum zur Verfügung steht, frühstücken wir „open air“ bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt zur gewohnten Zeit um 7 Uhr. Wilbert will das Frühstück nicht nach hinten verlegen, da es für viele Teilnehmer ein langer Tag werden könnte. Auf dem Höhenprofil sieht die Etappe eigentlich nicht schlimm aus. Trotzdem entscheiden sich einige Teilnehmer, eine „softere“ und kürzere Alternativroute auf der Asphaltstraße zu nehmen. Sie verpassen einiges.
In der Nacht ging es mir etwas besser mit der Luftknappheit. Konnte einige Stunden schlafen. Fühle mich wieder einiges besser als gestern.
Eine Schotterpiste führt zuerst auf 4500 m nach oben, dann schlängelt sie sich in stetigem auf und ab und vielen Kurven um Felsformationen herum und führt an kleineren und größeren Seen vorbei.
Pikunas, Lamas, Flamingos und viele andere Tiere der Anden stehen auf oder neben der Straße. Sie sind sehr fotoscheu, drehen sich sofort weg, wenn man sie fotografieren will. Die Szenerie ist überwältigend. Nach dem Lunchstop, der ziemlich am höchsten Punkt ist, geht es auf einer ausgewaschenen, mit vielen Schlaglöchern übersäten Schotterpiste bergab. Mein Fully querido burro fühlt sich wieder voll im Element. Ich würde es nicht um Vieles gegen ein anderes Bike eintauschen wollen. In einem wilden 40 km Downhill geht es nach unten in ein grünes, bewirtschaftetesTal und bei km 70 auf die Teerstraße nach Tarma. Dabei sind nochmals fast 500 hm in moderaten Steigungen zu überwinden. Komme kurz nach Rob und James mit Barry gemeinsam gegen 15.30 im Hostal in Tarma an. Eine beeindruckende, aber auch äußert anspruchsvolle Tour liegt hinter uns. Wir verabschieden noch Tomas und Pavel, die beiden Tschechen, die in Huanchaco vor zwei Wochen eingestiegen waren und uns schon wieder verlassen. Schade, sie werden uns mit ihrem sprühenden Eifer und Unbekümmertheit fehlen. Morgen steht schon wieder ein Ruhetag an. Obwohl die Einheit nur aus 3 Etappen bestand, sind viele über die Pause froh.
September 2014 Die Tiere der Anden
Etappe 26 Cerro de Pasco – Junin, 83 km, 450 hm, 20% Asphalt, no Timing
morgens kalt, dann sonnig, kaum Wind
Die Höhe macht mir nachts zu schaffen. Komme nur zu einer kleinen Handvoll Schlaf. Es ist morgens extrem kalt. Immerhin sind wir auf 4400 m Höhe, Es war gut, das Frühstück bzw. die Abfahrt eine Stunde später anzusetzen. So kann doch die Sonne schon ein paar wärmende Strahlen schicken, als wir gemeinsam abfahren. Auf einer Höhe am Stadtrand bekommt man den Überblick über Cerro de Pasco: Die Erde ist umgebuddelt, abgetragen, angehäuft, um an die Rohstoffe darunter zu kommen. Es wird immer noch Silber, Kupfer und Kohle in großem Stil abgebaut. Auch auf das Fußballstadion blicken wir herunter. Dort tragen peruanische Fußballteams wie Union Minas oder Deportivo Wanka ihre Heimspiele aus. Dies wird oft kritisiert wegen der Höhe des Stadiums und des oft unter Schnee liegenden Rasens. Cerro de Pasco hat 70 000 Einwohner und gilt als eine der höchstgelegenen Städte weltweit. Nur eine Viertelstunde später sind wir in einer anderen Welt. Auf den kargen Weiden grasen Schafe, Rinder, Alpakas. Nach einer weiteren Stunde erreichen wir den Chinchayqucha oder auch Lake Junin genannten See. Er ist Perus größter Binnensee und liegt knapp über 4000 m Seehöhe. Er ist der wichtigste Vogelbeobachtungspunkt im Land. Wir erkennen vor allem die Flamingos, wenn sie sich mit ihren grellroten Flügeln in die Lüfte heben. Auch halten wir immer wieder an, um Fotos von Alpakas mit ihren markanten Gesichtern zu machen, oder um Lamas und Vicugnas zu fotografieren. Mehr als 3 Stunden fahren wir auf einer Schotterstraße dem See entlang. In Junin ist eigentlich ein Bushcamp geplant. Wegen der Höhe und kühlen Witterung bevorzugen wir aber in sehr einfachen „Absteigen“ ein festes Dach über dem Kopf.
Heute fällt mir das Radfahren zum ersten Mal schwer. Bei der kleinsten Steigung komme ich außer Atem. Hatte eigentlich gedacht,die Akklimatisierung hinter mich gebracht zu haben. Vielen anderen Teilnehmern geht es aber scheinbar auch so. Am markantesten ist es, wenn du dein Gepäck ein paar Stufen hoch tragen musst. Du glaubst dann, du brauchst ein Sauerstoffzelt.
September 2014 Die Tiere der Anden
Etappe 26 Cerro de Pasco – Junin, 83 km, 450 hm, 20% Asphalt, no Timing
morgens kalt, dann sonnig, kaum Wind
Die Höhe macht mir nachts zu schaffen. Komme nur zu einer kleinen Handvoll Schlaf. Es ist morgens extrem kalt. Immerhin sind wir auf 4400 m Höhe, Es war gut, das Frühstück bzw. die Abfahrt eine Stunde später anzusetzen. So kann doch die Sonne schon ein paar wärmende Strahlen schicken, als wir gemeinsam abfahren. Auf einer Höhe am Stadtrand bekommt man den Überblick über Cerro de Pasco: Die Erde ist umgebuddelt, abgetragen, angehäuft, um an die Rohstoffe darunter zu kommen. Es wird immer noch Silber, Kupfer und Kohle in großem Stil abgebaut. Auch auf das Fußballstadion blicken wir herunter. Dort tragen peruanische Fußballteams wie Union Minas oder Deportivo Wanka ihre Heimspiele aus. Dies wird oft kritisiert wegen der Höhe des Stadiums und des oft unter Schnee liegenden Rasens. Cerro de Pasco hat 70 000 Einwohner und gilt als eine der höchstgelegenen Städte weltweit. Nur eine Viertelstunde später sind wir in einer anderen Welt. Auf den kargen Weiden grasen Schafe, Rinder, Alpakas. Nach einer weiteren Stunde erreichen wir den Chinchayqucha oder auch Lake Junin genannten See. Er ist Perus größter Binnensee und liegt knapp über 4000 m Seehöhe. Er ist der wichtigste Vogelbeobachtungspunkt im Land. Wir erkennen vor allem die Flamingos, wenn sie sich mit ihren grellroten Flügeln in die Lüfte heben. Auch halten wir immer wieder an, um Fotos von Alpakas mit ihren markanten Gesichtern zu machen, oder um Lamas und Vicugnas zu fotografieren. Mehr als 3 Stunden fahren wir auf einer Schotterstraße dem See entlang. In Junin ist eigentlich ein Bushcamp geplant. Wegen der Höhe und kühlen Witterung bevorzugen wir aber in sehr einfachen „Absteigen“ ein festes Dach über dem Kopf.
Heute fällt mir das Radfahren zum ersten Mal schwer. Bei der kleinsten Steigung komme ich außer Atem. Hatte eigentlich gedacht,die Akklimatisierung hinter mich gebracht zu haben. Vielen anderen Teilnehmern geht es aber scheinbar auch so. Am markantesten ist es, wenn du dein Gepäck ein paar Stufen hoch tragen musst. Du glaubst dann, du brauchst ein Sauerstoffzelt.
31. August 2014 Von der Hölle in den Himmel
Etappe 25 Huanuco – Cerro de Pasco, 105 km, 2611 hm, full Timing, 60% Asphalt
sonnig, warm, kalt, Rückenwind, Gegenwind
Morgens in Huanuco, dem Vorort zum Dschungel bei 26° gestartet, am späten Nachmittag in Cerro de Pasco bei leichtem Regen oder Schneefall, knapp über 0° auf 4400 m ziemlich angefroren, angekommen. So dürfte das Fazit der heutigen Etappe für die meisten Teilnehmer lauten. Die ersten 60 km und knapp 1000hm fahre ich zusammen mit Pavel. Es macht richtig Spaß, der Speeed stimmt, die Führungsarbeit und das Windschattenfahren. Nur James und Rijn sind noch vor uns. Bei km 60 sollte die Abzweigung auf die Piste und der Lunchstop sein, Wir verpassen diese Abzweigung und bei km 65 ahnen wir, dass wir falsch sind. Wir drehen um und auch andere Gruppen begegnen uns. Alle haben die Abzweigung verpasst. Der Lunchtruck war nicht an der Strecke, sondern nach der Abzweigung an der Piste. Eine Gruppe von ca. 20 Teilnehmern kommt zeitgleich zum Lunchstop. Fahre als 4. wieder weg, haben die drei vor mir aber bald eingeholt. Es geht jetzt richtig bergauf. Irgendwie müssen die Höhenmeter ja auch herkommen. Patrick hält sich noch etwa 20 Minuten an meinem Hinterrad. Dann bin ich alleine. Alleine auch gegen die Hundemeute. Verspritze fast eine Trinkflasche gegen die Hunde. Und die Flüssigkeit fehlt mir dann später. Jetzt zücke ich die Pfefferspray-Patrone. Habe sie in jeder kleinen Ansiedlung parat. In einem kleinen Dorf wird gerade Fußball gespielt. Da verkauft ein Frau auch Getränke. Das passt prima. Kaufe mir eine Cola und bin gleich von vielen Einheimischen umringt. Die Kinder fassen mich an, wollen mir unbedingt die Hand geben, erkundigen sich, woher ich komme. Locker hätte ich hier eine halbe Stunde Pause machen können. Doch die Konkurrenz sitzt mir im Genick. Die Cola verschafft mir schnell neue Energie. Erst am Schlussanstieg habe ich leichte Ermüdungserscheinungen. Als ich einige Serpentinen unter mir einen Verfolger sehe, mobilisiere ich die letzten Kräfte und komme als 3. nach Cerro de Pasco, einer nicht sehr schönen Minenstadt . Hier wird immer noch Silber, Kupfer und Kohle abgebaut. Finde gleich das Hotel und merke erst jetzt, dass ich friere. Habe aber heute ein schönes Einzelzimmer mit warmer Elektrodusche. Und nach der warmen Suppe bin ich wieder aufgetaut.
Ach ja, hätte es fast vergessen. Habe heute morgen von Elizabeth, einer Australierin das Lama bekommen. Begründung: Das Lama sollte einen Besitzer bekommen, der es schneller nach oben bringt. Habe es heute tatsächlich zu seinen Artgenossen gebracht. Habe zum ersten Mal an der Straße Alpakas und Lamas gesehen.
August 2014 Ruhetag in Huanuco
Nach einem Monat Andentrail kennst du keine Wochentage mehr. Du kennst nur noch Etappen und Ruhetage. Auf letzteres freuen sich immer mehr. Die letzten Etappen haben schon ganz schön Substanz gekostet. Und bis Cusco werden die Etappen nicht leichter.
Habe trotz Lärm einige Stunden geschlafen. Die Müdigkeit und zwei Glas Rotwein haben für die richtige Bettschwere gesorgt.
An so einem Ruhetag kommt man auch mit den anderen Protagonisten ins Gespräch und erfährt so manche Geschichte. So ist Dave schon in Huanchaco von einem Hund in die Kniekehle gebissen worden. Ironischerweise nicht auf dem Fahrrad, sondern beim Spazierengehen. Tim Dowling wird uns morgen verlassen und nach Australien zurückfliegen, um seine 10 000 Schafe zu scheren. Er wird uns allen fehlen. Hatte immer ein Joke auf den Lippen und konnte Cervesas auf viele Kilometer riechen.Wenn alle trockengelegt waren, er zauberte auch im hintersten Bushcamp eine Flasche hervor. Gestern bei der langen Regenabfahrt war er so durchgefroren, dass er irgendwo um Hilfe bat und die hilfsbereiten Peruaner ihm ein warmes Getränk machten, eine Decke gaben und sogar ein Holzfeuer für ihn anzündeten. Ob er auch ein Bier bekam, entzieht sich unserer Kenntnis. Wir gehen aber davon aus. Vivien wird für die Hochzeit ihrer Tochter für 10 Tage nach Australien fliegen, danach aber wieder einsteigen. Konnte heute mal richtig mit Brigitte über Skype telefonieren, das hat richtig gutgetan. Hatte für einige Stunden stabiles Internet, was selten vorkommt. Habe mit Walter, unserem österreichischen Truckfahrer noch gut zu Abend gegessen. Wir verstehen uns gut,nichtnur der Sprache wegen. Teile heute nur mit James das Zimmer,da Hardy ja umgezogen ist.
August 2014 Hinunter in den Dschungel
Etappe Bushcamp Jivia – Huanuco, 102 km 1132 hm, 67% Asphalt, no Timing, bewölkt, Regen, kühl
Wilbert macht uns beim Briefing darauf aufmerksam, dass wir auf knapp 4000 m fahren und es dort gerne regnet. Wir sollten auf jeden Fall Regenkleidung mitnehmen. Die 42 km Anfahrt zu diesem Pass gestalten sich äußerst abwechslungsreich. In stetigem Auf und Ab, durch viele kleine Dörfer, auf einer Piste, die jedem Mountainbike-Marathon zur Ehre gereichen würde, geht es in Richtung Pass, den wir bei knapp 4000 m überschreiten sollten. Dazu kommen unzählige Kleinbäuerinnen mit ihrem gesamten Viehbestand, die uns entgegenkommen. Oft müssen wir Slalom fahren durch Schafe, Schweine, Esel und Kühe. Auffallend freundlich begegnen uns die Menschen. Kurz vor dem Pass, beim Lunchstop erwischt uns dann der angesagte Regen. Es hat noch knapp über Null Grad, als wir die Passhöhe erreichen. Vor der Abfahrt hinunter zum Etappenziel Huanuco hat uns Wilbert gewarnt und ermahnt, besonders vorsichtig zu sein. Der Regen und die nasse Straße machen es noch besonders schwierig. Über eine nicht enden wollende, in schlechtem Zustand befindliche, teils sehr enge und ausgesetzte Asphaltstraße geht es über 50 km und 2300 Tiefenmeter nach unten. Erst im unteren Teil kann ich die Regenkleidung ablegen und meine klammen Finger sind wieder an der Bremse spürbar. Jetzt spüre ich auch, dass mein Hinterrad immer mehr schwimmt und ahne gleich, dass ich Luft verliere. Ob die noch über 30 km reichen wird? Unten wird es allmählich wärmer, dafür nehmen immer mehr die Hundeattacken zu. Doch irgendwie meistere ich die gefährliche Mischung von schlechter, enger Straße, schwimmendem Hinterrad und Hundeattacken. Am Stadtrand warten schon meine Kameraden. Sie haben sich von einem marktschreierischen Peruaner das Rad waschen lassen. Für 5 Soles darf er es auch bei mir machen. Es war notwendig nach den letzten Tagen.
Vor ein paar Tagen waren wir am Ruhetag in Huaraz. Dieser Ort gilt als letzte Station nach oben in die Anden. Heute ging es runter nach Huanuco. Diese Stadt gilbt als letzte Station vor dem Dschungel. Wir sind nur noch auf knapp 1900 m und die Vegetation hat sich vollkommen geändert. Alles ist jetzt satt grün und Südfrüchte werden hier angebaut und geerntet.
Die Stadt selbst ist eine Katastrophe. Spielhallen, Bars und viel Verkehrslärm werden nicht unbedingt für unsere Erholung an diesem Ruhetag sorgen. Hardy zieht um in ein anderes Hotel. Er braucht nach den letzten Tagen Erholung.
28. August 2014 In der Pampa
23. Etappe Huallanca – Bushcamp Jivia, 39% Asphalt, no Timing
vormittags sonnig, nachmittags bewölkt, kühl, kein Wind
Endlich kann ich mal ein paar Stunden im Zelt schlafen. Als ich morgens die Nase hinausstrecke, ahne ich aber nichts Gutes. Die Wolken hängen tief und dunkel über den Bergen diesseits und jenseits der Schlucht. Es ist kühl und alle machen beim Frühstück kein besonders glückliches Gesicht. Doch es sollte ganz anders kommen. Wir fahren heute eine Etappe, die Wilbert neu ausgesucht hat und beim Anden-Trail noch nie gefahren wurde. Es wird ein grandioser Tag. Erst geht es durch eine Schlucht in rasanter Fahrt abwärts. Danach in stetigem Auf und ab durch mehrere kleine Dörfer. Überall begrüßen uns die Menschen freudig. In La Union geht es rechts ab. Wir warten bis alle Teilnehmer da sind, damit niemand falsch fährt. In kurzer Zeit sind wir umringt von neugierigen Einheimischen. Sie wollen wissen, woher wir kommen und wohin wir wollen. Nach dem Dorf, oder Stadt? geht es steil aufwärts. Von oben blicken wir herab und zählen unter anderem 5 Fußballplätze, einer sogar mit Kunstrasen. Wir gelangen auf eine Hochebene, eine Pampa. Auf der Pampa Huanuco besuchen wir die Inka-Ruinen. Sie sind nicht so bekannt wie Macchu Picchu oder Ingapirca. Doch das Areal ist riesengroß und beeindruckend sind die Mauern aus Steinquadern, aufgebaut ohne Zement oder Mörtel. Pampa heißt hier so viel wie Ebene. Bei uns hat es ja eine etwas andere Bedeutung. Aber es passt trotzdem. Wenn man zu den Ruinen hinfährt, hört plötzlich die Straße auf und man fährt über eine mit Gras bewachsene Ebene mit hartem Untergrund Richtung Ruinen. Die Ruinen liegen in der Pampa. Die Ebene scheint unwirklich, die gibt es sonst nur in Tälern.
Nachmittags geht es dann weiter in die Pampa, aber nicht mehr so flach, sondern immer wieder ansteigend oder abfallend. Die grandiose Bergwelt der Anden raubt uns eins ums andere Mal den Atem. In einem kleinen Dorf scheint eine Versammlung zu sein. Beim Näherkommen sehen wir, das gerade ein Fußballspiel im Gange ist mit vielen Zuschauern. Der Platz ist klein und uneben, der Einsatz der Spieler dafür umso größer. Am Spielfeldrand machen Schweine ihren Mittagsschlaf, Schafe suchen nach freßbarem und Esel röhren um die Wette. Und die Zuschauer scheinen sich zu fragen, was denn so viele Gringos hier wollen. Suchen die vieleicht einen neuen Pizarro? Lucho, unser Mechaniker, fährt vor mir durch eine kleine Ortschaft. Plötzlich fährt hinter uns ein wild gestikulierender Junge auf einem schrottfreifen Fahrrad her. Er sagt, wir seien falsch und müssten in der Ortschaft links abbiegen. Lucho versteht ihn, er ist ja auch Peruaner. Wir befolgen seinen Rat. ....... und liegen goldrichtig. Er hat uns den richtigen Weg gezeigt. Das Falschfahren konnte nur passieren, weil an diesem Tag der GPS-Track überhaupt nicht passte. Ansonsten war das GPS immer sehr hilfreich. Die letzten 12 km geht es in gnadenlosem Downhill auf einer Straße, wie ich sie sonst nur von den übelsten Alpen-überquerungen kenne, runter zum Fluss. Ich bin wieder mal sehr froh, ein Fully zu haben. Mein querido Burro hat mal wieder ganze Arbeit geleistet. Nach gewohnt gutem Dinner geht’s zum dritten Mal in Folge in den Schlafsack. Die Temperaturen sind angenehm und die Camping-Utensilien wieder einigermaßen trocken.
August 2014 Über das Dach der Tour
Etappe 22,Bushcamp Nationalpark Huascaran – Bushcamp Huallanca, 62 km, 988 hm,
33% Asphalt, no Timing, vormittags sonnig, später bewölkt,Regen, Schnee
Nachdem die letzten beiden Nächte im Bushcamp sehr warm waren und ich keinen Schlafsack benützte, war die letzte Nacht das Kontrastprogramm dazu. Eingehüllt nicht nur in den Schlafsack, sondern auch noch mit Mütze und Handschuhen ausgestattet, versuchte ich die Nacht ohne Frieren zu verbringen. Es gelang nicht ganz. Als ich morgens mein querido burro sah, war mir klar, dass ich gerade eine Nacht mit ziemlichen Minusgraden hinter mich gebracht hatte. Das Fahrrad, aber auch das Zelt war mit einer dicken Raureifschicht überzogen. Es war gut, dass wir das Frühstück um eine Stunde nach hinten geschoben haben, So hatte die intensive Morgensonne Gelegenheit, die Sachen zu trocknen und auch uns wieder aufzutauen.
Es geht wieder zurück auf die Waschbrettpiste. Die ersten 5 Kilometer kenne ich ja schon. Es war der Weg, auf dem ich gestern über das Ziel hinausgeschossen bin. Er zieht sich sehr lange, teils richtig steil nach oben. Auf dem höchsten Punkt sind wir erstmals über 4800. In einem rasanten Downhill mit tausenden Schlaglöchern, Rinnen, Steinen und Felsbrocken auf der Piste geht es hinunter zum Lunchstop. Bin dort als erster. Das verwundert mich. Es waren einige vor mir. Wahrscheinlich haben sie Fotostopps eingelegt. Aber das habe ich auch. Einige mächtige Exemplare von den „Königinnnen der Anden“ fotografiert und immer wieder die 360° Rundumsicht der mächtigen Anden mit Gletschern, die fast bis zum Vorderrad reichten genossen.
Nachmittags überqueren wir nochmals zwei Übergänge mit über 4800 m. Es tun sich jetzt aber mächtige dunkle Wolken auf und es wird richtig kalt. Mit langen Trikot und Beinlingen mache ich mich dann auf die 1400 „Tiefenmeter“ Abfahrt hinunter in Richtung Bushcamp bei Huallanca. Habe gerade das Zelt aufgestellt, als es zu regnen anfängt. Mache zum ersten Mal einen Mittagsschlaf im Zelt und höre, wie der Regen gegen das Zelt prasselt.
Die anderen Teilnehmer, die später dran waren hat es voll erwischt. Oben mussten sie sich teilweise durch Schneetreiben kämpfen. Die schon weiter unten waren, durch den Regen. Habe nach dem Mittagsschlaf noch ein erfrischendes Bad an dem Fluß genommen, an dem wir unser Camp aufgeschlagen haben. Dieser fließt, so sagt Wilbert, in den Amazonas und damit in den Atlantik. Das heißt, wir haben heute auch die Wasserscheide überschritten.
August 2014 Erster Etappensieg
Etappe Huaraz – PN Huascaran ((Bushcamp), 57 km, 1210 hm,76% Asphsalt, Full Timing
sonnig, wenig Wind
Die zweite Nacht auf 3000m war etwas besser als die erste. Trotzdem wache ich ein paar Mal auf und spüre die Sauerstoffknappheit. Es fühlt sich an, wie wenn man zu wenig Luft bekommen würde. Aber auf dem Fahrrad spüre ich sofort, dass meine Beine heute nach dem gestrigen Ruhetag sehr gut sind. Es geht heute hoch in den Nationalpark Huascaran auf über 4200 m. Fahre bald auf Rijn und Diederik auf und dann einige Zeit mit ihnen. Rijn gibt wie die letzten Tage auch mächtig Gas und fährt uns davon. Fünf Kilometer vor dem Lunchstop bei km 42 legt Diederik eine Pause ein und kauft dan der Straße ein Cola. Fahre allein weiter bis zum Lunchstop. Dort sagt mir Walter,der Truckfahrer, dass nur noch James vor mir sei. Der habe keinen Lunchstop gemacht, sondern sei gleich weitergefahren. Ab dem Lunchstop beginnt jetzt die Waschbrettpiste mit nochmals 700 Höhenmetern. Bald sehe ich James am Horizont auftauchen. Ich weiß, das ich ihn Offraod packen kann. Und so ist es. Komme ihm immer näher und an einem steileren Stück passiere ich ihn. Da sind es noch 5 Kilometer bis zum Ziel. Das sollte sich am Eingang des Nationalparks befinden. Etwa zwei Kilometer davor überholt mich unser Führungstruck. Als ich am Eingang des Parks vorbeifahre sehe ich weder eine Flagge noch einen Truck. Da ich keine Zeit verlieren möchte, fahre ich einfach weiter und hoffe, das hinter dem nächsten Berg das Ziel auftaucht. So geht das Spielchen einige Zeit, bis mein Garmin 65 km und 4 400m Höhe anzeigt. Jetzt weiß ich, dass ich übers Ziel hinausgeschossen bin. Fahre zurück und sehe jetzt die Flagge und den Truck am Eingang des Parks. Inzwischen ist mehr als eine halbe Stunde seit meiner erstmaligen Durchfahrt vergangen. Der Einzige, der da ist, ist James. Es stellt sich heraus, dass sie noch keine Flagge aufgestellt hatten, als ich vorbeifuhr. Und der Truck war hinter einem Gebäude nicht einsehbar. Da ich als erster vorbeifuhr, wurde mir der Etappensieg zuerkannt. Das Bushamp schlagen wir an einer schönen Stelle am Eingang des Parks mit Sicht auf die schneebedeckten Berge auf.
Die markanteste Sehenswürdigkeit, die es hier gibt, ist die infloreszierende Pflanze Puya Raimondi, Siewird auch Königin der Anden genannt. Sie wird bis zu 10m hoch und hat mehr als 3000 Blumen und 6Millionen Samen in der Pflanze. Sie wird bis zu 40 alt und kommt nur in Peru und Bolivien auf einer Höhe zwischen 3200 und 4800m vor.Benannt ist sie nach dem italienischen Forscher und Botaniker Antonio Raimondi, der viele Jahre in Peru lebte und viele botanische Entdeckungen machte.
Das Dinner heute Abend ist eine kühle Sache. Wenn die Sonne hinter den Wolken verschwindet, hat es bei kaltem Wind Temperaturen von knapp über 0 Grad. Heute Nacht könnte das Thermometer sogar unter -10 Grad abfallen. Da kann ich zum ersten Mal mein Zelt, Schlafsack und die warme Schafwolldecke, die mir Brigitte mitgegeben hat, testen. Es ist übrigens das höchstgelegene Bushcamp der ganzen Tour. Wir sind immerhin auf 4250 m Höhe.
25. August 2014 Ruhetag in Huaraz
Jetzt ist der so herbeigesehnte Ruhetag schon fast wieder vorbei. Habe den halben Tag gebraucht, um endlich eine SIM-Card für Peru zu erwerben. Das war ganz schön harte Arbeit. Huaraz ist kein Provinznest, sondern hat über 100 000 Einwohner. Dazu kommen geschätzte 10 000 Backpacker und Andenexpeditionsteilnehmer auss aller Welt, die sich derzeit hier aufhalten. Huaraz ist Ausgangspunkt für viele Andenexpeditionen und unter anderem auch Bischofssitz der römisch-katholischen Kirche. Es wimmelt nur so von Trekkingshops und Exkursions-Reisebüros. Das Leben pulsiert hier bis tief in die Nacht. Während ich hier schreibe, höre ich von unten einen peruanischen Hit, der stundenlang läuft und der mir wahrscheinlich die ganze Nacht nachgeht. Rings um Huaraz türmen sich die schneebedeckten Anden auf. In der Cordillera Blanca gibt es 16 Sechstausender und zusätzlich 17 Gipfel, die über 5500 m hoch sind. Alle sind von Schnee bzw. Gletscher bedeckt. Aber auch hier ist die Erderwärmung spürbar. Die Gletscher sind im Schnitt seit 1970 um 15% zurückgegangen. Und die Experten warnen davor, dass sie die nächsten Jahrzehnte ganz verschwinden werden. Das wäre fatal, weil die ganze Region auf das Wasser angewiesen ist. Und das hat übrigens eine hervorragende Trinkqualität.
Zurück zum Kauf der SIM-Card bei Movistar,einem der zwei großen. Telekommunikations-Anbieter in Südamerika. Der andere ist Claro. Beiden begegnet man in Südamerika auf Schritt und Tritt, zumindest was die Werbung anbelangt. In diesem Shop musst du eine Wartemarke ziehen. An einem von 10 Schaltern wirst du dann irgendwann bedient. Englisch spricht niemand. Irgendwie habe ich es geschafft, der Angestellten klarzumachen, was ich will. Aber das ist nicht einfach, als Ausländer einen peruanischen Chip zu erwerben. An zwei anderen Schaltern, wieder nach langer Wartezeit, wird der Antrag abgestempelt, am dritten Schalter darfst du bezahlen. So habe ich nach fast 2 Stunden eine SIM-Card, die aber noch lange nicht aufgeladen ist. Das mache ich dann in einem anderen Movistar-Shop. Auch dort spricht man nur spanisch. Und so kommt es mir auch vor.
Die Enttäuschung ist groß, als weder telefonieren noch Internet funktioniert. Ich bin frustriert.Max, unser Computer-Experte sagt, ich bräuchte eine internationale SIM-Card. Ich wandere wieder zum ersten Shop mit der Frage nach einer internationalen Card. Ich bekomme eine Vorwahl, und Telefon und Internet, welch freudige Überraschung, klappen jetzt.
Habe noch eine Stirnlampe und eine Plane als Zeltunterlage erworben und bin jetzt bereit für die nächsten drei Tage im Buschcamp. Werde jetzt meine Gepäckstücke fertigmachen für morgen.
Melde mich wieder, wenn ich zurück in der Zivilisation bin.
Hasta luego Alfredo
24. Aug. 2014 Und über allem thront der Huascaran
20. Etappe Caraz – Huaraz, 70 km, 1223 hm, 100% Asphalt, Half-timing
wolkenlos, warm, kein Wind
Wieder einmal ist die örtliche Polizei morgens zur Stelle und sperrt für uns die Straßen ab, damit wir ohne Verkehrsstress aus der Stadt fahren können. Obwohl heute wieder bis zum Lunchstop Rennen angesagt ist, habe ich mir vorgenommen, heute Sightseeing zu machen. Und vor allem äußerst bedächtig und traurig berührt durch die Stadt Yungay zu fahren. Die Stadt hat beim verheerenden Erdbeben 1970 traurige Geschichte geschrieben. Eine durch das Erdbeben am 31.5. 1970 ausgelöste Schlammlawine, die von den Hängen des Huascaran kam, löschte allein in Yungay innerhalb Sekunden über 20 000 Menschenleben aus. Aus der Stadt überlebten nur insgesamt 400 Menschen. Davon 300 Kinder, die an diesem Sonntagnachmittag im örtlichen Stadion einen Zirkus besuchten. Und 100 andere Menschen, die zu diesem Zeitpunkt auf dem Friedhof waren. Beide Orte liegen etwas oberhalb der Stadt und wurden daher nicht überschwemmt. Die Stadt wurde an einer etwas anderer Stelle neu errichtet und die 300 Kinder, jetzt alle Vollwaisen, wurden einzeln in verschiedene Länder ausgesiedelt, um mit dem Trauma besser fertig werden zu können. Insgesamt gab es bei diesem Erdbeben, das nur 45 Skeunden dauerte, über 80 000 Tote, 25 000 Vermisste und 143 331 Verletzte. Über eine Million wurde heimatlos. Heute erinnert ein Mahnmal an diese Katastrophe und eine überlebensgroße Christusstatue thront über dem Friedhof von Yungay.
Durch meine Fotostops verlor ich etwa 7-8 Minuten auf die Führenden. Das nahm ich aber locker zur Kenntnis. Der Vorsprung, den ich auf die unmittelbaren Konkurrenten die letzten Tage herausgefahren hatte, dürfte ausgereicht haben, um die Platzierung zu halten. Auch nach dem Lunchstop hielt ich immer wieder an, um beeindruckende Fotos von den schneebedeckten 6000ern ringsum zu machen. Und über allen thronte der Huascaran, der mit 6768 m höchste Berg Perus und der zweithöchste in Südamerikas.
Auffallend sind die vielen politischen Versammlungen, Werbeplakate und Demonstrationen. Auf der Strecke gerate ich in eine „rote“ Demonstration, in Huaraz in eine mächtige grüne. Was immer das auch heißen mag. Es scheint sich politisch einiges zu bewegen.
Haben morgen nach den anstrengenden 4 Etappen und den kommenden noch strengeren 4 Etappen einen Ruhetag. Huaraz ist eine relativ große Stadt mit vielen Einkaufsmöglichkeiten. Hier trifft man auch immer wieder auf Bergsteiger und Radfahrer aus Europa.
23. August Durch 26 Tunnels im Canon del Pato
19. Etappe Canon del Pato – Caraz, 66 km, 1605 hm, 35% Asphalt, Half-Timing
sehr warm, leichter Rückenwind
Rob ermahnt uns beim Frühstück, die Schuhe auszuschütteln, bevor wir sie anziehen. Anscheinend gibt es hier Skorpione und sie suchen sich bevorzugt Schuhe, weil diese für sie Höhlen darstellen. Doch ich spüre in meinen Schuhen nichts. Wahrscheinlich bevorzugen sie keinen Fußschweiß. Das Rennen geht wieder bis zum Lunchstopp über knapp 30 km und 900 hm. Es entwickelt sich wie gehabt. Schnappe mir alle wieder, außer Rijn und Diederik, einer kletterstarker Niederländer, der gestern zurückgenommen hatte. Fahre bei einer Renndauer von 1.40 Stunde einen Vorsprung von 12 Minuten auf den Nächsten heraus. Die Piste ähnelt wieder einem Waschbrett, ist aber deutlich steiler als gestern.
Nach dem Lunchstop fahren wir durch insgesamt 26 mehr oder weniger lange Tunnels, In manchen ist es so dunkel, dass man ohne Licht die Orientierung verlieren würde. Ab km 40 geht es wieder auf eine Asphaltstraße. Der Canyon wird jetzt breiter und die angebauten, grünen Flächen größer. Ringsum können wir jetzt die schneebedeckten Gipfel der Cordillera Blanca erkennen. Der Nevada Huascaran, der höchste Berg Perus mit 6768 m ragt mächtig direkt hinter unserem Etappenort Caraz in den Himmel. Wir sind jetzt wieder auf 2300 m Höhe und werden die nächsten Tage noch deutlich höher steigen.
22. August 2014 Am Rio Santa 18.Etappe Chimbote -Chuquicara, 85 km, 1045 hm, 10% Asphalt, Half-Timing
anfangs noch kühl, später sehr warm, Rückenwind
Ich werde wohl noch ein paar Nächte brauchen, um einen guten „Zeltschlaf“ zu bekomme Trotzdem fühle ich mich auf dem Fahrrad recht bald wieder wohl. Das ist auch gut so, denn heute ist bis zum Lunchstop wieder Rennen angesagt. Habe etwas Luft aus den Reifen abgelassen. Das hat meinem qB gut getan. Rolle das Feld von hinten auf, überhole James locker und vor der Zeitnahme auch noch Jost und Patrick, die sich am Start mal wieder davongeschlichen hatten. Nur Rijn war mir zu schnell. Er ist der Einzige, der nach 50 km Waschbrettpiste, stets mehr oder weniger bergauf, noch vor mir ist.
Auf dieser Piste sind wir aber nicht allein,.Auch Trucks, Busse und andere Fahrzeuge überholen oder begegnen uns. Und jedes Mal werden wir in eine Staubwolke eingehüllt.
Nach dem Lunch lassen wir es gemütlicher angehen. Jetzt können wir die Szenerie rings um uns richtig begreifen. Der Rio Santa, wahrscheinlich gespeist vom Gletscherwasser der höchsten peruansichen Berge, hat sich tief durch Gestein und Sand in die Erde gegraben. Die Berge links und rechts von uns türmen sich fast senkrecht über 2000 Meter nach oben. Wenn du hochschaust, wird dir schwindlig. Und wenn du siehst, wie tief es manchmal direkt an der Straße nach unten geht, weißt du, dass ein Fahrfehler fatale Folgen hätte. Leitplanken gibt es nicht. Die Brücken sind abenteuerlich und schmal, ohne Geländer, oft nur mit Holzbohlen belegt. Das Tal ist unterschiedlich breit und teils so schmal, dass der Weg durch Tunnels im Fels direkt am Fluß verläuft. Diese sind natürlich unbeleuchtet und du kannst nur hoffen, dass dir im Tunnel kein Truck oder Bus begegnet. Immer wieder tauchen Siedlungen oder kleine Dörfer auf. Irgendwie schaffen sie es, dem Fluß das lebensspendende Wasser abzuringen und kleine Gärten und Felder anzulegen. Diese grüne Oasen tun dem Auge gut, denn sonst ist nur Gestein, Sand und Staub zu sehen.
Die Sonne steht wieder so hoch, dass selbst an engen Stellen die Felsen keinen Schatten spenden. Der Computer zeigt wieder einmal 43° in der Sonne. Wir sind froh, dass wir in einer solchen „Oase“ kurz vor dem Ziel kühle Getränke, sogar ein Bier bekommen. Und nach einem erfrischenden Bad an einer zugänglichen Stelle am Fluß können wir uns sogar richtig erfrischen und die Staubschicht wegspülen. Alle verschwinden nach dem Dinner ziemlich schnell in ihrem Zelt
21. August 2014 Zurück in die Anden
17.Etappe Huanchaco – Chimbote (Bushcamp), 116 km, 831 hm, Not Timing, 85% Asphalt
bewölkt, wenig Wind, abends starker Wind, kalt.
Nach unseren beiden Ruhetagen am Meer geht es die ersten knapp 100 km nochmals zurück auf die stark befahrene Panamericana. Fast genau bei km 100 biegen wir links ab, sind mit einem Schlag weg vom Verkehr, aber auch von einer befestigten Straße. Erstmals geht es richtig „Offroad“. Mein querido burro freut sich mächtig – das ist sein Revier. Nach 16 km Fahrt durch eine Mondlandschaft, schlagen wir mitten in der Sierra unsere Zelte zum Bushcamp auf. Erstmals muß ich bei heftigem Wind mein Zelt aufbauen, was meine volle Geduld erfordert. Nach einer guten Suppe und einem noch besseren Dinner von unserer Köchin Ellen werde ich hoffentlich eine ruhige Nacht im Zelt genießen können.
20.August 2014 Zweiter Ruhetag in Huanchaco
Habe zum ersten Mal nachts nicht gehustet! Die frische Meeresluft scheint zu wirken. Die Party gestern abend bei Lucho war sehr stimmungsvoll und laut. Das eigentliche Erlebnis war aber die ca. 20 km lange Taxifahrt in einem Minibus. Eigentlich war der für 7 Personen ausgelegt. Maximal waren wir 20 Personen. Auf dem Tachostand konnten wir die Zahl 800 000 km ausmachen. In Südamerika gibt es ja die Temposchwellen zur Einhaltung des Tempolimits, vorwiegend in bewohnten Gegenden, manchmal auch außerhalb. Diese mal höheren, mal nicht so hohen, mal gekennzeichneten, mal nicht markierten Hindernisse quer über die Fahrbahn haben wir mit dem Fahrrad die letzten 7 Tage geschätzte 765 mal überquert. Kein großes Problem für ein Fahrrad, schon gar nicht für mein Fully. Aber absolut tödlich für altersschwache südamerikanische Vehikel, wenn der Fahrer nicht vorher auf Schritttempo herunter bremst. Dann kann er nachher in Einzelteilen seinen Untersatz zusammensammeln. Ein radikales Mittel, um die Tempolimits einhalten zu müssen. Im 250% überladenen Taxi fühlt sich das dann an wie eine Kirmes-Boxauto-Fahrt bei gleichzeitigem Erdbeben. Na ja, wir sind alle heil ausgestiegen. Die Schutz-Madonna, die sie alle am Rückspiegel hängen haben, hat wahrscheinlich wieder einmal geholfen.
Nach zwei Ruhetagen freuen sich die meisten Teilnehmer, so wie ich auch, morgen wieder auf das Rad steigen zu können. Unsere Akkus sind wieder aufgeladen. Das wird die nächsten Tage auch nötig sein. Werde dann voraussichtlich 2 Tage keine Berichte übermitteln können, da wir im Bushcamp keinen Strom und Internet haben. Hasta luego
Liebe Leserinnen und Leser meines Tagebuches,
Vielen Dank für euere zahlreichen Einträge in meinem Gästebuch. Ihr gebt mir dadurch so viel Motivation und Energie. Täglich bin ich durch eure Einträge immer neu motiviert. Heute, am ersten Ruhetag in Huanchaco habe ich voll relaxt. Mit Walter, unserem österreichischen Truckfahrer einen ausgiebigen Strandspaziergang gemacht und den Pelikanen bei ihren Flugkünsten zugeschaut. Auch ein Seelöw hat uns überholt. Natürlich im flachen Wasser, nicht am Strand. Heute abend ist Party bei Lucho, unserem Mechaniker. Morgen werden wir mit Pavel und THomas aus Tschechien zwei neue Zimmerkameraden bekommen. Nachfolgend schreibe ich einen Gesamtbericht über die erste Sektion des Andentrails.
Hasta luego
Alfred
Bericht vom 1. Teil des Andentrails 2014
Quito/Ecuador – Huanchaco/Trujillo/Peru 1507 km, 19942 hm
Die Anspannung, die Ungewissheit,aber auch die Vorfreude war fast greifbar, als es am 1. August am Äquator-Monument „Mitad del Mundo“ losging zur 4. Auflage des Andentrails. In einer kurzen Ansprache begrüßte uns und schickte uns der Bürgermeister von Mitad ganz offiziell auf die 11 000 km lange Strecke bis nach Ushuaia/Feuerland und wünschte uns „felix viaje“.
Die ersten zwei bis drei Tage führten dann auf der stark befahrenen Panamerica vorbei an den Vulkanen Cotopaxi und Chimborazo. Die nächsten Tage auf der Avenida de los Vulcanos wurde der Verkehr weniger, die Berge immer höher, die Täler immer tiefer und wir waren überwältigt von der Szenerie. Wir passierten und besuchten größere Städte wie Cuenca und Loja mit ihren Sehenwürdigkeiten, besuchten Indiomärkte in kleineren Städten, die an der Strecke lagen. Der südamerikanische Wettergott meinte es nicht immer gut mit uns. Teils heftige Winde und Regenschauer warteten auf uns auf den Passhöhen und Abfahrten . Nach knapp 2 Wochen überquerten wir die Grenze zu Peru. Damit veränderte sich die Landschaft und auch die Kultur total. Wir fuhren jetzt durchs peruanische Tiefland, gleichbedeutend mit wüstenartigen, lebensfeindlichen Verhältnissen, vergleichbar mit afrikanischen Ländern. 2 Tage lang hatten wir Temperaturen von über 40° zu ertragen. Wir hatten jetzt auch das Gefühl, in einem richtigen Entwicklungsland zu sein. Kilometerlange Müllberge links und rechts der Straße sind Zeugen von unbewältigten Problemen. Überall Plastik. Selbst mit Hungerlöhnen ist es zu kaufen. Über die Entsorgung macht sich aber scheinbar keiner Gedanken. So lernen wir in den ersten Tagen in Peru vor allem die negativen Seiten des Landes kennen. Nach fast einer Woche Fahrt über schnurgerade Straßen der Panamerica, meist in größeren Gruppen, ohne nennenswerte Steigungen, immer wieder von Trucks oder Bussen auf die Standspur gedrängt, erreichen wir zum ersten Mal den Pazifik in Pacasmayo. Ein tolles Hotel direkt am Strand entschädigte uns dann für die Horrorfahrten der letzten Tage. Nach einem weiteren Tag Wüstenfahrt erreichten wir das Ziel der ersten Sektion: Huanchaco ist ein Bigpacker-Vorort von Trujillo. Hier haben wir jetzt zwei Ruhetage. Eine Teilnehmerin steigt hier aus dem Trail aus und 4 neue werden dazukommen. Es ist die Heimatstadt unseres Mechanikers Lucho. Er hat uns heute Abend zur Party eingeladen. Wir werden uns hier gut regenerieren zu können, um fit zu sein für die nächsten Tage. Dann geht es wieder zurück in die Anden. Wir werden dabei innerhalb 6 Tagen auf über 4800 m Höhe ansteigen. Und dann werden wir sicher die andere Seite Perus kennenlernen: beeindruckende Landschaften,Lamas, indigene Bevölkerung, Ruinen in Macchu Picchu.
Ein paar Worte zum Rennen: Es führt James Hodges, ein Amerikaner. Sie sagen von ihm, er sei gekommen, um das Ding zu gewinnen. Und es sieht alles danach aus. Er hat bisher alle gewerteten Etappen gewonnen. Aber der Weg ist noch weit bis Ushuaia... Nach ihm kommt mit Rjin ein sehr ausdauerstarker Niederländer. Ab Platz 3 sind die Abstände nicht mehr sehr groß. Bin momentan als 5. im Ranking geführt. Dieser Platz ist für mich zweitrangig. Trotzdem werde ich in den Bergen versuchen, den Platz zu verteidigen. Mein Training hat sich voll ausbezahlt. Habe bisher keinerlei Probleme mit den Beinen, Gesäß oder Rücken. Nur eine Erkältung mit heftigen Hustenanfällen hat mich anfangs geplagt. Das ist jetzt besser.
Die Organisation von Bike-dreams ist hervorragend. Alles klappt sehr gut. Wir werden von einem motivierten Team hervorragend begleitet und mit gutem Essen und Trinken versorgt. Vamos!
Viele Grüße aus Peru
18. August 2014 Sektion 1 beendet
16.Etappe Pacasmayo – Huanchaco, 112 km,446 hm, 100% Asphalt
zuerst diesig, dann sonnig, leichter Gegenwind, no Timing
Die Überraschung erfolgt kurz nach dem Start. Nach einer Ehrenrunde vor dem Rathaus von Pacasmayo werden wir auf der Straße vom Bürgermeister der Stadt empfangen und auf die Reise geschickt. Er wünscht uns „velix viaje“ und eine Abordnung auf einem Pickup bringt uns nicht nur aus der Stadt, sondern gibt uns die ersten 20 km Windschatten. Danach folgen triste 90 km durch die Wüste. Die Straße geht schnurgerade bis zum Horizont, und wenn du dort bist, beginnt das Spiel von neuem. Die Straße ist eigentlich einspurig in jede Richtung. Doch es gibt eine unsichtbare dritte Spur in der Mitte, und die gehört den Trucks. Falls nach einer Kuppe ein anderer Truck oder ein Bus entgegenkommt, fangen sie an zu hupen. Das ist das Zeichen, sich schnell vom Acker zu machen. Die Tuk-Tuks und wir sind nun mal die Schwächeren.... Nur sehr wenig sieht man der Wüste abgetrotzte grüne Flächen, wo etwas angebaut wird.
Robert mahnt uns morgens bei seiner Info, in Gruppen zusammen zu bleiben, da wir die Gegend mit den vermehrten Überfällen passieren. In zwei Gruppen erreichen wir kurz nach eins das Etappenziel Huanchaco am Pazifik. Es ist ein Bagpacker-Ort mit vielen Rucksacktouristen, wenige Kilometer von der großen Hafenstadt Trujillo entfernt. Hier ist unser Mechaniker Lucho zu Hause. Wir werden sofort sehr freundlich von seiner Familie aufgenommen. Ein idealer Ort, um 2 Tage ausspannen zu können, Kleider zu waschen oder waschen zu lassen.
Damit ist die erste Sektion des Anden-Trails beendet. Wir haben dabei 1507 km zurückgelegt. Eine Teilnehmerin, es ist die österreichische Frau unseres Truckfahrers Walter, verlässt hier wie geplant den Trail und fliegt zurück nach Österreich. Es werden vier oder fünf neue Teilnehmer dazukommen, unter anderem 2 Tschechen. Die Gruppe wird also etwas größer werden.
17. August 2014 Wir sind am Pazifik
15. Etappe Lambayeque – Pacasmayo, 118 km, 363 hm, 100% Asphalt, Timing
bedeckt, neblig, wenig Wind
Heute ist Sonntag. Ob es wohl jemand registriert hat? Wir lernen die größtmögliche negative Seite eines Entwicklungslandes kennen. Kilometerlange Müllhalden links und rechts der Straße, trostlose Gegend, Wüste mit Sanddünen und verstärkter Verkehr auf den Straßen. Die überlangen Trucks zeigen uns deutlich, wer hier das Sagen hat. Wo kein Platz ist, schaffen sie sich einen. Es herrscht das Gesetz des Stärkeren. Das sind nicht wir. Immer wieder müssen wir auf die Standspur ausweichen, um dem Kolossen nach gewagten Überholmanövern Platz zu machen. Wir fahren wieder in einer starken knapp 20 Mann/Frau starken Gruppe mit einem Schnitt von über 25 km/h. So überwinden wir diese Horrorstrecke in etwas mehr als 4 Stunden. Ein richtiges Hochgefühl kommt auf, als wir in die kleine Stadt Pacasmayo herunterfahren und vor uns der Pazifik auftaucht. Für den Rest des Tages werden wir für die Unansehlichkeiten am Vormittag belohnt. Ein Hotel direkt am Meer mit ordentlich eingerichteten Zimmern. Mache gleich einen ausgedehnten Strandspaziergang und genieße die frische Brise, die vom Meer her kommt. Es scheint jetzt auch die Sonne bei knapp 20°.Balsam für meine geschundenen Bronchien. Fühle mich wie im Urlaub. Nach 3 Welcome-Drinks mit Tequila bin ich allerdings fast schon knülle.
l16. August 2014 Richtung Meer
14. Etappe Motupe – Lambayeque, 72 km, 64 hm, Timing, 100% Asphalt,
warm, wenig Wind
Wir verlassen das Buschcamp mit der Hoffnung, keine weitere Dornen in den Reifen zu haben. Es ist mit 72 km eine relativ kurze Etappe. Das ist gut so, denn die letzten 2 Tage mit viel Sonne und noch mehr Kilometern haben schon etwas Substanz gekostet. So fahren wir in der Gruppe und wechseln uns vorne ab. Die Gegend ist jetzt absolut flach, keine Berge mehr zu sehen. Dafür nehmen die Ortschaften und der Verkehr wieder zu. In einer fast 20 Mann/Frau starken Gruppe erreichen wir schon vor 11 Uhr unser Hotel in Lambayeque. Es ist ein sehr stilvolles, tolles Hotel. Geleitet wird es von einer älteren Frau europäischen Aussehens. Das tut richtig gut nach dem Buschcamp. Das Highlight ist heute die Dusche. Bei einem kurzen Spaziergang stelle ich fest, dass die Ortschaft sehr sauber und gepflegt ist. Auch die Läden und Restaurants machen einen einladenden Eindruck. Robert empfiehlt uns, hier das größte Inka-Museum Perus zu besuchen. Hardy ist heute wieder aufs Rad gestiegen und war froh, keine strapaziöse Fahrt machen zu müssen. Er ist immer noch leicht angeschlagen. Hoffe heute, meine Berichte absetzen zu können, denn das Internet scheint instabil zu sein.
15. August 2014 – Die Fahrt durch die Wüste
13. Etappe Chulucanas – Motupe (Buschcamp), 147 km, 811 hm, 99% Ashalt
vormittags bewölkt, nachmittags sonnig, wenig Wind
Die bisher längste Etappe gehen wir mit einigem Bammel an. Wird uns die Sonne noch ganz weichkochen? Nein, sie tut es gottseidank nicht. Es ist vormittags bewölkt bei leicht frischem Wind. Auch nachmittags bleiben die Temperaturen bei unter 30° akzeptabel. Wir fahren ab dem Start weiter mit Polizeischutz, erst in der fast unbewohnten Wüstengegend drehen sie ab. Die „Zona urbanas“ die bewohnten Gegenden werden immer weniger. Dann gibt es nur noch ganz magere Ziegen, Schafe, Kühe und Schweine zu sehen. „Die sind ja noch magerer als wir“ denke ich. Aber wir werden ja auch gut von unseren Begleitern verpflegt. Auch heute bringt der Lunchstop uns wieder genug Energie, um die zweiten 73 km zu überstehen. Meist fahren wir in der Gruppe. Am zweiten und letzten Berg starte ich eine Attacke, der nur Diederich folgen kann. Zu zweit bringen wir ca. 20 Sekunden Vorsprung durch gutes Teamwork und Windschattenfahren ins Ziel. Als Zweiter hinter, natürlich James, der wieder einsam seine Strecke gefahren ist, steige ich vom Rad.
Heute steht Buschcamp an. Etwas nervös baue ich mein Zelt auf. Habe es ja nicht so oft gemacht in letzter Zeit. Bei vielen sehe ich, wie erfahren sie im Umgang damit sind. Na ja, ich habe ja noch genug Gelegenheit, zu üben. Die größte Gefahr ist der dornige Boden. Die kleinen Dinger sind kaum zu sehen. Sie bohren sich aber durch ganze Schuhsohlen. Und Fahrradmäntel. Schon haben die ersten Plattfüße zu melden. Ab diesem Zeitpunkt werden die Räder nur noch durch das Camp getragen. Ellen, unsere Köchin zaubert uns ein hervorragendes Dinner auf die Bierbänke und als Alec noch eine Geburtstagstorte verteilt, ist die Stimmung wieder bestens. Es schläft sich nicht so besonders gut, so ganz ohne Dusche und im ungewohnten Zelt.
14. August 2014 – Wir sind in Peru
12. Etappe Macara – Chulucanas, 126 km, 860 hm, 98 % Asphalt
sehr warm, wenig Gegenwind
Schon nach wenigen Kilometern müssen wir unsere Fahrt wieder unterbrechen. Es dauert fast 2 Stunden bis wir die equadorischen Ausreise- und die peruanischen Einreiseformalitäten erledigt haben. Aber wir brauchen den Stempel im Reisepass, um wieder im nächsten Land einreisen zu dürfen
Es ist kaum zu glauben, aber schon direkt an der Grenze fühlst du, in einem anderen Land zu sein. Aus den Pickups, LKWs und Autos von Ecuador werden Trikes. Das sind überdachte Motorräder mit einer Sitzbank quer über den beiden Hinterrädern.In allen möglichen Farben und Verzierungen, Damit werden Personen, die Ernte, Zement oder Tiere transportiert. Sie gleichen den Tuk-Tuks in Asien. Mehrstöckige Häuser sind kaum noch zu sehen. Meistens nur noch flache Lehmhütten links und rechts der Straße.
Die Landschaft wird immer flacher und schon bald tauchen links und rechts der Straße Reisfelder auf. Wir können uns nicht vorstellen, woher sie das Wasser dafür nehmen. Eigentlich ist alles ausgetrocknet. Aber schon bald müssen wir zweimal die Straße verlassen und auf einem improvisorisch aufgeschüttetten Damm den Fluß durchqueren. Wahrscheinlich kommt das Wasser aus den Anden.
Von der Grenze bis zum Etappenort Chulucanas genießen wir Polizeischutz. Mit vielen Polizisten schirmen sie die ganze Gruppe ab. In Staffelform werden wir begleitet. Immer nach ca. 20 km werden die Männer, meist auf Motorrädern, von den nächsten abgelöst. Anscheinend kommen hier immer wieder Überfälle auf Trekkingradler vor. Nachdem Peru aber ein Touristik-Land werden will, wird scheinbar alles getan, um das Land sicherer zu machen. Uns kann das nur recht sein. Wir fühlen uns beschützt und bei den Durchfahrten durch Dörfer auch als wichtige Personen.
Durch den langen Aufenthalt am Zoll bedingt, fahren wir jetzt bei hochstehender, brennender Sonne.Die Temperaturen liegen wieder deutlich über 40°. Den einzigen Schatten, den es heute wieder gibt ist der Windschatten. Den nützen die meisten, es wird vor allem in Gruppen gefahren. Ich komme mit der ersten Gruppe nach James an. Wie alle anderen steige ich ausgebrannt vom Rad. Das Hostal liegt direkt an der Hauptstraße, bietet wenig Komfort, kein Internet und wir schlafen zu dritt in einem kleinen Zimmer. Aber an Schlaf ist sowieso kaum zu denken, denn unaufhörlich rattern die Tuk-Tuks vorbei. Nur weil wir sehr müde sind, gelingt es uns, doch noch ein paar Stunden zu schlafen.
Hardy ist heute im Begleitfahrzeug mitgefahren. Es hat ihm gestern bei den hohen Temperaturen den Stecker gezogen. Er möchte nur noch schlafen.
13. August 2014 Wo bleiben sie denn?
11. Etappe Catacocha – Macara, 94km, 1417 hm, 100% Asphalt, no Timing
sehr warm, kein Wind
Wir starten mit einem Downhill von fast 1000 hm. In rasantem Tempo bei wenig Verkehr und sehr guter Straße mit einigen gut ausgebauten Kurven glaubt man, auf einer Achterbahnfahrt zu sein. Ich spüre sehr bald, dass ich noch bessere Beine habe als die letzten Tage. Bald bin ich auch an der vordersten Gruppe vorbei. Jürg, der Schweizer sagt noch in seinem Dialekt: „Aha, jetzt kommt der Alpenexpress. Der Alpenexpress nimmt weiter Fahrt auf und ist schon beim Lunchstop, bevor diese bereit sind. Dieser ist heute auf einem schönen Rastplatz etwas abseits der Straße direkt an einem Fluss. Nach einem kurzen Happen und vielem Trinken nehme ich den zweiten Teil der Etappe in Angriff. Eine landschaftliche Augenweide kommt nach der Anderen. Es wird immer wärmer, nein es wird richtig heiß. Der Computer zeigt Temperaturen von deutlich über 40°. An der Sonne. Den Schatten sucht man vergebens. Die Sonne steht direkt über uns. Nach dem dreiviertelstündigen Anstieg wird die Strecke flacher und mit dem Fahrtwind sind die Temperaturen dann erträglicher. Lucho, unser peruanischer Mechaniker, ist der einzige, der noch vor mir ist. Mein Rad läuft grandios. Ich stimme innerlich ein Loblied auf die 29er Laufräder an.. Immer wieder fahre ich zu Lucho auf und gemeinsam erreichen wir das Ziel Macara. Mit deutlich mehr als einer Stunde Vorsprung auf die Nächsten. Schon kurz nach 12 Uhr beziehe ich das Zimmer in dem tollen, fast neuen Hotel Los Arrozales. Hier können wir nochmals Komfort und ein Internet genießen. Übermorgen werden wir – nach Überschreiten der peruanischen Grenze - das erste Buschcamp aufschlagen. Bin schon ziemlich gespannt, was da auf mich zukommt. Auf jeden Fall werde ich übermorgen keinen Tagesbericht senden können. Das werde ich, sobald als möglich, nachholen.
12. August 2014 Wir verlassen die Hochanden
10. Etappe Loja - Catacocha, 96 km, 2273 hm, 99% Asphalt, Timing
Nebel, Regen, Sonne, kaum Wind
Nach schlafreicher Nacht – auch ohne Tablette- und mit fast keinem Husten, durch den Ruhetag gut erholt, bin ich voll motiviert für diese Etappe. Als Rob dann morgens beim Briefing uns wenig Verkehr und tolle Eindrücke verspricht, steigt das Stimmungsbarometer nochmals. Auch Nieselregen beim Start und wolkenverhangene Berge können die Stimmung nicht wirklich drücken.Schon beim ersten Aufstieg tauchen wir voll in die Wolken ein und oben am Pass empfängt uns richtiger Regen. Zum ersten Mal kann ich die Regenkleidung testen. Ich ziehe mich warm an, wohl wissend, wie man bei rasanter Abfahrt über 1200 Höhenmeter frieren kann. Mein Plan geht auf. Die Regenkleidung hält dicht und ich fange nicht zu frieren an. Auf dem Mountainbike, gutem Profil auf den 29er Reifen und Scheibenbremsen fühle ich mich auch sicher. So fange ich den einen oder anderen wieder ein, der mich beim Anziehen überholt hat. Ich fahre zu Jürg auf. Der sagt in seinem Schweizer Dialekt mit trockenem Humor: Jetzt könnten wir für unsere Regenhosen einen guten Preis erzielen. Weiter unten wird der Regen weniger, hört ganz auf und in der Ortschaft Catamayo am tiefsten Punkt ziehen wir die durch den warmen Fahrtwind fast schon wieder trockenen Regenklamotten aus. Jürgs Computer zeigt jetzt 35° Grad an.Wir sind nur noch 1200 Meter über Meereshöhe. So tief waren wir seit unserem Start in Quito nie. Das bedeutet, dass wir jetzt die Hochanden verlassen haben und uns Richtung Tiefebene zum Meer hin bewegen. Beim Aufstieg scheint die Radhose wieder zu brennen. Die Sonne mit ihrer enormen Kraft sitzt uns wieder im Nacken. Jetzt ist wieder Sonnenschutzcreme angesagt. Die 1200 Höhenmeter, die wir gerade verloren haben, geht es jetzt wieder hinauf. Fahre zusammen mit Jürg hoch. Oben bietet sich wieder ein toller Ausblick auf die Täler beider Seiten.Wir fahren auf die Holland-Connection auf und in stetigem auf und ab geht es Richtung Catacocha. Die Landschaft verändert sich. Die kargen, trockenen Hänge der Anden machen Platz für Plantagen, Sträucher und Bäume.
Die Holländer machen Dampf, aber die letzte Steigung hinauf zum Etappenziel kontere ich und zeige meine Kletterfähigkeit. Bin dann als 4. im Ziel. Nur James und die beiden Aussies Terry und Barry waren früher da.
Wie mir Hardy gerade erzählt, werde ich als Gesamt 8. im Internet bei Bike-Dreams geführt. Über die Richtigkeit dieser Platzierung habe ich aber meine Zweifel. Die Zeitnahme ist überwiegend chaotisch. Was soll`s. Ich bin ja nicht wegen einer guten Platzierung hier. Aber Gerechtigkeit muss schon sein. Werde zukünftig die Protokolle genauer ansehen.
Das Hotel Arupos ist ok. Die Einheimischen hier haben wieder großes Interesse an uns.Es wäre schön, besser Spanisch zu können, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
August 2014 Zweiter und letzter Ruhetag in Ecuador
Zwei harte Etappen liegen hinter uns, zwei ebensolche vor uns. Da ist es gut, einen Tag dazwischen zu haben, um sich regenerieren zu können und die Krankheiten los zu werden. Habe seit langem wieder eine Nacht voll durchgeschlafen. Das habe ich Jürg zu verdanken. Er hat mir vor dem Einschlafen aus seiner unerschöpflichen Reiseapotheke eine Schlaftablette angeboten. Wahrscheinlich habe nicht nur ich, sondern auch er und Hardy besser schlafen können, weil sie nicht durch Hustenanfälle beim Schlaf gestört wurden.
Nachdem gestern die Stadt noch wie ausgestorben gewirkt hat, ist sie heute voller Leben. Die Parks sind voll, die Läden ebenso und auch vor Banken stehen die Menschen Schlange. Sie sind sehr europäisch gekleidet. Auch das Handy am Ohr gehört hier zum Alltag. Welcher Unterschied zu den Leuten auf dem Land oder den Indiomärkten! Dort herrschen noch bunte Trachten und Panamahut vor.
Um meine Telefonkarte wieder aufladen zu lassen, muss ich eine Wartemarke ziehen. Ich bin stolz, denn meine Spanisch-Kenntnisse reichen aus, um dem Mann hinterm Schalter meine Wünsche mitteilen zu können. Jetzt kann ich wieder mit Brigitte telefonieren.
In der Kathedrale von Loja, einem Meisterwerk kolonialen Baustils, zünde ich die zweite Kerze an für Manuel. Südamerika war seine zweite Heimat. Gerne wäre er nochmals hier gewesen. Doch des Allmächtigen Pläne waren andere. Wenn ich schwere Stunden zu überwinden habe, denke ich an ihn. Wie tapfer hat er sich gegen eine unheilbare Krankheit gewehrt. Verschwindend klein werden dann auf ein Mal meine Probleme.
Heute steht nur noch eine kleine Fahrradinspektion an. Mein Fahrrad, ich werde es jetzt einfach „querido burro“ (lieber Esel) nennen, schnurrt seit Lucho`s Latexmilch-Extrakt-Kur hervorragend. Werde mich aber in Peru in einem größeren Radladen einen neuen Milchvorrat zulegen müssen.
10.August 2014 Die Königsetappe in Ecuador
9. Etappe Ona – Loja, 110 km, 2471 hm, 100% Asphalt, Half-Timing
bedeckt, meist kühl, Regenschauer, kein Wind
In der Nacht bekomme ich wieder heftige Hustenanfälle. Plötzlich steht Jürg, der Schweizer, der mit uns das Zimmer teilt, neben mir, gibt mir eine Pille und Wasser. Er sagt, das hilft. Und tatsächlich, bald darauf ist der Anfall beendet und ich kann noch ein wenig schlafen. Das ist auch notwendig. Denn es steht die bisher härteste Etappe auf dem Programm. Nach dem Frühstück fühle ich mich schon wieder besser. Und auf dem Rad bin ich dann wieder im Element. Überhaupt habe ich das Gefühl, dass meine Beine abgekoppelt sind vom restlichen Körper. Sie kurbeln fast von alleine die Anden hoch. Keine Muskelschmerzen, keine Krämpfe, keine Knieschmerzen. Eine Folge des richtig dosierten Trainings? Auch heute scheinen sie auf den Befehl gewartet zu haben, richtig in die Pedale zu treten. So bin ich beim Lunchstop bei der Zeitnahme Sechster, obwohl ich wirklich weit unter der möglichen Pulsgrenze geblieben bin.
Es ist heute ziemlich ruhig auf der Panam, fast keine Laster und wenige Autos. So kann ich mich voll der Landschaft widmen. Die Anden sind heute in ein unglaubliches Licht getaucht. Der eine Berg reflektiert in der Sonne, während die anderen von Wolken umhüllt sind oder ins Dunkle abtauchen. Du bist auf einem Höhenzug, siehst hinunter ins Tal und denkst, dass der Weg dort hinführt. Der nimmt aber plötzlich eine andere Richtung und nach rasanter Abfahrt bist du in einem anderen Tal. Das Höhenprofil der heutigen Etappe gleicht einem Sägeblatt. Fahre 90% als Solist, erst beim letzten Aufstieg fahre ich zu Jürg auf und gemeinsam nehmen wir die letzten 20 km unter die Räder und finden dank unserem GPS-System auch gleich das Hotel. Nach einer warmen Dusche in einem sehr ansprechenden Hotel gehe ich mit Jürg in die Farmacia, um ein Mittel gegen den Hustenreiz zu haben. Ich hoffe, es hilft. Morgen haben wir schon wieder einen Ruhetag, bevor es dann die letzten Etappen in Ecuador zu überwinden gilt.Dieser Ruhetag kommt aber vor allem den reichlich Angeschlagenen gerade recht.
9.August 2014 Erstmals Regen
8. Etappe Cuenca-Ona, 106 km, 1876 hm, Asphalt, Timing
bewölkt, Regen, Sonne, böiger Wind von allen Seiten.
Ein Virus hat große Lücken in das Teilnehmerfeld geschlagen. Als wir heute morgen im Zentrum von Cuenca wegfahren, sind die Begleitfahrzeuge am Rande ihrer Kapazität. Maximal 6 Personen und 6 Räder können pro Fahrzeug mitgenommen werden. Beide Fahrzeuge sind bis auf den letzten Platz gefüllt. Wir fahren wieder über eine Stunde, bis wir uns durch die verkehrsreichen Außenbezirke von Cuenca gequält haben. So wie der Verkehrsgestank abnimmt, nimmt der Bratenduft zu. Liegt es daran, dass heute Samstag ist? Überall an der Straße grillen sie ganze Schweine am Stück. Manchmal fehlt schon ein Stück vom Hinterschinken. Nach 30 km beginnt die Straße richtig an zu steigen. Jetzt haben wir über 1000 hm bei 15 km Länge vor uns. Die kleine Gruppe zerfällt in Einzelkämpfer. Nur noch zwei hängen an meinem Hinterrad. Je höher wir kommen, desto stärker beginnt es zu regnen. Auf Passhöhe bei 3400 m schüttet es richtig und beginnt auch kalt zu werden. Zum ersten Mal müssen wir die Regenkleidung auspacken. Die nächsten 10 km bis zum Lunchstop sind für die meisten die bisher härtesten. Einige kommen ziemlich „schockgefroren“ daher. Gottseidank hat der Wettergott ein Einsehen. Gleich nach dem Lunchstop beginnt sich der Himmel wieder aufzuhellen und die Sonne entfaltet schon wieder ihre enorme Kraft. So sind wir alle wieder trocken, als wir nach einer Abfahrt von über 1600 hm bei einer Marke unter von ca. 1900 m ankommen. Erstmals sind wir unter der Meereshöhe von 2000 m.Aber gleich darauf beginnt der finale, knackige Aufstieg zum Ziel Ona auf 2300 m. Nach meiner Einschätzung bin ich als 4. noch vor 15 Uhr im Ziel.
Die Unterkunft ist very basic, Elektrodusche und Toilette hängen über dem Balkon im Freien. Aber in den Zimmern ist für jeden ein Bett da. Was wollen wir mehr?
August 2014 Ein erster Ruhetag
Am letzten Freitag am Äquatormonument Mitad del Mundo gestartet, heute am ersten Ruhetag in Cuenca, am nächsten Freitag werden wir bereits in Peru sein. Zuvor erwarten uns aber noch harte Tage. Aber genießen wir erst mal den Ruhetag. Zeit um die Wäsche abzuholen, das Rad zu warten und Körperhygiene zu betreiben. Und sich in der Stadt umzuschauen. Allerdings getraue ich mich nicht allzuweit weg, sonst würde ich in dieser Millionenstadt den Rückweg nicht mehr finden. Ich komme vorbei an beeindruckenden Gebäuden, meist im kolonialen Stil, und vielen Kirchen. Heute abend werden wir ein Fußballspiel der ersten ecuadorianischen Liga besuchen: International Quito gegen Deportivo Cuenca. Hardy hat das organisiert. Er will in den Fanblock von Quito. Bin schon sehr gespannt, ob das gutgeht.
Ruhetag – auch mal Zeit, sich mit den anderen Protagonisten auseinander zu setzen. Habe den Eindruck, dass ich in der Gruppe fast Novize bin. Scheinbar alle haben schon große Touren im Himalaya, China, Mongolei oder Afrika hinter sich. Für viele ist das hier eine Kurzepisode. Ein ganz interessanter Teilnehmer ist Max Hopper. Unscheinbar wirkend wie ein älterer Pastor, spricht er fünf Sprachen fließend und hat ein enormes Wissen. Als Nationalität ist Amerika angegeben, da ist der anscheinend geboren, lebt heute aber hauptsächlich in Irland, hat lange Zeit in den Niederlanden und in Deutschland gearbeitet. Der zweite Amerikaner Janes ist ein ganz anderer Typ. Anscheinend nimmt er teil, um das Rennen zu gewinnen. So wird gemunkelt. Bisher hat er auch alle Rennetappen gewonnen. Hatte in der Vergangenheit scheinbar eine schlimme Krankheit zu überwinden. Ein wahrer Wirbelwind ist unser peruanischer Mechaniker Lucho. Als vor drei Tagen bei Michelle die Radachse brach, hat er sich in einer Ferrerateria (Eisenwarenhandlung) ein Stück Rundeisen besorgt und bis 10 Uhr nachts eine neue Achse gebastelt.
Die Sache mit der Telekommunikation klappt ganz gut. Mit der ecuadorischen SIM-Card habe ich mir einen Hotspot gebaut und habe so gute Verbindung, wenn alle anderen mit ihrem WiFi jammern. Und die telefonische Verbindung ist hervorragend.
Highlight: Konnte heute mit Brigitte telefonieren und zukünftig klappt auch die Mail-Verbindung.
7. August 2014 Die Reihen lichten sich
7. Etappe: Etappe Ingapirca – Cuenca, 78 km, 1052 hm, Asphalt, Halftiming
bedeckt, kühl, leichter Wind
Nach wenig Schlaf wegen einigen Hustenanfällen bin ich erstmals morgens etwas gerädert. Nach dem guten Frühstück, von unserem Bike-Dreams Team zubereitet, fühle ich mich schon besser. Und als ich dann auf dem Rad sitze, fühle ich mich sogar wieder gut.Nicht so gut geht es dagegen einigen anderen Teilnehmern, die sich entweder eine Erkältung oder Durchfall eingefangen haben. Sie fahren heute im Begleitfahrzeug mit. Ich habe mir vorgenommen, die Radkleidung heute schneller an- oder auszuziehen, wenn es mir zu warm oder zu kalt ist. Aber es ist schwierig: Die äquatorische Sonne hat enorme Kraft und wenn sie hinter dir steht, hast du das Gefühl, dass deine schwarze Radhose brennt. Ist sie weg und kommt noch etwas Wind dazu, glaubst du, in im Herbst oder Winter zu radeln. Die Hunde scheinen uns heute wohlgesonnen zu sein – kein wirklicher Angriff. Nach einem 500 hm Anstieg auf knapp 3500m erfolgt eine rasante Abfahrt über 25 km. Inzwischen sind wir wieder zurück auf der Panam und dementsprechend nimmt auch der Verkehr wieder zu – wie im Großraum jeder Millionenstadt. Cuenca ist die drittgrößte Stadt Ecuadors und wegen ihren Sehenswürdigkeiten Anziehungspunkt vieler Touristen. Unser Hotel Espana liegt ziemlich im Zentrum. Mache gleich nach dem Einchecken und der obligatorischen Suppe mit Hardy einen kurzen Stadtrundgang, um ein Lokal fürs Abendessen zu finden. Bei einem Abstecher in einem Cafe (Cafe Austria) trauen wir unseren Augen nicht. Wir treffen wieder das deutsche junge Medizinerpaar, das wir in Riobamba kennengelernt haben. Sie warten immer noch auf die Ersatzlieferung für die Isomatte.
Das Hotel ist nach den letzten Erfahrungen ein Highlight. Wir haben ein Dreibettzimmer mit dem Schweizer Jürg Bächlich bezogen. Nachdem morgen unser wohlverdienter Ruhetag ist, haben wir im Hotel die Wäsche zum Waschen abgeben und sind gespannt, wie wir sie zurückbekommen werden.
p.s.: Halftiming bedeutet, dass das Rennen ab dem Lunchstopp gestoppt wird. Es hätte auch keinen Sinn gemacht, durch den dichten Verkehr auf Zeit zu fahren.
6.August 2014 Sprintrennen mit den Straßenkötern
6. Etappe, Chunchi - Ingapirca 71 km, 1979 hm, 100% Asphalt, Zeitnahme,
bewölkt, im zweiten Teil teilweise heftiger Seiten- und Gegenwind
Mit einer kurzen Ansprache übergab ich nach dem Frühstück das Lama an Diederich. Es war sowieso klar, wer es bekommen würde. Die Geschichte hatte sich inzwischen herumgesprochen. Er nahm es mit Humor. Die Strecke war für die Distanz mit knapp 2000 hm ganz schön selektiv. Erschwert wurde sie zusätzlich von vielen Hundeattacken. Obwohl wir eigentlich darauf vorbereitet waren, kamen die Angriffe oft überrraschend. So, als mir bei einer Abfahrt bei Tempo 60 einer seitlich reinrannte und nur knapp am Hinterrad vorbeischoss.. Mehrere Male mussten wir es darauf ankommen lassen, wer schneller ist, die Hundebande oder wir. Meistens gewannen wir. Wenn nicht, mussten wir uns mit Schreien und Fußtritten wehren. Eigentlich hatte ich ja im Notfall ein Pfefferspray in der Rückentasche. Aber ich brachte es nicht zur Anwendung. Die Pfeife ignorierten sie. Aber es scheint alles noch einmal gutgegangen zu sein. Als ob das nicht genug Stress gewesen wäre, kam dann teils heftiger, böiger Seiten- und Gegenwind auf. Er versetzte uns mitsamt dem Rad teilweise um 2 Meter. Der steile Schlussanstieg hinauf nach Ingapirca zog noch die letzten Körner aus den Muskeln.
Bei dem täglichen Briefing nach dem Frühstück sprach Rob von einem very basic Hotel in Ingapirca. Das war leicht untertrieben, denn es war very, very, very basic. Wir, Hardy und ich, sollten zusammen mit den Aussies Terrry und Kerry in einem kleinen Zimmer mit 2 Betten übernachten. Nachdem die beiden die Betten schon für sich in Beschlag genommen hatten, wäre für uns nur der Boden geblieben. Glücklicherweise hat Rob eingesehen, dass eine andere Lösung her musste. Auch andere Teilnehmer hatten sich beschwert. So konnten wir in ein kleines Restaurant mit ein paar Zimmern umziehen. Hier hatten wir sogar warmes Wasser zum Duschen. Und während ich diese Zeilen schreibe, sehe ich bei geöffneter Tür direkt auf die Inka-Ruinen von Ingapirca. Sie sind übrigens die einzigen in Ecuador und sind ein Ableger von Macchu Picchu. Natürlich haben wir sie am Nachmittag besucht.
Meine Beine waren heute wieder sehr gut, die Erkältung ist wieder etwas besser geworden und so hatte ich guten Druck auf den Pedalen und beendete die Etappe schon um 12.30 Uhr bei den ersten.
Morgen steht eine leichtere Etappe an, bevor wir den verdienten Ruhetag in Cuenca genießen dürfen.
5. August 2014 Die Etappe mit dem Lama
5. Etappe Alausi – Chunchi, 35 km, 701 hm, 100% Asphalt,
sonnig, warm, kein Wind
Der Tag beginnt mit einer Überraschung. Ich bekomme das Lama. Das Lama bekommt immer derjenige, der am Vortag besonders viel Pech hatte oder „daneben“ war. Ich bekomme es von Buck, der am Vortag der stolze Besitzer war. Und gerade der hat mich kurz vor Alausi beim Schieben des Fahrrades nach dem Plattfuß erwischt. Und normalerweise ist es gar nicht so einfach, es wieder los zu werden. Aber heute hatte ich Glück, und ich weiß schon, wem ich es übergeben werde. Diederich heißt der Pechvogel, der heute morgen als erster wegfuhr und an der einzigen Kreuzung anstatt links rechts fuhr und auf dem Weg Richtung Riobamba war. Erst nach vielen Kilometern und nachdem sein schärfster Verfolger James nicht auftauchte, merkte er, dass etwas nicht stimmte. Ich freue mich jetzt schon, ihm Morgen mit einer kleinen Rede das Lama übergeben zu dürfen. (die Rede auf Englisch muss ich noch einstudieren)
Die Etappe war eigentlich ein halber Ruhetag. Bereits um 10 Uhr waren wir am Hotel Chunchi Imperial, bevor die die Zimmer bereit hatten.Die meisten waren froh,einen etwas ruhigeren Tag zu haben, bevor es dann die nächsten zwei Tage vor dem ersten Ruhetag noch einmal heftig zur Sache gehen wird. Landschaftlich war die Strecke ein Genuss. Es kam so richtiges Anden-feeling auf. Ringsum hohe Berge, tief eingeschnittene Täler und am Strassenrand das fast schon übliche Bild: Kleine Frauen mit 1 Esel, 2 Kühen,4 Schafen, einem kleinen Kind an der Hand und eines auf dem Rücken und einem freundlichen Buenos Dias für die vorbeiradelnden Gringos.
Ich war sehr froh, als ich heute morgen sah, dass mein Vorderrad erstmals keinen Platten hatte. Lucho hat gestern gute Arbeit geleistet und ich hoffe, das dieses Problem jetzt auch gelöst. Auch die Erkältung ist etwas zurückgegangen und ich bin sicher, dass sie spätestens nach dem ersten Ruhetag abgeklungen ist.
4.August 2014 Auf der Straße der Esel
4.Etappe, 97 km, 1381 hm, wenig Wind, teils sonnig, teils bewölkt
Nach einem improvisierten Frühstück kommen wir pünktlich weg zur ersten Etappe mit Zeitnahme. Meine Erkältung ist nicht wesentlich besser geworden. Trotzdem genieße ich die Etappe von Beginn an. Ist es Zufall oder Absicht, dass am Ortsende von Riobamba eine Straßenkapelle auf einem Lastwagen vor uns herfährt und und uns mit einem südamerikanischen Rhythmus einstimmt? Gleich danach geht es aufwärts und die Sicht auf den Chimborazo ist überwältigend. Er ist mit 6200 m der höchste ecuadorianische Vulkan. Wir steigen auf 3100 m auf und kommen auf eine Hochebene, die geprägt ist von Landwirtschaft. Es herrscht geschäftiges Treiben auf und neben den Feldern. Es wird Quinoa Kartoffeln und Getreide geerntet. Die Leute sind sehr freundlich und grüßen schon von weitem. Geschätzte 120 Esel sind insgesamt eingespannt, Lasten zu tragen, haben Pause oder röhren vor sich hin. In diesem Moment muss ich an meinen Freund Florian denken. Mit ihm verabredete ich mich vor 25 Jahren, mit einem Esel durch Ecuador zu ziehen. Jetzt ist es anders gekommen. Ich ziehe mit einem Drahtesel ohne Florian durch die Lande. Aber ich glaube, damit komme ich schneller voran.
Der Verkehr hat glücklicherweise stark nachgelassen. Dafür haben wir jetzt wirklich das Gefühl, in den Anden angekommen zu sein. Grandiose Berglandschaften und ebenso beeindruckende Täler ziehen an uns vorbei. Wir passieren den höchsten Punkt bei knapp 3400 m und danach geht es in rasanter Fahrt abwärts Richtung Alausi. Zwei Kilometer vor dem Ziel ereilt mich ein platter Reifen. Mein tubeless System hat bisher noch nicht wirklich funktioniert. Jeden Morgen muss ich bei Beginn einen fast platten Reifen aufpumpen. Die Luft hat immer ganz gut den ganzen Tag gehalten. Bis auf heute. Das bedeutet, die letzten 2,5 km bis zum Hostal in Alausi zu schieben. Damit habe ich mir natürlich eine gute Platzierung verspielt. Aber darauf habe ich heute sowieso nicht spekuliert. Mir war der Besuch eines Indiomarkts in Guamote, den wir passiert haben, wichtiger. Unser Mechaniker Lucho hilft mir, Latex-Milch in den Reifen zu spritzen. Morgen werde ich sehen, ob es geholfen hat. Wenn nicht, werde ich einfach einen Schlauch einbauen.
In eine sonnigen Straßenkneipe treffe ich noch ein Ehepaar aus Innsbruck. Er war 4 Wochen an einem Sozialprojekt mit eingespannt. Jetzt ist seine Frau nachgekommen, um noch 4 Wochen gemeinsamen Urlaub in Ecuador zu machen.
Dieses Alausi scheint eh ein richtiger Anziehungspunkt zu sein. Wir sehen mehrere Rucksacktouristen. Es kommt vielleicht daher, dass hier Endpunkt des bekannten Felsennase-Zuges ist. Das Hostal ist zwar nicht komfortabel, aber sehr zweckmäßig für unsere Ambitionen.
27.7. 2014 Die Anfahrt
Nach hektischen Tagen, vielem organisatorischen Krimskram und noch mehr Verabschiedungen geht es jetzt los. Brigitte hat mir die letzten Tage sehr geholfen und ist jetzt auch beim Abschied sehr tapfer. Schliesslich wird sie mich jetzt fast 5 Monate nicht mehr sehen. DieFahrt mit dem Mietauto ist kein großes Problem mehr, als ich endlich die Einstellung für den Innenspiegel hinbekomme. Ich finde dank Navi sehr schnell das Hotel in Kelsterbach, wo ich übernachte
28.7.2014 Der lange Reise-Tag
Der Tag beginnt um 4 Uhr mit Aufstehen. Danach 3 km Fahrt zum Flughafen, auftanken,Fahrzeug abgeben und einchecken. Klappt ganz gut. Abflug planmäßig 7.05 nach Amsterdam. Flugzeit 50 Minuten. So war es angesagt. Es kommt aber anders. Durch ein schweres Gewitter über Amsterdam brauchen wir 1.5 Std. für den Rumpel-Flug durch das Gewitter und dürfen nach der Landung eine Stunde lange das Flugzeug nicht verlassen. Der ganze, riesige Flughafen Schipol steht für über 1 Std. still. Nichts bewegt sich, nur der Regen prasselt auf den Flieger. Als es dann weitergeht, ist das Chaos natürlich perfekt. Ich sehe auf dem Monitor, dass der Flug nicht "delayed" ist und um 10.05 planmäßig starten soll. "Gate closed" steht auf der Tafel. Ich frage an der Information und bekomme die Antwort, dass der Flug für 11.00 eingeplant ist. Es ist aber schon 10.30 Uhr und ich bin noch 14 Gehminuten von Gate F9 entfernt. In einem 6 minütigen Dauerlauf erreiche ich das Gate und bin froh, den Flug doch noch zu bekommen. Der startet dann aber erst um 12 Uhr, da auch noch andere Passagiere fehlen. Der Flug mit über 350 Passagieren und der großen Boing 777 geht 10.Std. 40Minuten und ist sehr lang, aber auch sehr rtuhig.
Die Zollabfertigung in Quito ist etwas umständlich mit Ausfüllen von allen möglichen Zollpapieren, aber bereitet keine wirklichen Probleme. Auch das Gepäck ist da. Allerdings ist der Radkarton so durchnässt, dass er mir schier unter den Händer auseinanderbricht. Zwei weitere Kartons werden in Empfang genommen und es stellt sich heraus, das die beiden- eine Holländerin und ein Holänder - auch zur Anden-Gruppe gehören und wir das gleiche Taxi gebucht haben. Allerdings hat der Fahrer nur mit zwei Rädern gerechnet. Jetzt erfahren wir zum ersten Mal equadorianische Improvisation und auf der 35 km langen Fahrt zum Hotel in Quito auch equadorianische Fahrkunst. Die Farbe Rot an den Ampeln scheinen sie nicht zu kennen, dafür hat der Fahrer aber von Spurwechsel eine Ahnung. Was solls- so machen wir wenigstens eine halbe Stunde von der Verspätung wieder gut. Nach kurzem Check-Inn im Hotel Plaza International verabreden wir uns noch zu einem Abendspaziergang mit Essen. Um 22 Uhr Ortszeit gehe ich dann zu Bett. Zuhause ist es jetzt 5 Uhr früh. So hat der Tag 25 Stunden für mich gedauert.
29.7. Tag 1 der Aklimatisation
Als einer der Ersten nach nicht gutem Schlaf wegen Kopfweh (ist es die Höhe oder das Bier?) bin ich dann beim Frühstück. Wir verabreden uns zur Besichtigung von Quito mit Frans, der sich schon auskennt. Auf dem Turm der Kathedrale "Basilica del Voto National", den wir auf einer abenteurlichen Treppe erreichen, haben wir dann einen tollen Ausblick über Quito.
Wir buchen für morgen noch eine Expedition zum Cotopaxi.
Da werden wir eine Wanderung bis zur Höhe von 5000 M.ü.M machen und anschliessend mit dem Rad abfahren. Reicht meine Aklimatisation dafür schon? Man wird sehen. Darüber werde ich morgen berichten.Nach dem Beschaffen einer neuen SIM-Card und Einkäufen bin ich dan früh im Hotel, um das Tagebuch weiterzuführen.
30.7. Am Cotopaxi
Schon vor dem Frühstück geht es los. Um 7 Uhr fahre ich zusammen mit einer Gruppe von ca. 30 Leuten zum Vulkan Cotopaxi. Die Anfahrt dauert ca. 2 1/2 Stunden. Zum Schluss auf einer Waschbrett-Straße im Nationalpakt Cotopaxi. Der Aufstieg ist hart. Zur dünnen Luft kommt noch das lose Vulkangestein, auf dem man immer wieder rückwärts rutscht. Nach weiteren 2 Stunden ist es geschafft. Am Rande des Gletschers stehen wir auf über 5000 m Höhe.Hätte ich nicht gedacht, dass das nach nur 2 Tagen Eingewöhnung schon geht. Nach ebenso langer Rückfahrt sind wir gegen 19 Uhr zurück und ziemlich müde. Hoffentlich schlafe ich kommende Nacht besser.
31.7.2014 Letzte Vorbereitungen und Einweisung
Heute, am Vortag des Starts zum Andentrail, steht nochmals die Vorbereitung der Räder im Vordergrund. Am späten Nachmittag findet dann das Briefing statt. Wilbert Bonne vom Veranstalter Bike-Dreams stimmt die 40 Teilnehmer auf das Kommende ein. Spätestens jetzt dürfte jedem Teilnehmer klar geworden sein, was auf ihn zukommt. Aber damit hat auch für mich die Vision Form angenommen.
Jeder Teilnehmer erhält ein tolles Trikot und einen Wiki-Guide, in dem alles über den Andentrail und darüber hinaus festgehalten ist.
Morgen heißt es dann:
V A M O S
1.8.2014 Start des Andentrails
54 km, 566 hm, 100% paved, neutralisiert
Die Vision wird Wirklichkeit. Wochen und Monate des Hinarbeitens auf diesen Tag,, des Trainings, der Organisation, aber auch des Bangens, dass ein Sturz,eine Verletzung oder eine Krankheit den ganzen Traum platzen lassen könnte, sind vorbei – Die Realisation des Traums beginnt.
Alle 40 Teilnehmer freuen sich, nach mehreren oder wenigeren Tagen der Eingewöhnung endlich loslegen zu können. Die Fahrt zum „Mitad del Mundo“ dem Äquator-Monument führt durch die Millionenstadt Quito zum 27 km entfernten Monument. Natürlich ist die Fahrt durch den dichten Verkehr kein Vergnügen, die Besichtigung des Monuments mit Ethnic-Museum lässt aber sofort alles vergessen. Als dann der Bürgermeister von Mitad in einer kurzen Ansprache uns begrüßt und zugleich mit guten Wünschen auf die lange Reise schickt, kommen, nicht nur bei mir, sondern wahrscheinlich bei allen Teilnehmern, emotionale Gefühle hoch.Nach einem Gruppenfoto und einem ersten kleinen Imbiss aus unserer eigenen Küche geht es zurück nach Quito. Auf der Rückfahrt wird dann gleich mal ein wenig getestet, wie die Rangfolge die nächsten Tage aussehen könnte.
Noch ein Wort zum Wetter: Seit Ankunft am Montag ist es sehr warm mit Temperaturen zwischen 25 und 30 Grad.
Am Ääquator spüren wir aber die intensive Kraft der senkrecht über uns stehenden Sonne. Am späten Nachmittag fallen erstmals ein paar Regentropfen. Meine Erkältung ist nicht besser geworden, behindert mich aber nicht.
2.8.2014 Es geht südwärts
2. Etappe: Quito – Latacunga, 98 km, 1313 hm, 100% Asphalt, Strecke neutralisiert.
Wetter: Teils sonnig, teils bewölkt. Teils heftiger Gegenwind im Anstieg auf 3500 m
Wir starten verspätet, ca. 9,15, da das ganze Gepäck sortiert und in die Trucks verladen werden muss. Bei heftigem Verkehr verlassen wir Quito und legen die gesamte Distanz auf der Panamericana Sur, einer stark frequentierten Schnellstraße zurück. Das ist vergleichbar mit der Fahrt auf dem Standstreifen einer deutschen Autobahn. So haben wir wenig Möglichkeit, den Cotopaxi zu bestaunen, den wir links liegenlassen. Aber ein paar von uns haben ihn schon am Mittwoch nicht nur gesehen, sondern bis zum Gletscher bestiegen. Meine Erkältung behindert mich immer noch. Trotzdem war ich unter den ersten Zehn bei der Ankunft in Latacunga. Haben uns inzwischen im Hotel Makroz, das unsere Erwartungen mehr als erfüllt eingecheckt. Nach einer Pizza gehts ziemlich müde in die Falle
3.Etappe Latacunga-Riobamba
97 km, 1860 hm, Asphalt, neutralisiert,
Wetter: Bewölkt, kühl
Planmäßig kommen wir um 8 Uhr weg, da ja nur mit das „daily luggage“ verladen werden muss. Es folgt ein weiterer Tag auf der Panamericana. Der Verkehr ist zwar nicht mehr so stark wie gestern, trotzdem sind wir alle froh, wenn wir diese Schnellstraße ab morgen verlassen werden. Es ist fast windstill, sodass der Tag von mir, aber auch von den meisten anderen, als nicht so strapaziös empfunden wird wie der Vortag.Und das, obwohl es bei gleicher Länge 600 hm mehr sind. Nach dem Lunchstop fahre ich ca. 20 km mit Tim Dowling, einem Australier. Da er mir aber zu unrythmisch fährt – auf der Ebene und bergab gibt er Gas ohne Ende und am Anstieg steht er fast, mache ich mich vom Acker. Tim ist ein australischer Schaffarmer mit
10 000 Schafen. Er fährt nicht die ganze Strecke, da er im Oktober beim Schafscheren wieder zuhause sein muss. Ich fahre dann noch auf zwei weitere Teilnehmer auf. Die sind froh, dass sie mit mir in Riobamba einfahren können, weil mein Garmin GPS das Hotel besser findet als sie mit ihrer Beschreibung. Bereits um 14 Uhr bin ich im Hotel Estacion. Nach der täglichen Suppe vom Bike-dreams-Team mache ich noch mit Jan-Willem einen Stadtrundgang.
Ach ja, nicht zu vergessen: Wir sind heute durch „Eveliza-Land“ gefahren. Dieses Wundermittel besteht zum größten Teil aus Quinoa, das hier unter der äquatorischen Sonne und der Lavaerde geerntet wird und besonders wertvoll ist.
Wir treffen im Hotel ein junges deutsches Paar, das nach dem Abschluss des Medizin-Studiums auf Weltreise ist. Die ersten 5 Monate des Jahres sind sie mit dem Fahrrad durch Asien geradelt. Jetzt haben sie in Quito angefangen und wollen bis Buenos Aires mit dem Tourenrad fahren. Mit 35 kg Gepäck und möglichst wenigen Hotelübernachtungen, um Geld zu sparen, wollen sie Mitte Dezember am Ziel sein. Ganz neidisch sind sie auf unser Begleitfahrzeug, das uns das Gepäck mittransport.